BFH: Einbringungsbedingter Übergang des Gewerbeverlustes von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft
Bringt eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb in eine GmbH & Co. KG ein und beschränkt sich ihre Tätigkeit fortan auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung an der aufnehmenden Gesellschaft sowie das Halten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH, geht ein für die Kapitalgesellschaft festgestellter Gewerbeverlust auf die Personengesellschaft über.
Sachverhalt
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Personengesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG, in welche eine Kapitalgesellschaft nach § 24 UmwStG ihren gesamten operativen Betrieb mit festgestelltem vortragsfähigen Gewerbeverlust einbrachte. Streitig ist, ob der Gewerbeverlust der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft übergeht.
Die einbringende Kapitalgesellschaft ist eine US-amerikanische Limited Liability Company (LLC), die eine deutsche Betriebsstätte unterhielt und diese in 2011 nach § 24 UmwStG in die GmbH & Co. KG einbrachte. Gesellschafter der GmbH & Co. KG sind die LLC als alleinige Kommanditistin sowie die G-GmbH als Komplementärin, die nicht am Gewinn und Verlust der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Alleingesellschafterin der Komplementärin ist ebenfalls die G-GmbH. Für die Betriebsstätte der LLC war ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden.
Nach der Einbringung führte die GmbH & Co. KG den Betrieb der eingetragenen deutschen Betriebsstätte der LLC vollumfänglich und nahtlos fort (Übernahme von Verträgen und Kundenbeziehungen sowie der Geschäftstätigkeit). Neben der Mitunternehmerstellung als Kommanditistin der GmbH & Co. KG sowie dem Halten der Anteile an der Komplementär-GmbH entfaltete die LLC keine weiteren operativen gewerblichen Aktivitäten mehr in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Finanzamt ließ den für die LLC festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust bei der GmbH & Co. KG unter Hinweis auf eine mangelnde Unternehmensidentität nicht zum Abzug zu. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH folgt der Auffassung des FG und kommt zu dem Ergebnis, dass der für die festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust aufgrund von Unternehmensidentität mit dem von der GmbH & Co. KG erzielten Gewerbeertrag verrechnet werden kann.
LLC ist nach Typenvergleich als Kapitalgesellschaft einzuordnen
Der BFH bestätigt zunächst die Auffassung des FG, wonach eine LLC nach der Maßgabe des Typenvergleichs mit einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist.
Unternehmeridentität und Unternehmensidentität
Die Geltendmachung eines Gewerbesteuerverlustes setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sowohl Unternehmensidentität als Unternehmeridentität voraus (BFH-Urteil vom 17.01.2019, III R 35/17).
Voraussetzungen der Unternehmeridentität sind erfüllt
Unstrittig besteht im Streitfall Unternehmeridentität soweit die LLC, die den Gewerbeverlust in eigener Person erlitten hat, an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Die LLC ist alleinige Kommanditistin der GmbH & Co. KG und zu 100 % an deren Vermögen beteiligt.
Begriff der Unternehmensidentität
Der Begriff der Unternehmensidentität besagt, dass der im Kürzungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch sein muss mit dem Gewerbebetrieb, der im Verlustentstehungsjahr bestanden hat.
- Bei einer Personengesellschaft ist darauf abzustellen, ob die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung die gleiche geblieben ist (BFH-Urteil vom 04.05.2017, IV R 2/14). Ob dies der Fall ist, muss nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer wesentlichen Merkmale (Art der Betätigung, Kunden- und Lieferantenkreis, Arbeitnehmerschaft, Geschäftsleitung, Betriebsstätten, Zusammensetzung des Aktivvermögens) beurteilt werden.
- Bei einer Kapitalgesellschaft, die eine betriebliche Einheit auf einen anderen Rechtsträger überträgt, stellt sich das Problem der Unternehmensidentität hingegen nicht (BFH-Urteil vom 17.01.2019, III R 35/17), weil deren Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt.
Bisherige Rechtsprechung
Mit Urteil vom 17.01.2019, III R 35/17, hat der BFH bereits entschieden, dass im Fall der Übertragung des operativen Geschäfts einer AG im Wege der Ausgliederung auf eine KG ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag der AG jedenfalls dann nicht auf die KG übergeht, wenn sich die AG fortan nicht nur auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung bei der KG (und der Beteiligung an der Komplementär-GmbH) beschränkt, sondern Beteiligungen an Tochterkapitalgesellschaften hält.
Offengelassen hatte der BFH, ob ausnahmsweise ein Verlustübergang in Betracht kommt, wenn ein Gewerbebetrieb im Ganzen (im Wege der Ausgliederung) von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft übergeht und die Kapitalgesellschaft sich fortan auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung bei der Personengesellschaft beschränkt.
In der Literatur ist die Beurteilung nicht einheitlich. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust auf die übernehmende Personengesellschaft übergeht.
Diese Auffassung vertritt nun auch erstmalig der BFH.
