BFH: Bruttomethode bei Ausschüttung EU-Kapitalgesellschaft an deutsche Organgesellschaft
Ausschüttungen, die eine deutsche Organgesellschaft von einer EU-Tochter-Kapitalgesellschaft bezieht, sind auf Ebene der Organgesellschaft nicht steuerfrei zu stellen. Auf Ebene des Organträgers kommt im Falle einer Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschafter im Rahmen der sog. Bruttomethode für die Dividenden das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung. Ein Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie ist damit nicht verbunden.
BFH, Urteil vom 06.02.2025, IV R 29/22
Sachverhalt
Eine Einheits-GmbH & Co. KG (KG) hält 100% an ihrer Komplementär-GmbH, die ihrerseits ohne Anteile an der KG beteiligt ist. Die Komplementär-GmbH hält 50% an einer dänischen Gesellschaft (F A/S). Zwischen der KG als Organträger (OT) und der Komplementär-GmbH als Organgesellschaft (OG) bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die dänische Gesellschaft (F A/S) schüttete Gewinne an die Komplementär-GmbH aus.
Die Dividenden wurden von der Komplementär-GmbH als OG unter Berufung auf die Mutter-Tochter-Richtlinie als steuerfreie Einkünfte behandelt. Hingegen war die Außenprüfung der Auffassung, dass für Beteiligungserträge, die eine OG erzielt, die sog. Bruttomethode gilt (vgl. § 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG). Die Anwendung der Bruttomethode führt im Streitfall aufgrund der an der KG beteiligten natürlichen Personen (als Kommanditisten) zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens. Das FG schloss sich der Auffassung des Finanzamtes an.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Ausschüttung der F A/S in voller Höhe – ohne Anwendung des § 8b KStG – Teil des Einkommens der OG ist, das dem OT zugerechnet wird und dort im Hinblick auf die Beteiligung natürlicher Personen dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG) unterliegt. Einen Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie sieht der BFH darin nicht.
Gesetzliche Grundlage - Bruttomethode
Gemäß § 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG ist § 8b Abs. 1 KStG, wonach Gewinnausschüttungen einer in- oder ausländischen Körperschaft an eine in- oder ausländische Körperschaft unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 3 KStG steuerfrei bleiben, bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden. Sind in dem dem Organträger zugerechneten Einkommen Bezüge, Gewinne oder Gewinnminderungen im Sinne des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG enthalten, ist § 8b KStG sowie § 3 Nr. 40 EStG bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden.
Folglich tritt die Steuerfreistellung der Dividenden nicht auf Ebene der Organgesellschaft, sondern auf Ebene des Organträgers in Abhängigkeit mit dessen Rechtsform bzw. der seiner Gesellschafter ein. Handelt es sich beim Organträger um eine Kapitalgesellschaft, kommt grundsätzlich eine 95%-Steuerfreiheit der Dividenden (vgl. § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG) in Betracht. Handelt es sich beim Organträger um eine Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschafter, kommt im Rahmen des Teileinkünftsverfahrens lediglich eine 40%-ige Steuerfreiheit der Dividenden (vgl. § 3 Nr. 40 EStG) zur Anwendung.
Im Rahmen der Bruttomethode soll ausgeschlossen werden, dass eine Organträger-Personengesellschaft oder eine natürliche Person als Organträger in den Genuss von Steuervergünstigungen kommen, die ihnen nach ihrer Rechtsform nicht zustehen.
Ebene OG: Keine Steuerfreistellung
Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Regelung ist das Einkommen der OG ohne Anwendung des § 8b Abs. 1 und 5 KStG zu ermitteln, d.h. die von der F A/S bezogene Dividende geht in voller Höhe in das Einkommen der OG ein.
Ebene OT: Anwendung des Teileinkünfteverfahrens
Dieses Einkommen ist der KG als Organträgerin zuzurechnen. Dort ist § 8b KStG beziehungsweise sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EstG – je nach beteiligtem Mitunternehmer – anzuwenden. Da an der KG nur natürliche Personen beteiligt waren, gelangt das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung, d.h. die Dividende unterliegt zu 60 % der Besteuerung.
Kein Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie
Nach Ansicht des BFH widerspricht es nicht den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie, wenn § 15 S. 1 Nr. 2 KStG vorschreibt, dass die Regeln des § 8b KStG beziehungsweise des Teileinkünfteverfahrens erst auf der Ebene der OT zur Anwendung gelangen.
Zwar habe die Steuerbefreiung im Grundsatz bei der Muttergesellschaft (OG) als Empfängerin der Gewinnausschüttungen zu erfolgen. Werde deren Einkommen indes einem anderen Rechtsträger (OT) im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zugerechnet und von diesem (oder seinen Gesellschaftern) versteuert, sei es angesichts der Systematik der (deutschen) Organschaftsbesteuerung folgerichtig, die Befreiung der Dividendenerträge erst auf der Ebene der Organträger-Personengesellschaft zur Anwendung zu bringen. Hierin liege keine "Nichtanwendung" der Mutter-Tochter-Richtlinie.
Bei der Bruttomethode handele es sich allein um eine Regelungstechnik zur Gewährleistung der (teilweisen) Steuerfreistellung von Dividendenerträgen im Organkreis. Der Gesetzgeber habe mit § 15 S. 1 Nr. 2 KStG keine (materielle) Regelung getroffen, welche die von der Mutter-Tochter-Richtlinie vorgegebene Freistellung oder Anrechnung vereitele, so der BFH.
Ergebnis: Im Fall der (ausschließlichen) Beteiligung von Kapitalgesellschaften bleibt es bei der Körperschaftsteuerfreistellung des Einkommens (auf der Ebene der Organträgerin). Verlassen die Dividenden hingegen die Körperschaftsteuersphäre, indem sie jedenfalls mittelbar den hinter der Organträger-Personengesellschaft stehenden natürlichen Personen zugerechnet werden, unterliegen sie – ohne dass die allein Kapitalgesellschaften begünstigende Mutter-Tochter-Richtlinie etwas anderes verlangen würde – dem Teileinkünfteverfahren.
Das Schachtelprivileg der Mutter-Tochter-Richtlinie kann nicht mithilfe der Organschaft an natürliche Personen "durchgereicht" werden.
Betroffene Normen
§ 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG, § 8b KStG, § 3 Nr. 40 EStG
Streitjahr 2009
Anmerkungen
Praxishinweis
Durch das Urteil dürften die Chancen, dass in ähnlichen Fällen eine (komplette) Steuerfreistellung von Auslandsdividenden an eine Personengesellschaft als OG erreicht wird, deutlich gesunken sein.
Hintergrund zur Mutter-Tocher-Richtline
Die sog. Mutter-Tochter-Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen EU-Staat ansässige Muttergesellschaft vom Quellensteuerabzug freizustellen. Gleichzeitig wird der Sitzstaat der Muttergesellschaft verpflichtet, diese Ausschüttung ebenfalls freizustellen oder aber die auf die Ausschüttung entfallende Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft anzurechnen. Deutschland hat sich mit § 8b Abs. 1 KStG für die Freistellung entschieden.
Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 22.09.2022, 1 K 17/20, DStZ 2023, S. 195, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 06.02.2025, IV R 29/22, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 25.07.2019, IV R 47/16, BStBl. II 2020, S. 142
