Zurück zur Übersicht
15.05.2024
Unternehmensteuer

BFH: Dauerüberzahlerbescheinigungen bei Holdinggesellschaften

Reine Holdinggesellschaften, deren Einnahmen ausschließlich aus nach § 8b Abs. 1 KStG weitgehend steuerfreien Beteiligungseinkünften bestehen, haben regelmäßig Anspruch auf Erteilung einer sog. Dauerüberzahlerbescheinigung nach § 44a Abs. 5 S. 4 EStG, die sie berechtigt den Kapitalertragsteuerabzug auf bestimmte Kapitaleinkünfte zu unterlassen. Bei weiteren Geschäftstätigkeiten einer Holdinggesellschaft ist im Hinblick auf die Erteilung einer Bescheinigung nach § 44 Abs. 5 S. 4 EStG maßgeblich, ob die Gesellschaft diese Geschäftstätigkeit tatsächlich ausübt bzw. nach ihrer Struktur in der Lage ist diese Geschäftstätigkeit auszuüben.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist neben dem Halten und Verwalten eigenen Vermögens auch die Beratung von Unternehmen (ohne Rechts- oder Steuerberatung). Die Klägerin ist Alleingesellschafterin ihrer Tochtergesellschaft (XY GmbH). Aus der Beteiligung bezieht die Klägerin jährliche Ausschüttungen. Beratungsleistungen erbringt sie nur gegenüber ihrer Tochtergesellschaft. Da sie nicht über eigenes Personal verfügt, kauft sie die Beratungsleistungen ein und stellt sie der Tochtergesellschaft weitgehend kostendeckend zur Verfügung. Die festgesetzte Körperschaftsteuer war in der Vergangenheit stets niedriger als die anzurechnende Kapitalertragsteuer.

Das zuständige Finanzamt lehnte einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung i.S.d. § 44a Abs. 5 S. 4 EStG ab. Hingegen kam das FG zu dem Schluss, dass die Klägerin Anspruch auf Erteilung einer solchen Dauerüberzahlerbescheinigung hat.

Entscheidung

Der BFH folgt der Auffassung des FG und hält die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 44a Abs. 5 S. 4 EStG für erfüllt.

(Gesetzliche) Grundlagen

Bei bestimmten Kapitalerträgen (im Sinne des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 5 bis 7 und 8 bis 12 sowie S. 2 EStG), die einem unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtigen zufließen, ist der Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen des Gläubigers sind und die Kapitalertragsteuer bei ihm auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer (sog. „Dauerüberzahler“) (vgl. § 44a Abs. 5 S. 1 EStG). Die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 S. 1 EStG sind durch eine Bescheinigung des für den Gläubiger zuständigen Finanzamts nachzuweisen, welche unter dem Vorbehalt des Widerrufs auszustellen ist (§ 43a Abs. 5 S. 4-5 EStG).

Im Streitfall war allein streitig, ob die sog. Überzahlersituation (d.h. die Kapitalertragsteuer war in der Vergangenheit stets höher als die festgesetzte Körperschaftsteuer der Klägerin) ihre Ursache in der „Art der Geschäfte“ der Klägerin hatte und ob die Situation auf Dauer besteht.

Überzahlersituation bei reinen Holdingkapitalgesellschaften

In der Vergangenheit habe der BFH einen Anspruch auf die Erteilung der Bescheinigung stets verneint, wenn die Überzahlersituation nicht auf die „Art der Geschäfte“ zurückzuführen war, sondern auf die Art und Weise, in der diese ausgeübt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 27.08.1997, I R 22/97). In der aktuellen Entscheidung hebt der BFH hervor, dass seiner bisherigen Rechtsprechung, die in der Vergangenheit eine auf Dauer bestehende strukturelle Überzahlersituation bei Holdingkapitalgesellschaften verneint habe, eine andere Rechtslage zugrunde lag. Mit der Neufassung des § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 (BGBl. I 2000, 1433) sind laufende (§ 8b Abs. 1 S. 1 KStG) und einmalige (§ 8b Abs. 2 S. 1 KStG) Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG unter weiteren Voraussetzungen in der Regel zu 95 % steuerfrei gestellt worden.

