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12.08.2021
Unternehmensteuer

BFH: Ausübung des Gewinnermittlungswahlrechts durch ausländische Personengesellschaft

Auch ausländische gesetzliche Vorschriften, die eine Buchführungs- und Abschlusspflicht begründen, können das Wahlrecht zur Gewinnermittlung durch den Betriebsvermögensvergleich oder der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG ausschließen (sog. Sperrwirkung). Die Sperrwirkung setzt nicht voraus, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind.

Sachverhalt

Die Kläger sind die ehemaligen inländischen Gesellschafter einer inzwischen aufgelösten, in Luxemburg ansässigen Personengesellschaft (C). C entsprach einer GmbH & Co. KG nach deutschem Recht und betrieb einen Goldhandel. C war nach luxemburgischem Aufsichtsrecht zur jährlichen Erstellung einer Bilanz verpflichtet. Für die Besteuerung ihrer inländischen Gesellschafter erstellte C Einnahmen-Überschussrechnungen nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG und rechnete diesen originär gewerbliche, nach dem DBA steuerfreie und folglich dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte zu.

Das FG bestätigte zunächst die Auffassung der Kläger, dass es sich um originär gewerbliche Einkünfte handelt, die im Inland steuerfrei gestellt sind und dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Streitig war allerdings weiterhin noch die Frage, ob die Einkünfte der inländischen Gesellschafter durch eine Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG oder durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln sind.

Entscheidung

Der BFH stellt zunächst fest, dass auch ausländische gesetzliche Buchführungs- und Abschlusspflichten das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG sperren können. Allerdings weist der BFH die Sache mangels ausreichender Tatsachengrundlage an das FG zurück.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG können Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Das Bestehen einer gesetzlichen Buchführungs- und Abschlusspflicht sperrt daher die Möglichkeit der Einnahmen-Überschussrechnung (sog. Sperrwirkung).

Personengesellschaft als Adressatin des Gewinnermittlungswahlrechts

Der BFH stellt klar, dass ein ggfs. nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG bestehendes Gewinnermittlungswahlrecht von der C als eigenständigem Gewinnermittlungssubjekt selbst und nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben ist.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sei die Personengesellschaft das Subjekt der Gewinnermittlung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21.10.2015, IV R 43/12; vom 19.01.2017, IV R 10/14 und vom 07.06.2016, VIII R 23/14) und folglich sei die Personengesellschaft (nicht deren Gesellschafter) Adressatin der Gewinnermittlungsvorschriften und auch die „Steuerpflichtige“ im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 1 EStG. Dies bedeutet nach dem BFH auch, dass der Gewinn der Mitunternehmerschaft ausgehend von der Gewinnermittlungsmethode der Personengesellschaft einheitlich entweder nach Bilanzierungs- oder nach Überschussgrundsätzen zu ermitteln ist. Die Gesellschafter können keine davon abweichende Gewinnermittlungsmethode wählen.

Nach dem BFH gilt dies auch für ausländische Personengesellschaften, sofern Deutschland die ausländische Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft ansieht (sog. Typenvergleich), diese (im Inland nach einem DBA steuerfreie) gewerbliche Einkünfte erzielt und an ihr inländische Gesellschafter beteiligt sind.

Sperrwirkung ausländischer Buchführungs- und Abschlusspflichten

Der BFH entscheidet erstmalig tragend in einer Urteilssache, dass auch eine ausländische Buchführungs- und Abschlusspflicht das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG ausschließen kann und bestätigt damit die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung (vgl. H 4.5 Abs. 1 EStH). 

Nach dem BFH müssen für die Sperrwirkung die ausländischen Gesetze sowohl eine Buchführungspflicht als auch eine Abschlusserstellungspflicht und damit Bilanzierungspflicht normieren. Das Bestehen einer bloßen (ggf. auch laufenden) Buchführungspflicht nach ausländischem Recht reicht nach dem BFH nicht aus. Zudem sind bloße (branchenspezifische) ausländische Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten, die keine laufende Buchführungspflicht begründen, nicht geeignet, das Wahlrecht auszuschließen, auch wenn sie über § 140 AO zu inländischen Pflichten werden. Vielmehr seien laufende Buchführungspflichten erforderlich, mit der eine Abschlusspflicht einhergehe. Die ausländische Bilanz müsse – vergleichbar § 242 Abs. 1 HGB- das Vermögen und die Schulden des Gewinnermittlungssubjekts stichtagsbezogen darstellen.

Allerdings ist es nach dem BFH nicht erforderlich, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit denen nach deutschem Recht funktions- und informationsgleich sind. Die Sperrwirkung setze nicht voraus, dass der sich nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ergebende Gewinn aus dem ausländischen Büchern und dem ausländischen Abschluss (Bilanz) ohne nennenswerte Umrechnungen entnommen werden kann.

