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15.09.2021
Unternehmensteuer

BFH: Entlastung von Kapitalertragsteuer trotz Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

Die unter Zwischenschaltung einer inländischen vermögensverwaltenden Personengesellschaft gehaltene Beteiligung einer EU-Muttergesellschaft an einer inländischen Tochtergesellschaft kann als unmittelbare Beteiligung i.S.d. § 43b Abs. 2 S. 1 EStG angesehen werden. Maßgebend hierfür ist die steuerrechtliche Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Folglich steht in einem solchen Fall der EU-Muttergesellschaft eine Kapitalertragsteuer-Erstattung in voller Höhe zu.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine niederländische Genossenschaft (Muttergesellschaft), war über eine zwischengeschaltete vermögensverwaltende Personengesellschaft (GbR) an der inländischen Y-AG (Tochtergesellschaft) beteiligt. Die Beteiligung der Muttergesellschaft an der GbR betrug seit 2013 mehr als 10% und die GbR war zu 100% an der deutschen Y-AG beteiligt. Die Y-AG nahm in 2014 eine Gewinnausschüttung vor. Hiervon wurden zu Lasten der Muttergesellschaft Kapitalertragssteuer (KapESt) und Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt. Eine vollständige Erstattung der abgeführten KapESt lehnte das BZSt ab. Das FG war hingegen der Auffassung, dass der Muttergesellschaft eine KapESt-Erstattung in voller Höhe zusteht.

Entscheidung

Der BFH kommt übereinstimmend mit der Ansicht des FG zu der Entscheidung, dass die Muttergesellschaft hinsichtlich der Ausschüttung der Y-AG in vollem Umfang von der KapESt zu entlasten ist.

Gesetzliche Grundlagen

Nach der Regelung in § 43b Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG, die auf der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU beruht, wird für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf Antrag keine KapESt erhoben, wenn diese Kapitalerträge der ausländischen Muttergesellschaft aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Tochtergesellschaft zufließen. Voraussetzung für die Freistellung ist u.a., dass die Muttergesellschaft zum Zeitpunkt der Entstehung der KapESt bzw. des Gewinnverteilungsbeschlusses ununterbrochen zwölf Monate zu mindestens 10% unmittelbar an der Tochtergesellschaft beteiligt ist.

Vorliegen einer unmittelbaren Beteiligung i.S.d. § 43b Abs. 2 S. 1 EStG

Der BFH sieht das Vorliegen einer unmittelbaren Beteiligung – neben den übrigen Voraussetzungen – im zugrundeliegenden Streitfall als erfüllt an. Die Zwischenschaltung der vermögensverwaltenden GbR sei hierfür unschädlich. Entgegen der Auffassung des BZSt widerspreche die Einbeziehung von Beteiligungen, die über eine vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte GbR gehalten werden, nicht dem Wortlaut des § 43b Abs. 2 S. 1 EStG. Vielmehr könne das Erfordernis einer unmittelbaren Beteiligung sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich zu verstehen sein. Eine rein zivilrechtliche Betrachtung führe dazu, bei Zwischenschaltung einer solchen GbR von einer lediglich mittelbaren Beteiligung auszugehen. Bei steuerrechtlicher Betrachtung, die nach Auffassung des BFH für die Beurteilung maßgebend ist, ist dagegen die Voraussetzung einer unmittelbaren Beteiligung erfüllt. Dies folge aus der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.

Abstellen auf die steuerrechtliche Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO

Nach der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO sind Wirtschaftsgüter, die mehreren Personen zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zuzurechnen, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer solchen Zurechnung muss sich dabei nach der Rechtsprechung des BFH aus den Einzelsteuergesetzen ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 04.10.1990, X R 148/88). Sie liegt grundsätzlich vor, wenn der von der Gesellschaft verwirklichte Tatbestand steuerrechtlich nicht von Bedeutung und deshalb beim Gesellschafter selbst zu berücksichtigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 03.02.2010, IV R 26/07). Die Besteuerung darf also nicht die Gesamthand, sondern muss die Gesamthänder erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.1988, II R 150/85), Diese Voraussetzungen sind laut BFH für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei rein vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaften erfüllt (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 21.07.2016, IV R 26/14).

Aufgrund der durch § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO angeordneten Bruchteilsbetrachtung ist aus Sicht des BFH ein im Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten GbR gehaltenes Wirtschaftsgut – im Streitfall die Beteiligung an der Y-AG – anteilig als eigenes Wirtschaftsgut der Gesellschafter – im Streitfall der Klägerin – anzusehen. Daraus folge für den zugrundeliegenden Sachverhalt, dass bei steuerrechtlicher Betrachtung trotz Zwischenschaltung der GbR eine unmittelbare Beteiligung der Klägerin an der Y-AG vorliegt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 21.07.2016, IV R 26/14 "unmittelbare Anteilsrechte"). 

Betroffene Normen

​§ 50 Abs. 1 EStG, § 50d Abs. 1 S. 2 EStG, § 43b Abs. 2 S. 1 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO

Streitjahr ​2014

Anmerkungen

Übereinstimmung mit der bisherigen BFH-Rechtsprechung

Die Unschädlichkeit der Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden GbR werdeird auch durch die neuere Rechtsprechung des BFH zur erweiterten Gewerbesteuerkürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bestätigt. Der Große Senat des BFH hat hierzu in seinem Beschluss vom 25.09.2018 (GrS 2/16) entschieden, dass die Voraussetzung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, ausschließlich „eigenen“ Grundbesitz zu verwalten und zu nutzen, auch dann erfüllt ist, wenn diese Tätigkeit über eine rein vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte Personengesellschaft ausgeübt wird (vgl. nachfolgend auch BFH-Urteile vom 27.06.2019, IV R 44/16 und vom 22.05.2019, III R 21/16). Dies folgt aus der anteiligen Zurechnung des Grundbesitzes im Wege der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. 

In dem hier besprochenen Urteil zur Entlastung von Kapitalertragsteuer kommt der BFH nun zu dem Ergebnis, dass Entsprechendes auch für das Erfordernis einer „unmittelbar“ gehaltenen Beteiligung nach § 43b Abs. 2 S. 1 EStG gelten muss.

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 13.09.2017, 2 K 2933/15, EFG 2018, S. 383, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 18.05.2021, I R 77/17, BStBl. II 2022, S.114

Weitere Fundstellen

​BFH, Urteil vom 27.06.2019, IV R 44/16, BStBl II 2020, S. 24, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 22.05.2019, III R 21/16, BFH/NV 2020, S. 103

BFH, Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16, BStBl II 2019, S. 262, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Beschluss vom 21.07.2016, IV R 26/14, BStBl II 2017, S. 202, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 03.02.2010, IV R 26/07, BStBl II 2010, S. 751, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 04.10.1990, X R 148/88, BStBl II 1992, S. 211

BFH, Urteil vom 07.12.1988, II R 150/85, BStBl II 1989, S. 237​ 

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