BFH: Buchwertantrag in notarieller Urkunde über Umwandlung
Bei einem Formwechsel kann der Buchwertantrag nach § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG in der notariellen Urkunde über die Umwandlung, von der der Notar dem zuständigen Finanzamt eine beglaubigte Abschrift übersendet, gestellt werden. Er unterliegt keinerlei Formvorschriften und kann auch formfrei gestellt werden. Nach geänderter Rechtsprechung sieht der BFH es für einen wirksamen Buchwertantrag nicht mehr als erforderlich an, dass die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz auch tatsächlich mit dem Buchwert angesetzt werden. Maßgeblich ist allein der rechtzeitig gestellte Antrag.
BFH, Urteil vom 10.07.2024, IV R 8/22
Sachverhalt
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Die R-GmbH wurde mit Beschluss vom 25.08.2010 formwechselnd rückwirkend zum 30.12.2009 (steuerlicher Übertragungsstichtag) in die R-GmbH & Co. KG (R-KG) umgewandelt. Der Umwandlungsbeschluss enthält unter dem Punkt „Steuerliche Regelung“ folgenden Passus: „Von dem Antragsrecht der Übertragung zu Buchwerten wird hiermit ausdrücklich Gebrauch gemacht.“ Die R-GmbH reichte eine Steuerbilanz auf den 31.12.2009 unter Ansatz der Wirtschaftsgüter zum Buchwert ein. Die R-GmbH & Co. KG führte die Buchwerte in ihrer Eröffnungsbilanz auf den 31.12.2009 fort.
Für das Streitjahr 2009 wurde für die R-KG insoweit Klage erhoben, als ein um die Absetzung für Abnutzung auf einen erworbenen Kundenstamm (aus dem Erwerb der Anteile an der R-GmbH durch die N-GmbH mit Wirkung zum 01.01.2010, also im Rückwirkungszeitraum) niedrigerer Gewinn beantragt wurde. Es wurde geltend gemacht, dass der Formwechsel mangels Buchwertantrags und Aufstellung einer Schlussbilanz auf den Übertragungsstichtag nicht zu Buchwerten erfolgt sei, sondern zu gemeinen Werten mit der Folge, dass eine Aufdeckung der stillen Reserven (als Kundenstamm) und eine entsprechende Abschreibung zu erfolgen habe.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Der Formwechsel sei auf Antrag der formwechselnden Gesellschaft zu Buchwerten erfolgt. Eine Aufdeckung der stillen Reserven (als Kundenstamm) und Abschreibung käme dementsprechend nicht in Betracht.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass eine Buchwertfortführung vorliegt.
Gesetzliche Grundlage
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 UmwStG sind bei einer Verschmelzung auf eine Personengesellschaft oder natürliche Person die übergehenden Wirtschaftsgüter, einschließlich nicht entgeltlich erworbener und selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter, in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Auf Antrag können unter bestimmten Voraussetzungen nach § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG die übergehenden Wirtschaftsgüter einheitlich mit dem Buchwert oder einem höheren Wert angesetzt werden. Der Antrag ist spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übertragenden Körperschaft zuständigen Finanzamt zu stellen (§ 3 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Der übernehmende Rechtsträger hat die auf ihn übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft enthaltenen Wert i.S.v. § 3 UmwStG zu übernehmen (§ 4 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Das gilt für einen Formwechsel gemäß § 9 S. 1 UmwStG entsprechend.
Bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft hat die Kapitalgesellschaft für steuerliche Zwecke auf den Zeitpunkt, in dem der Formwechsel wirksam wird, eine Übertragungsbilanz, die Personengesellschaft eine Eröffnungsbilanz aufzustellen (§ 9 S. 2 UmwStG). Die Bilanzen nach Satz 2 können auch für einen Stichtag aufgestellt werden, der höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Formwechsels zur Eintragung in ein öffentliches Register liegt (Übertragungsstichtag).
Keine Formvorschriften für den Buchwertantrag
§ 3 Abs. 2 UmwStG regelt nicht, wie der Antrag auf Ansatz der Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert zu stellen ist. In § 3 Abs. 2 S. 2 UmwStG ist allein geregelt, dass der Antrag spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übertragenden Körperschaft zuständigen Finanzamt zu stellen ist. Aus diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut folgt, dass der Antrag durch die übertragende Körperschaft (beziehungsweise durch den übernehmenden Rechtsträger als Rechtsnachfolger) gestellt werden muss (so auch die allgemeine Auffassung und Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 11.11.2011).
