BFH: Erdienensdauer bei mittelbarer Versorgungszusage
Der von der Rechtsprechung zu Direktzusagen entwickelte Grundsatz, dass sich ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft einen Anspruch auf Altersversorgung grundsätzlich über zehn Jahre hinweg erdienen muss, gilt auch bei einer mittelbaren Versorgungszusage (z.B. rückgedeckte Unterstützungskassenzusage). Soweit der Anspruch nicht mehr erdient werden kann, gilt die Zusage als gesellschaftsrechtlich veranlasst, weshalb ein Abzug als Betriebsausgabe ausscheidet.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, schloss im Jahr 1996 mit ihrem damals 44 Jahre alten Gesellschafter-Geschäftsführer H neben dem Anstellungsvertrag auch eine Versorgungsvereinbarung für ein Ausscheiden nach Vollendung des 65. Lebensjahres ab. Im November 2008, d.h. im 57. Lebensjahr des H, wurde eine „Vereinbarung zur Änderung der Versorgungszusage“ getroffen, die sowohl den bereits erdienten Anspruch („past-Service“) als auch den noch zu erdienenden Anspruch („future-Service“) betraf. Der past-Service sollte weiter als unmittelbarer Anspruch gegen die Gesellschaft bestehen, der future-Service – unter Einschaltung der Versorgungskasse X – über eine rückgedeckte Unterstützungskasse erfolgen (Unterstüzungskassenzusage).
Das Finanzamt qualifizierte die an die Versorgungskasse X geleisteten Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Das FG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Zahlungen nicht betrieblich veranlasst sind.
Nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 d Abs. 1 S. 1 EStG dürfen Zuwendungen an eine Unterstützungskasse von dem Unternehmen, das die Zuwendungen erbringt (Trägerunternehmen), als Betriebsausgaben abgezogen werden, soweit die Leistungen der Kasse, wenn sie vom Trägerunternehmen unmittelbar erbracht würden, bei diesem betrieblich veranlasst wären.
Demnach komme es entscheidend darauf an, ob die Leistungen im Falle einer unmittelbaren Versorgungszahlung betrieblich veranlasst wären. Keine betriebliche Veranlassung läge vor, wenn es sich bei den gedachten fiktiven Versorgungsleistungen des Trägerunternehmens an den Gesellschafter-Geschäftsführer um eine verdeckte Gewinnausschüttung handeln würde, da in einem solchen Falle eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung gegeben wäre. Auf die weiteren Voraussetzungen einer vGA - z. B. eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung – komme es, da § 4 d Abs. 1 S. 1 EStG nur auf die betriebliche Veranlassung abstelle, nicht an (vgl. BFH-Urteil v. 07.08.2002).
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteile vom 23.09.2008 und 20.05.2015 sowie Beschluss vom 19.11.2008) scheide eine betriebliche Veranlassung dann aus, wenn sich der Gesellschafter den Versorgungsanspruch im Zeitraum zwischen Zusage und Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis nicht mehr erdienen könne (sog. Erdienbarkeit). Zwar wurde dieser Grundsatz der Erdienbarkeit für Direktzusagen entwickelt, jedoch gelte er auch für mittelbare Versorgungsleistungen. Die geringeren steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei einer mittelbaren Versorgungszusage vermögen daran nichts zu ändern.
Auch der vorliegende Umstand, dass die Versorgung des Gesellschafter-Geschäftsführers durch die jährlichen Zuwendungen seitens der Klägerin bis zum Ausscheiden des Geschäftsführers bereits ausfinanziert sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Entscheidend sei lediglich, ob ein gewissenhafter Geschäftsleiter einer Arbeitskraft, die dem Unternehmen voraussichtlich nur noch wenige Jahre zur Verfügung steht, überhaupt noch eine Versorgungszusage mit hohen finanziellen Lasten erteilen würde.
Das FG sei zudem zu Recht davon ausgegangen, dass die im November 2008 abgeschlossene Vereinbarung nicht lediglich eine Änderung der bisherigen Versorgungszusage darstelle, sondern vielmehr als eine Neuzusage einzustufen sei. Der Wechsel des Versorgungswegs (Unterstützungskassenzusage statt Direktzusage) sei in rechtlicher Hinsicht eine wesentliche Statusänderung. Für eine Neuzusage spreche auch, dass der sog. past-Service ausdrücklich von dem die verbleibende Dienstzeit betreffenden Versorgungsversprechen abgekoppelt wurde.
Nach alledem sei von einer gesellschaftsrechtlich Veranlassung auszugehen. Eine solche liege regelmäßig vor, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer im Zusagezeitpunkt das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat oder wenn zwischen dem Zeitpunkt der Zusage und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer zu kurzen Zeitspanne (nicht mindestens zehn Jahre) keine Erdienbarkeit mehr möglich sei. Ein gewissenhafter Geschäftsleiter hätte in einem derartigen Fall von einer Versorgungszusage abgesehen.
Betroffene Norm
§ 4 d Abs. 1 S. 1 EStG
Streitjahre 2008, 2009
Vorinstanz
Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25.02.2015, 3 K 135/12
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20.07.2016, I R 33/15
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 20.05.2015, I R 17/14, BStBl. II 2015, S. 1022, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 19.11.2008, I B 108/08, BFH/NV 2009, S. 608
BFH, Urteil vom 23.09.2008, I R 62/07, BStBl. II 2013, S. 39
BFH, Urteil vom 07.08.2002, I R 2/02, BStBl. II 2004, S. 131