Folglich ist nach dem BFH nun zwangsläufig eine Überzahlersituation aufgrund der „Art der Geschäfte“ dauerhaft gegeben, soweit die Einnahmen einer Holdingkapitalgesellschaft ausschließlich aus nach § 8b Abs. 1 KStG (weitgehend) steuerfreien Beteiligungseinkünften bestehen. Denn gemäß § 43 Abs. 1 S. 3 EStG sei § 8b Abs. 1 KStG beim Kapitalertragsteuerabzug nicht zu berücksichtigen.

Weitere Geschäftstätigkeit laut Satzung (grundsätzlich) nicht schädlich

Sieht die Satzung einer solchen Holdingkapitalgesellschaft vor, dass die Gesellschaft auch eine weitere Geschäftstätigkeit entfalten darf, mit der sie die Überzahlersituation vermeiden könnte, kommt es laut dem BFH nicht darauf an, wenn die Gesellschaft von dieser Möglichkeit tatsächlich dauerhaft keinen Gebrauch macht und nach ihrer Struktur auch nicht dazu in der Lage wäre, eine solche weitere Geschäftstätigkeit auszuüben. Auf den abstrakten Geschäftszweck könne nicht allein abgestellt werden. Entscheidend sei, ob die Gesellschaft aufgrund ihrer gegenwärtigen Struktur auch tatsächlich in der Lage wäre, die erlaubte weitere Tätigkeit jederzeit aufzunehmen. Dann beruht die Überzahlersituation nicht mehr auf der „Art der Geschäfte“, so der BFH.

Nichts anderes gelte, wenn die Gesellschaft - wie im Streitfall - von der Ermächtigung zwar Gebrauch macht, dabei aber nicht am Markt tätig wird.

Möglichkeit der Änderung der Gesellschaftsstruktur steht der Dauerhaftigkeit nicht entgegen

Nach dem BFH steht der Dauerhaftigkeit einer solchen Situation nicht entgegen, dass die Gesellschaft ihre Struktur ändern könnte. Bestehen keine Anhaltspunkte, dass die bestehende Geschäftsstruktur oder die Satzung geändert werden sollen, sei die Überzahlersituation auch unter den beschriebenen besonderen Umständen von Dauer. Für die Annahme einer strukturell bedingten dauerhaften Überzahlersituation müsse nicht jede Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeschlossen sein. Das ergebe sich bereits daraus, dass die Bescheinigung unter dem Vorbehalt des Widerrufs zu erteilen ist (§ 44a Abs. 5 S. 5 EStG). Ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse und entfällt deshalb die Dauerüberzahlersituation oder ist sie nicht mehr strukturell bedingt, könne die Bescheinigung jederzeit widerrufen werden.

Anwendung auf den Streitfall (Ergebnis)

Laut dem BFH ist für die Klägerin eine Bescheinigung gem. § 44a Abs. 5 S. 4 EStG auszustellen. Bei der Klägerin handle es sich zwar nicht um eine reine Holdingkapitalgesellschaft, da ihre Satzung neben dem Halten und Verwalten eigener Beteiligungen auch die Erbringung von Beratungsleistungen vorsieht und die GmbH auch Beratungsleistungen erbringt. Allerdings biete die Klägerin ihre Beratungsleistungen nicht am Markt an, sondern berate ausschließlich ihre Tochtergesellschaft. Außerdem sei sie auch nicht dafür ausgestattet, Beratungsleistungen mit Gewinn am Markt anbieten zu können, da sie mangels eigenen Personals die Beratungsleistungen selbst einkaufen müsse. Folglich sei die Klägerin aufgrund ihrer Struktur nicht in der Lage eine Beratungstätigkeit mit Gewinn am Markt anzubieten.

Betroffene Norm

§ 44a Abs. 5 S. 4 EStG

Streitjahr: 2016

Vorinstanz

Finanzgericht München, 15.03.2021, 7 K 1827/18, EFG 2021, S. 1383

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.12.2023, VIII R 31/21, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 27.08.1997, I R 22/97, BStBl. II 1997, S. 817

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: 089290368711

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: 089290368711

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.