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25.06.2015
Unternehmensteuer

BFH: Anwendbarkeit des Sanierungserlasses

Der Große Senat des BFH hat dem Sanierungserlass des BMF eine klare Absage erteilt. Die hierin vorgesehene Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen verstoße gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
GrS des BFH, Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15, siehe Deloitte Tax-News
                                                                                              


Vorlagebeschluss des BFH vom 25.03.2015:
Der BFH legt dem Großen Senat die Frage vor, ob der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, nachdem der Gesetzgeber die früher in § 3 Nr. 66 EStG a.F. vorgesehene Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen abgeschafft hat. Der X. Senat des BFH ist der Überzeugung, dass dies nicht der Fall ist.

Sachverhalt

Der Kläger betrieb einen Baufachhandel mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG. Von 2001 bis 2006 wies der Kläger fortlaufend Verluste aus Gewerbebetrieb aus. Ausweislich von Rückzahlungsvereinbarungen mit den Banken hatte der Kläger fällige Verbindlichkeiten. Die Banken verzichteten auf die nicht bedienbaren Forderungen für den Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus der Vereinbarung ordnungsgemäß und termingerecht nachkommt. Das Finanzamt setzte die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb im Streitjahr 2007 – entsprechend dem eingereichten Jahresabschluss, in dem die Erträge aus den Forderungsverzichten der Banken enthalten waren – fest. Der Kläger beantragte den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Einkommensteuer. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab, da die Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses (BMF-Schreiben vom 27.03.2003) nicht vorlägen. Das FG wies die daraufhin erhobene Klage mit der Begründung ab, dass es nicht darauf ankomme, ob die Voraussetzungen des Sanierungserlasses erfüllt seien, da dieser schon deshalb nicht anwendbar sei, weil er gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoße.

Entscheidung

Nach Ansicht des X. Senats des BFH sei der Sanierungserlass bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen anwendbar.

Der X. Senat des BFH habe in seinem Urteil vom 14.07.2010 bereits entschieden, dass der Sanierungserlass nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung tangiere. Der I. Senat des BFH hingegen habe im Urteil vom 25.04.2012 die Fragen, ob der Sanierungserlass den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen Beihilfeverbots uneingeschränkt genüge, offen gelassen. Diese Fragen habe auch der BGH im Urteil vom 13.03.2014) unbeantwortet gelassen.

Das BMF sei der Auffassung, der Sanierungserlass verstoße nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Diese Auffassung vertrete auch der weit überwiegende Teil der Literatur.

Der Gesetzgeber habe in § 163 bzw. § 227 AO die aus seiner Sicht notwendigen Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen bzw. einen Steuererlass festgelegt und die Entscheidung im Einzelfall in das Ermessen der Finanzbehörden gestellt. Im Sanierungserlass habe das BMF lediglich die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert. Der Sanierungserlass knüpfe auch nicht an die Rechtslage des § 3 Nr. 66 EStG a.F. an, den der Gesetzgeber abgeschafft habe.

Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung der Besteuerung bzw. des Steuererlasses in Bezug auf Sanierungsgewinne und der Verpflichtung der Verwaltung zur gleichmäßigen Erhebung von Steuern nach § 85 AO sei es nach Auffassung des BFH unumgänglich, bundeseinheitliche Leitlinien der Finanzverwaltung zur erforderlichen Ermessensausübung zu formulieren.

Weiter sei der BFH der Auffassung, dass der Sanierungserlass nicht nur mit innerstaatlichem (Verfassungs-)Recht vereinbar sei, sondern auch mit dem unionsrechtlichen Beihilferecht. Ob der Sanierungserlass als Beihilfe zu qualifizieren sei, hänge davon ab, ob er spezifisch bzw. selektiv bestimmte Unternehmen begünstige. Nach dem deutschen Ertragsteuerrecht seien Sanierungsgewinne als Erhöhungen des Betriebsvermögens grundsätzlich zu versteuern und der sog. Sanierungserlass nehme diese Gewinne von der Besteuerung aus. Diese Ausnahme sei nicht selektiv, es würden keine bestimmten Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen, die sich im Hinblick auf den mit dem Sanierungserlass in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, begünstigt. Zwar wirke sich der Erlass zugunsten aller Unternehmen mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus. Dies allein sei jedoch kein Grund, eine selektive Begünstigung anzunehmen.

Insbesondere finde der Sanierungserlass seine Begründung in den Grundprinzipien der Steuerrechtsordnung und sei deshalb als gerechtfertigt anzusehen. Der Sanierungserlass komme nur notleidenden Unternehmen zugute und trage dazu bei, dass die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesichert und das Übermaßverbot gewahrt seien.

Betroffene Norm

§ 163 AO, § 227 AO
Streitjahr 2007

Vorinstanz
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.04.2013, 1 K 759/12, EFG 2013, S. 1898

Fundstellen
GrS des BFH, Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Entscheidung vom 25.03.2015, X R 23/13

Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 27.03.2003, IV A 6-S 2140-8/03, BStBl I 2003, S. 240, ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22.12.2009, IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, S. 18; sog. Sanierungserlass, BFH, Urteil vom 14.07.2010, X R 34/08, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 25.04.2012, I R 24/11, siehe Deloitte Tax-News
BGH, Urteil vom 13.03.2014, IX ZR 23/10, DStR 2014, S. 895

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