Voraussetzungen für die Unternehmensidentität sind erfüllt
Da es sich bei der GmbH & Co. KG um eine Personengesellschaft handelt, müsse die Frage, ob die Betä-tigung unverändert geblieben ist, nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer we-sentlichen Merkmale (siehe hierzu oben) beurteilt werden. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss laut dem BFH ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den Betätigungen bestehen (z.B. BFH-Urteil vom 11.10.2012, IV R 38/09, Rz 24), den der BFH im Streitfall bejaht.
Der Nutzung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes durch die Mitunternehmerschaft stünde nicht ent-gegen, dass der Verlust in der Person einer (fortbestehenden) Kapitalgesellschaft entstanden ist. Zwar geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Abzug des Gewerbeverlustes bei Kapitalgesellschaften keine Unternehmensidentität voraussetzt. Dies betrifft nach dem BFH allerdings allein die Fälle, in denen die Kapitalgesellschaft nach einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse noch eine (geänderte) Tätigkeit entfaltet (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.2017, IV R 2/14). Der Abzug des Gewerbeverlustes bleibe auch bei einer Änderung der wirtschaftlichen Betätigung erhalten. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass der Gewerbeverlust nicht mit dem gesamten Gewerbebetrieb der Kapitalge-sellschaft auf eine Personengesellschaft "übergehen" könne.
Überträgt die Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb auf eine Personengesellschaft, unterhalte sie nach der Einbringung gewerbesteuerrechtlich keinen (identischen) Gewerbebetrieb im Sinne des Merk-mals der Unternehmensidentität mehr. Im Fall einer solchen "Totalausgliederung" trete die für Kapitalgesellschaften geltende Gewerblichkeitsfiktion hinter die tatsächliche identitätswahrende Fortführung des Unternehmens durch die Mitunternehmerschaft zurück. Führt die Übernehmerin das "gleiche Un-ternehmen" fort, stehe ihr der Abzug des Gewerbeverlustes zu.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Kapitalgesellschaft im Zuge der Einbringung des Betriebs Mitunternehmeranteile erwirbt. Hierin liege mit Blick auf das Merkmal der Unternehmensidentität keine relevante Tätigkeit. Der Betrieb der Kapitalgesellschaft sei nach der Einbringung nur noch eine "leere Hülle". Der Verwaltung der Mitunternehmerstellung allein komme gewerbesteuerrechtlich keine selbständige Bedeutung zu.
Der BFH hält es für sachgerecht, auf die tatsächliche Fortführung der gewerblichen Betätigung abzustellen. Nur in dem fortgeführten Unternehmen spiegele sich die objektivierte Ertragskraft des Gewerbebetriebs wider, nicht in der von Gesetzes wegen als gewerblich geltenden "Kapitalgesellschaftshülle". Dort würde der Fehlbetrag vom operativen Betrieb getrennt "in der Luft hängen" und damit regelmäßig leer-laufen
Mit der Annahme von Unternehmensidentität bei der übernehmenden Personengesellschaft gehe einher, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht mehr genutzt werden könne, auch nicht wahlweise. Er "gehe" vollumfänglich auf die Personengesellschaft "über".
Betroffene Norm
§ 10a GewStG
Streitjahr: 2011
Anmerkungen
Auffassung der Finanzverwaltung
Das – dem Verfahren beigetretene – BMF ist der Auffassung, dass der Verlustübergang auch deshalb abzulehnen sei, weil er zu einer nicht gerechtfertigten Statusverbesserung führen würde, indem Verluste einer Kapitalgesellschaft aus dem Aufbau des operativen Geschäftsbetriebs (Anlaufverluste nach Eintragung ins Handelsregister) anschließend auf eine Personengesellschaft übertragen werden könnten, obwohl diese Verluste, wenn sie originär von der Personengesellschaft erzielt worden wären, aufgrund der Grundsätze zum Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei Personengesellschaften (mit Aufnahme der werbenden Tätigkeit) gewerbesteuerlich nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Dem hält der BFH entgegen, dass derartige Effekte in der unterschiedlichen (gewerbesteuerrechtlichen) Behandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften begründet liegen. Der BFH gelangt daher zu dem für die steuerliche Beratungspraxis erfreulichen Ergebnis, dass entsprechende Gestaltungsansätze (innerhalb der durch § 42 AO gesetzten Grenzen) hinzunehmen seien.
Da der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung widerspricht, bleibt zudem abzuwarten, ob das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird und somit auch auf über den Einzelfall hinaus gehende Sachverhalte Anwendung finden kann.
Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.11.2021, 3 K 2815/16, EFG 2022, S. 951
Fundstelle
BFH, Urteil vom 01.02.2024, IV R 26/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.01.2019, III R 35/17, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 04.05.2017, IV R 2/14, BStBl. II 2017, S. 1138, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 11.10.2012, IV R 38/09, BStBl. II 2013, S. 958, siehe Deloitte Tax News