BFH: Beschränkte Steuerpflicht für Zinsen aus Wandelanleihen
Werden Wandelanleihen ausgegeben, unterliegt ein ausländischer Anteilseigner mit den daraus erzielten Erträgen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht. Dies gilt auch dann, wenn die Wandelanleihen in Form von Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind. Diese Auffassung wurde durch das Jahressteuergesetz 2019 gesetzlich verankert.
Sachverhalt
Streitig war, ob Zinserträge eines ausländischen Anteilseigners aus Wandelanleihen, die in Form von Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind, der beschränkten Steuerpflicht unterliegen und damit Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen ist.
Die Klägerin, eine US-amerikanische LLC, war im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig. In den Streitjahren 2012 und 2013 erzielte sie Zinserträge aus Wandelanleihen. Emittentin der Anleihe und Schuldnerin der Kapitalerträge war die im Inland ansässige Beigeladene. Bei der Auszahlung der Zinsen an die Klägerin wurde von der inländischen Beigeladenen keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt.
Finanzamt und FG waren der Auffassung, dass die Zinsen aus der Wandelanleihe gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, ohne dass die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa S. 2 EStG a.F. zur Anwendung kommt.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass für die Zinserträge aus den Wandelanleihen Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt werden muss. Das FG habe im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Zinserträge gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.
Einbehalt und Abführung der Kapitalertragsteuer bei Zinserträgen aus Wandelanleihen.
Im zugrundeliegenden Streitfall handelt es sich um Wandelanleihen in Form von Teilschuldverschreibungen, die neben einer festen Verzinsung – zumindest auch – das klassische Element eines jederzeitigen Wandlungsrechts des Gläubigers in Aktien des Schuldners vorsehen. Die Zinsen aus der Wandelanleihe führen unstreitig zu Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die grundsätzlich gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag unterliegen.
Da die Klägerin als Inhaberin der Wandelanleihen nicht in Deutschland ansässig ist, setzt die Verpflichtung zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer zusätzlich voraus, dass die Zinsen zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehören. Die für die Bestimmung der beschränkten Steuerpflicht maßgeblichen Kriterien sind in der Literatur bei Zinsen aus Wandelanleihen allerdings stark umstritten.
Beschränkte Steuerpflicht nach § 49 EStG (gesetzliche Grundlagen)
Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG gehören zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 (mit Ausnahme der Erträge aus Investmentanteilen), 2, 4, 6 und 9 EStG, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift gilt „dies“ ausdrücklich auch für Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen.
§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG a.F. regelt dagegen die beschränkte Steuerpflicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG. Für diese Einkünfte ist der erforderliche Inlandsbezug gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG a.F. erfüllt, wenn das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz, durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert ist. Satz 2 dieser Vorschrift sieht eine Ausnahme u.a. für Zinsen aus Anleihen und Forderungen vor, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind.
Einordnung im konkreten Fall
Nach Auffassung des BFH ergibt sich die beschränkte Steuerpflicht für Erträge aus Wandelanleihen ausschließlich aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG, sodass die Ausnahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa S. 2 EStG a.F. (einschließlich der Ausnahme für Teilschuldverschreibungen) auf Wandelanleihen keine Anwendung finden (vgl. dazu auch FG Köln, Urteil vom 23.01.2019, 2 K 1315/13).
Laut BFH folgt dieses Ergebnis bereits aus dem Wortlaut der zugrundeliegenden Normen. Da nach dem zweiten Halbsatz des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG die Vorschrift ausdrücklich für Wandelanleihen gelten soll, obwohl insoweit keine Beteiligungseinkünfte vorliegen, sei nach dem Wortlaut nicht nur der Inlandsbezug geregelt, sondern es liege eine abschließende Bestimmung der beschränkten Steuerpflicht für den Sonderfall der Zinserträge aus Wandelanleihen vor. Nach dem BFH ist diese Regelung im Vergleich zur allgemeinen Bezugnahme auf Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG a.F. spezieller und damit vorrangig.
Teleologisch-historische Auslegung
Dieses Verständnis werde insbesondere durch eine teleologisch-historische Auslegung bestätigt. Der Gesetzgeber wollte Zinserträge aus Teilschuldverschreibungen grundsätzlich nicht der beschränkten Steuerpflicht unterwerfen. Eine Ausnahme sollte aber für diejenigen Zinserträge aus Teilschuldverschreibungen gelten, die in Form von Wandelanleihen ausgegeben waren und bei denen der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hatte.
Im Übrigen hätte die Sonderregelung für Wandelanleihen in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Halbsatz 2 EStG laut BFH nahezu keinen Anwendungsbereich, wenn hierfür auch die Ausnahme für Teilschuldverschreibungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG a.F. zu berücksichtigen wäre. Denn Wandelanleihen werden in der Regel als Teilschuldverschreibungen ausgegeben.
Kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG
Schließlich sieht der BFH in der Sonderbehandlung der Wandelanleihen keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dies folge aus der Besonderheit, dass das jederzeitige Wandlungsrecht des Gläubigers bei einer Wandelanleihe ein beteiligungsähnliches Element darstelle, das wesentlich von normalen Schuldverschreibungen abweiche. Dieser Unterschied rechtfertige es, auch die daraus resultierenden Zinseinkünfte unterschiedlichen Regelungen zu unterwerfen.
Betroffene Normen
§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.F., § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa S. 2 EStG a.F.
Streitjahre 2012 und 2013
Anmerkung
Gesetzliche Neuregelung
Mit dem Jahressteuergesetz 2019 vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, S. 2451, siehe Deloitte Tax News) wurde in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c S. 2 EStG aufgenommen, dass die Ausnahme für Zinsen aus Anleihen und Forderungen, die über Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind, ausdrücklich für Wandelanleihen und Gewinnobligationen nicht gilt. Folglich richtet sich die Besteuerung im Fall von Wandelanleihen und Gewinnobligationen ab dem Veranlagungszeitraum 2020 allein nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. a EStG. Mit seiner o.g. Entscheidung hat der BFH nun dieselbe Auffassung bereits für Altjahre (d.h. vor Veranlagungszeitraum 2020) vertreten.
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 06.12.2017, 2 K 1289/15 H, StEd 2018, S. 715
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 13.07.2021, I R 6/18, BStBl. II 2022, S. 24
Weitere Fundstellen
Finanzgericht Köln, Urteil vom 23.01.2019, 2 K 1315/13, EFG 2019, S. 1764