Ausübung des Wahlrechts

Besteht für die ausländische Personengesellschaft keine Sperrwirkung aufgrund einer gesetzlichen (ausländischen) Buchführungs- und Abschlusspflicht, steht es ihr frei das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG auszuüben.
Nach dem BFH wird das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG zugunsten einer Einnahmen-Überschussrechung auch dann ausgeübt, wenn bei dem inländischen Finanzamt eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eingereicht wird, bevor der ausländischen Steuerverwaltung ein Betriebsvermögensvergleich zugeleitet wird. 

Erneute Prüfung durch das FG

Nach Auffassung des BFH hat das FG zu den für C geltenden Buchführungs- und Abschlusspflichten keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das FG hat daher erneut zu ermitteln, ob C nach luxemburgischen gesetzlichen Vorschriften verpflichtet war, Bücher zu führen und Abschlüsse zu erstellen, die das Vermögen und die Schulden der C bilanziell in beiden Streitjahren darstellen. Bei Bejahung dieser Pflicht nach luxemburgischem Recht wäre die Einnahmen-Überschussrechnung gesperrt. Bei Verneinung wäre die zeitliche Reihenfolge der von C erstellten Gewinnermittlungen vom FG zu prüfen, ob C bereits vor Einreichung der Einnahmen-Überschussrechnung (freiwillig) erstellte Abschlüsse vorgelegt hat.

Betroffene Normen

​§ 4 Abs. 3 S. 1 EStG​

Streitjahre 2011-2012

Anmerkungen

Hintergrund zur o.g. Entscheidung: sog. „Goldfinger“-Gestaltungen

Das sog. Goldfingermodell führte im Inlandsfall zu einem Steuerstundungseffekt, da die Anschaffungskosten für das Gold bereits im Jahr des Erwerbs als Betriebsausgaben abgezogen wurden und folglich Verluste aus Gewerbebetrieb vorlagen, die bereits sofort (und nicht erst im Veräußerungsjahr) mit anderen positiven Einkünfte der Gesellschafter ausgeglichen bzw. abgezogen werden konnten.

Im Auslandsfall trat beim Goldfingermodell regelmäßig sogar eine definitive Steuerreduzierung ein. Während der negative Progressionsvorbehalt im Jahr des Golderwerbs regelmäßig zu einem (häufig deutlich) reduzierten Steuersatz führte, bewirkte der positive Progressionsvorbehalt im Jahr des Goldverkaufs regelmäßig keine (oder nur eine geringe) Steuersatzsteigerung, weil bereits vor Anwendung des positiven Progressionsvorbehalts der Spitzensteuersatz anzuwenden war.

BFH-Urteile vom 19.01.2017 (IV R 10/14 und IV R 50/14)

Mit den Urteilen vom 19.01.2017 (IV R 10/14 und IV R 50/14, siehe Deloitte Tax News) hatte der BFH entschieden, dass zwei Gestaltungen, bei denen eine gewerblich geprägte Personengesellschaft bzw. eine ausländische Personengesellschaft durch den Ankauf physischen Goldes Verluste aus Gewerbebetrieb erzielt haben, keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO a.F. darstellen.

Reaktion des Gesetzgebers auf Goldfinger-Modelle

Der Gesetzgeber war zwischenzeitlich auch gegen derartige Gestaltungen vorgegangen. Für Inlandsfälle wird in § 15b Abs. 3a EStG unter dort näher genannten Voraussetzungen ein Steuerstundungsmodell angenommen, wonach solche Verluste nur noch mit künftigen Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechenbar sind (erstmals anwendbar auf Modelle, bei denen Wirtschaftsgüter nach dem 28.11.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden). Für Auslandsfälle wurde in § 32b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG u. a. eine Regelung eingefügt, die bei Ermittlung des anzuwendenden Einkommensteuersatzes einen sofortigen Betriebsausgabenabzug verhindert (erstmals anwendbar auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die nach dem 28.02.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden).

Vorinstanz

Finanzgericht Hessen, Urteil vom 30.08.2017, 7 K 1095/15, EFG 2020, S. 1388

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20.04.2021, IV R 3/20, BStBl II 2023, S. 703, BVerfG-anhängig: 2 BvR 1618/21

Parallelentscheidung

BFH, Urteil vom 20.04.2021, IV R 20/17

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 21.10.2015, IV R 43/12, BStBl. II 2016, S. 517

BFH, Urteil vom 07.06.2016, VIII R 23/14, BFH/NV 2016, S. 1684

BFH, Urteil vom 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl. II 2017, S. 466, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 19.01.2017, IV R 50/14, BStBl. II 2017, S. 456, siehe Deloitte Tax News

 

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