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22.10.2014
Unternehmensteuer

BFH: BVerfG-Vorlage zur Verfassungsmäßigkeit eines Treaty Overrides

Mit Beschluss vom 15.12.2015 hat das BVerfG entschieden, dass der Gesetzgeber durch ein sog. Treaty Override nicht gegen Verfassungsrecht verstößt. § 50d Abs. 8 S. 1 EStG 2002 ist somit nicht verfassungswidrig.
BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 2 BvL 1/12 , siehe Deloitte Tax-News 
                                                                                                                    
BVerfG-Vorlage:
BVerfG-Vorlage zu der Frage, ob der Gesetzgeber mit der Regelung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG 2002/2007/2009 aufgrund eines sog. Treaty Overrides gegen Verfassungsrecht verstößt. Darüber hinaus bittet der BFH das BVerfG um eine Entscheidung darüber, ob die zu der obigen Regelung ergangene Übergangsvorschrift § 52 Abs. 59a S. 9 EStG 2009/2013 gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.

 

Sachverhalt

Der in den Streitjahren 2007 bis 2010 im Inland wohnende Kläger erzielte als Pilot einer irischen Fluggesellschaft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die von seinem Arbeitgeber auf diese Beträge zunächst einbehaltenen und an die irischen Finanzbehörden abgeführten Steuern wurden auf Antrag des Klägers in voller Höhe an ihn erstattet. Das deutsche Finanzamt unterwarf den Bruttoarbeitslohn der inländischen Besteuerung mit der Begründung, die Einkünfte seien wegen § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG in die Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer einzubeziehen, da die Vergütungen sonst aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens überhaupt keiner Besteuerung unterliegen würden. Die Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Das Verfahren sei auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG verstoße, weil hierdurch die abkommensrechtliche Freistellung von Einkünften ungeachtet eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht gewährt werde, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig seien, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Außerdem sei zu klären, ob § 52 Abs. 59a S. 9 i.V.m. § 50d Abs. 9 S. 3 EStG 2009 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) verfassungswidrig sei.

Der Kläger sei unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Der Arbeitslohn sei in Deutschland grundsätzlich aufgrund des DBA Irland von der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer auszunehmen, weil es sich um Einkünfte aus Quellen innerhalb Irlands handele. In Deutschland verbleibe lediglich die Möglichkeit, die Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen (§ 32b EStG). Jedoch werde die Freistellung jener Einkünfte nach § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007/2009 ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig seien, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts unbeschränkt steuerpflichtig sei.

Dieser Tatbestand des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007/2009 sei im Streitfall erfüllt, seine Anwendbarkeit werde jedoch gemäß § 50d Abs. 8 EStG ausgeschlossen. Seien Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbstständiger Arbeit nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, werde die Freistellung bei der Veranlagung ungeachtet des Abkommens gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweise, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zustehe, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet habe (hier: Irland). Dies sei zwar im Streitfall erfüllt, jedoch bleibe Abs. 8 gem. § 50d Abs. 9 S. 3 EStG 2002/2007/2009 unberührt.

Infolge der Regelungsänderung des § 50d Abs. 9 S. 3 EStG 2009 durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 seien § 50d Abs. 8 EStG 2002 (i.d.F. des StÄndG 2003) und § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002 (i.d.F. des JStG 2007) - nach der Übergangsregelung des § 52 Abs. 59a S. 9 EStG 2009 i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26.06.2013 rückwirkend auf alle Fälle, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden sei - allerdings prinzipiell nebeneinander anwendbar.

§ 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007/2009 verstoße gegen Völkervertragsrecht, wofür keine tragfähigen Gründe besünden. Infolgedessen sei der Kläger in seinem subjektiven Grundrecht auf die Einhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung verletzt. Außerdem widerspreche die Vorschrift dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Darüber hinaus sei die in § 52 Abs. 59a S. 9 EStG 2009/2013 angeordnete rückwirkende Anordnung der neugefassten Verhältnisbestimmung in § 50d Abs. 9 S. 3 EStG 2009/2013 verfassungswidrig, weil sie das Vertrauen des Klägers in die vormals gesetzte Regelungslage verletze.

Bertroffene Normen

§ 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG 2002/2007/2009, § 52 Abs. 59a S. 9 EStG 2009/2013
Streitjahre 2007 bis 2010

Anmerkung

BVerfG-Vorlagen zu § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG und § 50d Abs. 10 S. 1 EStG
Mit weiteren Beschlüssen hat der BFH dem BVerfG auch die Frage vorgelegt, ob der Gesetzgeber mit der Regelung des § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG 2002/2007/2009 (BFH-Beschluss vom 20.08.2014 und des § 50d Abs. 10 S. 1 EStG 2002 n.F./2009 a.F. (i.d.F. JStG 2009) bzw.des § 50d Abs. 10 S. 1 EStG 2009 n.F. (i.d.F AmtshilfeRLUmsG) (BFH-Beschluss 11.12.2013) aufgrund eines sog. Treaty Overrides gegen Verfassungsrecht verstößt.

Vorinstanz

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 01.07.2013, 3 K 18/13

Fundstellen

BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12, siehe Deloitte Tax-News
PM Nr. 9/2016 vom 12.02.2016
BFH, Beschluss vom 20.08.2014, I R 86/13

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