Mangels gesetzlicher Vorgaben unterliegt der Buchwertantrag nach § 3 Abs. 2 UmwStG keinerlei Formvorschriften, er kann daher auch formfrei gestellt werden (ebenso BMF-Schreiben vom 11.11.2011).
Kein Buchwertansatz in der Schlussbilanz erforderlich
Nach Ansicht des BFH ist es für einen wirksamen Buchwertantrag im Sinne des § 3 Abs. 2 UmwStG nicht erforderlich, dass die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz auch tatsächlich mit dem Buchwert angesetzt werden. Maßgeblich sei allein der rechtzeitig gestellte Antrag.
Änderung der Rechtsprechung zu Voraussetzungen für Buchwertansatz
Soweit der BFH im Hinblick auf § 3 S. 1 UmwStG 2002 davon ausgegangen ist, die übertragende Gesellschaft habe zur Ausübung des Bewertungswahlrechts nach § 3 S. 1 UmwStG 2002 die Körperschaftsteuererklärung und auf den steuerlichen Übertragungsstichtag eine den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechende Steuerbilanz beim Finanzamt einzureichen sowie vorbehaltlos zu erklären, das Wahlrecht in bestimmter Weise ausüben zu wollen (Urteile vom 28.05.2008, I R 98/06, und vom 20.08.2015, IV R 34/12), hält er daran für Zwecke des § 3 Abs. 2 UmwStG 2006 nicht mehr fest. Während § 3 S. 1 UmwStG a.F. vorsah, dass "die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert angesetzt werden [können]", "können die übergehenden Wirtschaftsgüter" nach § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG n.F. "[auf Antrag] abweichend von Absatz 1 einheitlich mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Wert nach Absatz 1, angesetzt werden". Eine direkte Inbezugnahme der steuerlichen Schlussbilanz erfolgt mit Ausnahme der Antragsfrist (§ 3 Abs. 2 S. 2 UmwStG) damit nicht mehr. Dafür spricht nach dem BFH neben dem (geänderten) Wortlaut der Norm auch die Gesetzessystematik: An die Stelle eines Bewertungswahlrechts (zwischen dem Buchwert, einem Zwischenwert und dem Teilwert) ist der Regelansatz mit dem gemeinen Wert getreten; nur unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG kann auf Antrag ein Ansatz unter dem gemeinen Wert (Buchwert oder Zwischenwert) gewählt werden.
Buchwertantrag im Umwandlungsvertrag
Die Vereinbarungen der Parteien im (notariellen) Umwandlungsvertrag können nach Auffassung des BFH regelmäßig nicht als Antrag im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG verstanden werden (so auch die allgemeine Auffassung in der Literatur). Es fehle an einer Erklärung der übertragenden Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt.
Übersendung des Umwandlungsvertrags durch den Notar an das Finanzamt
Anders sieht der BFH es allerdings dann, wenn die notarielle Urkunde, deren beglaubigte Abschrift der Notar dem Finanzamt übersendet, ausdrücklich eine "Antragsklausel" enthält, das heißt einen an das Finanzamt gerichteten Antrag auf Buch- oder Zwischenwertansatz. Hierin kann ein wirksamer Antrag im Sinne des § 3 Abs. 2 UmwStG liegen, so der BFH.
Im Gegensatz zu einer bloßen "Buchwertabrede" als zivilrechtliche Vereinbarung handele es sich bei einer derartigen Klausel um einen Antrag, der im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Besteuerungsverfahrens von der übertragenden Körperschaft an das zuständige Finanzamt gerichtet ist. Im Zusammenspiel mit der Pflicht des Notars zur Übersendung der Umwandlungsurkunde an das zuständige Finanzamt nach § 54 Abs. 1 EStDV könne darin ein wirksamer Buchwertantrag zu sehen sein.
Betroffene Normen
§ 3 Abs. 2 S. 1 UmwStG
Streitjahr 2009
Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, 25.02.2022, 7 K 11215/18, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 10.07.2024, IV R 8/22
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 11.11.2011, BStBl. I 2011, S. 1314
BFH, Urteile vom 28.05.2008, I R 98/06, BStBl. II 2008, S. 916
BFH, Urteile vom 20.08.2015, IV R 34/12, BFH/NV 2016, S. 41
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