BFH: Auswirkungen einer rechtsträgerübergreifenden Übertragung stiller Reserven auf die Ermittlung des Kapitalkontos
Die gesellschafterbezogene und rechtsträgerübergreifende Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG führt durch die (erfolgsneutrale) Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts bei der übernehmenden Personengesellschaft dazu, dass sich das Kapitalkonto i.S.v. § 15a Abs. 1 S. 1 EStG in Höhe der übertragenen stillen Reserven reduziert.
BFH, Urteil vom 12.12.2024, IV R 24/22
Sachverhalt

Der Kläger war eine natürliche Person und Gesellschafter der A GbR. Die A GbR bildete für den Veräußerungsgewinn einer Immobilie in ihrer Gesamthandsbilanz eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG. Zudem war der Kläger alleiniger Kommanditist der I GmbH & Co. KG (I KG). Die A GbR übertrug den in der gebildeten § 6b EStG-Rücklage passivierten Veräußerungsgewinn (stille Reserven) anteilig auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines bebauten Grundstücks der I KG. Die Übertragung führte in der Buchführung der I KG zu einer Minderung der Bilanzwerte für den Grund und Boden bzw. für das auf dem Grundstück errichtete Gebäude. Die gegenläufigen Buchungen erfasste die I KG in ihrer Bilanz jeweils auf einem „Sonderkonto“ („Kapital Konto IV Rücklage § 6b EStG“).
Im Streitjahr veräußerte die I KG schließlich das bebaute Grundstück. Die Außenprüfung vertrat die Auffassung, dass der auf den Kläger entfallende Anteil am Gesamthandsverlust der I KG im Streitjahr der Verlustverwertungsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG unterliegt. Die Übertragung der stillen Reserven von der A GbR auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Grundstücks A der I KG habe zu einer Minderung des Kapitalkontos des Klägers geführt. Folglich sei das Kapitalkonto des Klägers im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG negativ und der für das Streitjahr auf ihn entfallende laufende Gesamthandsverlust nicht ausgleichsfähig. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der erlittene Verlust des Klägers nicht ausgleichs- oder abzugsfähig ist, sondern nach § 15a Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 EStG als verrechenbarer Verlust festzustellen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust einer KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen oder abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Der nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach § 15a Abs. 2 EStG abzuziehenden und vermehrt um die nach § 15a Abs. 3 EStG hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust), ist jährlich gesondert festzustellen (§ 15a Abs. 4 S. 1 EStG).
Kapitalkonto im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG
Der BFH führt zunächst zur Bestimmung des Kapitalkontos des Kommanditisten im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG aus, dass nach ständiger Rechtsprechung neben der Gesamthandsbilanz auch die Ergänzungsbilanz zu berücksichtigen ist, in der regelmäßig der Mehr- oder Minderaufwand eines Gesellschafters gegenüber dem in der Gesamthandsbilanz ausgewiesenen Aufwand abgebildet wird. Demgegenüber bleibe das Kapitalkonto aus den für die Kommanditisten gebildeten Sonderbilanzen außer Ansatz.
Unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2017, IV R 36/14) weist der BFH daraufhin, dass Verluste, die zu einer Erhöhung des Negativsaldos führen, nicht ausgleichsfähig sind, wenn das Kapitalkonto eines Kommanditisten unter Berücksichtigung einer negativen Ergänzungsbilanz, welche infolge der Wahlrechtsausübung nach § 6b EStG aufzustellen war, negativ wird.
Anwendung auf den Streitfall
Im Streitfall führte die steuerbilanzielle Umsetzung der rechtsträgerübergreifenden Übertragung der stillen Reserven nach § 6b EStG zu einem Abzug der stillen Reserven von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens bzw. von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes bei der I KG und zugleich zu einer Kapitalminderung in der Steuerbilanz, die auf dem „Sonderkonto“ verbucht worden ist. Nach dem BFH dient der auf dem „Sonderkonto“ erfasste Betrag wie im Fall einer Ergänzungsbilanz der Zuordnung eines Minderkapitals bzw. von Minderanschaffungskosten, um im Fall der späteren Veräußerung des Grundstücks die (Wieder-)Aufdeckung der in früheren Jahren übertragenen und abgezogenen stillen Reserven dem Kläger zuzuordnen. Folgerichtig mindern die übertragenen stillen Reserven das steuerliche Kapitalkonto. Die konkrete Bezeichnung des Buchführungskontos in der von der I KG aufgestellten Bilanz sei für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.
Folglich bestätigt der BFH, dass die Kapitalminderungen durch den Abzug der übertragenen stillen Reserven von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens sowie von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes nach § 6b Abs. 1 EStG als Minderanschaffungskosten bei der Ermittlung des Kapitalkontos des Klägers im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG zu berücksichtigen sind. Der im Streitjahr anteilig dem Kläger zuzurechnende Gesamthandsverlust unterfällt somit der Verlustverwertungsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 und Abs. 4 EStG, da dieser ein negatives Kapitalkonto des Klägers im Sinne des § 15a Abs. 1 S. 1 EStG erhöhte.
Keine Erhöhung des Kapitalkontos durch die stillen Reserven
Der BFH stellt klar, dass die nach § 6b EStG übertragenen stillen Reserven nicht (erhöhend) bei der Berechnung des Kapitalkontos i.S.d. § 15a Abs. 1 S. 1 EStG zu berücksichtigen sind. Denn die Nichtberücksichtigung von stillen Reserven gilt nicht nur für im Betriebsvermögen gebildete und nicht aufgedeckte stille Reserven, sondern auch für aufgedeckte und nach § 6b Abs. 1 S. 1 EStG wieder abgezogene stille Reserven, so der BFH (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2017, IV R 36/14). Nach der Auffassung des BFH rechtfertigt die (einmalige) Erfassung des Minderkapitals auf einem Sonderkonto bei der Übertragung von stillen Reserven nach § 6b EStG es nicht, ausnahmsweise stille Reserven für Zwecke der Ermittlung des Kapitalkontos nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG "außerbilanziell" hinzuzurechnen.
Betroffene Normen
§ 6b EStG, § 15a EStG
Streitjahr 2006
Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 19.07.2022, 12 K 33/18, EFG 2023, S. 124
Fundstelle
BFH, Urteil vom 12.12.2024, IV R 24/22
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.05.2017, IV R 36/14, BStBl. II 2017, S. 905
