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03.11.2016
Unternehmensteuer

BFH: Beginn des Gewerbebetriebs der Obergesellschaft einer doppelstöckigen Personengesellschaft

Erzielt eine Personengesellschaft als Obergesellschaft originär gewerbliche Einkünfte (allein) aufgrund ihrer Beteiligung an originär gewerblichen Unterpersonengesellschaften, kommt es für den Beginn ihrer werbenden Tätigkeit auf den Beginn der werbenden Tätigkeit der Unterpersonengesellschaft an. Eine vor diesem Zeitpunkt für den Erwerb der Beteiligungen von der Obergesellschaft getätigte Geldanlage ist als bloße Vorbereitungshandlung anzusehen und markiert nicht den Beginn des Gewerbebetriebs.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine im Jahre 2005 in das Handelsregister eingetragene GmbH & Co. KG, bietet als sog. Dachfonds Investoren an, sich durch Kommanditeinlagen mittelbar an diversen Ein-Schiffs-Kommanditgesellschaften (sog. Zielfonds) zu beteiligen. Gesellschaftszweck ist der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an den (originär gewerblichen) Zielfonds. Die Erwerbe erfolgten durch Eigenkapital (Kommanditkapital), das zwischen Januar und Mai 2006 eingeworben wurde. Für die Vermittlung erhielten die Kommanditisten der Klägerin eine Provision.

Bereits in 2005 erzielte die Klägerin erstmals Zinseinnahmen aus ihrem Kontokorrentkonto, im Februar 2006 trat sie den Zielfonds bei, im März 2006 wurde das erste Schiff geliefert. Zudem legte die Klägerin im März 2006 – vor der Lieferung des ersten Schiffes – Termingeld an.

Die Klägerin erzielte durch Provisionszahlungen an ihre Gesellschafter ein positives Sonderbetriebsergebnis, das sie in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2006, aber nicht in ihrer Gewerbesteuererklärung angab. Sie ging von einem nicht der Gewerbesteuer unterliegenden Sonderbetriebsergebnis vor Abschluss der Betriebseröffnungsphase aus. Das Finanzamt folgte dem nicht. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Gewerbebetrieb der Klägerin bereits im Jahr 2005 mit der verzinslichen Kapitalanlage begonnen habe.

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG unterliege (nur) der stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer. Nach ständiger Rechtsprechung beginne die sachliche Gewerbesteuerpflicht der unter § 2 Abs. 1 GewStG fallenden Gewerbebetriebe erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines originären oder fiktiven Gewerbebetriebs erfüllt seien (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG i. V .m. § 15 Abs. 2 bzw. Abs. 3 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden sei (vgl. BFH-Urteile vom 22.01.2015 und vom 30.08.2012). Maßgeblich für den Beginn eines Gewerbebetriebs i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG sei der Beginn der werbenden Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil 30.08.2012, BFH-Beschluss vom 25.06.1984). Dabei sei ausschlaggebend, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt seien, so dass das Unternehmen sich daran mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen könne (vgl. BFH-Urteil vom 30.08.2012). Davon abzugrenzen seien Vorbereitungshandlungen. Der Beginn bzw. die Einstellung der werbenden Tätigkeiten sei anhand des Einzelfalls zu bestimmen. Was die werbende Tätigkeit eines Unternehmens sei, bestimme sich nach dem Unternehmensgegenstand, wobei der Gesellschaftszweck als Indiz herangezogen werden könne.

Eine gewerblich geprägte, vermögensverwaltende Personengesellschaft erziele zwar keine originär gewerblichen Einkünfte, habe aber in Folge der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ab Beginn ihrer werbenden Tätigkeit (Aufnahme der vermögensverwaltenden Tätigkeit) einen stehenden Gewerbebetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.2003). Diese Grundsätze kämen für eine GmbH & Co. KG mit originär gewerblichen Einkünften nicht zur Anwendung, da diese keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG darstelle (BFH-Urteil vom 20.11.2003). Die Erzielung nichtgewerblicher Einkünfte ist Bestandteil der Definition der gewerblich geprägten Personengesellschaft. Eine originär gewerbliche GmbH & Co. KG sei auch vor Aufnahme der originär gewerblichen Tätigkeit nicht als gewerblich geprägte Personengesellschaft anzusehen, da andernfalls vermögensverwaltende Tätigkeiten einer solchen Gesellschaft vor dieser Zeit regelmäßig zur Annahme eines stehenden Gewerbebetriebs führen würden.

Da die Klägerin ihrem Gesellschaftszweck (Erwerb und Verwaltung von Beteiligungen an gewerblich tätigen Kommanditgesellschaften) entsprechend originär gewerbliche Einkünfte erziele, sei das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin als gewerblich geprägte Personengesellschaft schon mit der Aufnahme einer vermögensverwaltenden Tätigkeit (Anlegen des Kommanditkapitals) einen Gewerbebetrieb unterhalten habe. Die Klägerin habe als Obergesellschaft bzw. Mitunternehmerin der jeweiligen Kommanditgesellschaften originär gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erzielt. Für den Beginn der (sachlichen) Gewerbesteuerpflicht der originär gewerblich tätigen Klägerin sei deren Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen abzugrenzen. Die Gewerbesteuerpflicht beginne daher frühestens in dem Zeitpunkt, in dem der erste Zielfonds (Unterpersonengesellschaft), an dem sich die Klägerin ihrem Gesellschaftszweck entsprechend beteiligt hat, seinen Gewerbebetrieb aufgenommen habe. Dies sei dann erfolgt, als das erste Schiff an eine Untergesellschaft im März 2006 von der Werft abgeliefert worden ist.

Anmerkung

Mit Urteil vom 09.11.2017, IV 37/14 hat der BFH erneut seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine GmbH & Co. KG mit originär gewerblichen Einkünften keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist. Dies hat zur Folge, dass ein Austritt der Komplementär-GmbH aus der KG für die Qualifikation ihrer Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb unerheblich ist.
Wird der Gewerbebetrieb der GmbH & Co. KG nicht aufgegeben, sondern nur unterbrochen, so sind die auf Grundlage dieses ruhenden Gewerbebetriebs erzielten Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb. Da keine gewerbliche Prägung vorlag, kann diese bei Betriebsunterbrechung durch den Austritt der Komplementär-GmbH auch nicht wegfallen mit der Maßgabe, dass zum Zeitpunkt des Austritts eine fiktive Betriebsaufgabe anzunehmen wäre.

Betroffene Normen

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG, § 2 Abs. 1 GewStG
Streitjahr 2006

Vorinstanz

Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.03.2012, 1 K 275/09, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13, BStBl. II 2017, S. 489

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 09.11.2017, IV R 37/14, BStBl II 2018 Seite 227

BFH, Urteil vom 22.01.2015, IV R 10/12

BFH, Urteil vom 30.08.2012, IV R 54/10, BStBl. II 2012, 927, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 20.11.2003, IV R 5/02, BStBl. II 2004, S. 464

BFH, Beschluss vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 751

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