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22.06.2011
Unternehmensteuer

BFH: Ermittlung von Überentnahmen

Der Betrag, mit dem ein aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstandener Sollsaldo eines betrieblichen Girokontos zurückgeführt wird, ist als Entnahme in die Berechnung nach § 4 Abs. 4a einzubeziehen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG nicht.

Sachverhalt

Streitig sind Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a EStG. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielt aus der Vermietung von beweglichem Anlagevermögen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Gesellschafter A hatte am 06.11.2001 einen Betrag in Höhe von 260.000 DM vom betrieblichen Girokonto entnommen. Das Konto wies zu diesem Zeitpunkt einen Sollsaldo aus. Am 15.11.2001 und am 15.12.2001 gingen auf dem betrieblichen Girokonto Pachtzahlungen in Höhe von jeweils 74.550 DM ein. Im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte die Prüferin zunächst die nicht betrieblich veranlassten Schuldzinsen (auf die Entnahme in Höhe von 260.000 entfallender Zinsanteil in Höhe von 3.172 DM) und behandelte diesen als Entnahme. Anschließend hat die Prüferin die Pachtzahlungen in Höhe von insgesamt 149.100 DM in die Berechnung der Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG einbezogen. Dadurch ergibt sich nach Ansicht der Klägerin eine doppelte Hinzurechnung.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a vorgenommen. Schuldzinsen sind nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind (§ 4 Abs. 4a S. 1 EStG). Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.

Die steuerliche Abziehbarkeit der Schuldzinsen ist zweistufig zu prüfen (BFH-Urteil vom 21.09.2005). In einem ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Ergibt die Prüfung, dass Schuldzinsen privat veranlasst sind, so sind sie nicht bei der Ermittlung der Entnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 21.09.2005). Danach ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist.

Entsprechend diesen Vorgaben hat die Prüferin - auf der ersten Berechnungsstufe - zunächst den nicht betrieblich veranlassten Anteil der Schuldzinsen ermittelt (3.172 DM) und als Entnahme des Streitjahres 2001 behandelt. Hieraus folgte wiederum, dass der Betrag, auf den die als nicht betrieblich veranlasst anzusehenden Schuldzinsen entfallen (260.000 DM), bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags - der zweiten Berechnungsstufe - nicht mehr anzusetzen war und von der Prüferin daher zutreffend von den in 2001 getätigten Entnahmen abgezogen wurde. Im Ergebnis wurden damit die Betriebsausgaben des Streitjahres 2001 in Höhe des auf den Entnahmebetrag entfallenden Zinsanteils nur einmal, nämlich durch die Hinzurechnung des nicht betrieblich veranlassten Zinsanteils (3.172 DM), gekürzt. Eine "doppelte Hinzurechnung" - wie von der Klägerin gerügt - liegt nicht vor.

Zu Recht hat die Prüferin auch die Pachtzahlungen in Höhe von insgesamt 149.100 DM in die Berechnung der Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG einbezogen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist im Zeitpunkt der Gutschrift von Betriebseinnahmen, durch die ein Sollsaldo getilgt wird, der aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstanden ist oder sich erhöht hat, eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 anzusetzen (BFH-Urteil vom 21.09.2005). Im Streitfall war durch die Entnahme in Höhe von 260.000 DM auf dem betrieblichen Girokonto ein Sollsaldo entstanden. Durch die beiden Pachtzahlungen, die nach dem Entnahmevorgang auf dem betrieblichen Konto eingingen, wurde im Ergebnis ein Teilbetrag der Entnahme in Höhe von 149.100 DM unmittelbar aus betrieblichen Mitteln finanziert, während der Betrieb fremdfinanziert war. In diesem Fall ist im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme anzusetzen, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist.

Hieran ändert auch ein Vorgehen nach dem sog. "umgekehrten Zwei-Konten-Modell" nichts. Hier verfügt der Steuerpflichtige über ein Betriebseinnahmenkonto, auf das nur die Betriebseinnahmen fließen. Darüber hinaus unterhält er ein gesondertes Betriebsausgabenkonto, über das Betriebsausgaben und Privatentnahmen gebucht werden und das immer im Soll geführt wird. Es wird dadurch zum gemischten Kontokorrentkonto. Um die privat veranlassten Schuldzinsen zu minimieren, bucht der Steuerpflichtige von Zeit zu Zeit vom Betriebseinnahmenkonto eingegangene Betriebseinnahmen auf das Betriebsausgabenkonto um und tilgt damit in Höhe des umgebuchten Betrags eine private Schuld. Zwar kann der Steuerpflichtige auch nach der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG bestimmen, dass beim gemischten Kontokorrentkonto mit Schuldsaldo jede Habenbuchung zunächst dem Unterkonto gutzuschreiben ist, auf dem die privat veranlassten Sollbuchungen erfasst werden (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 08.12.1997, BFH-Urteil vom 21.09.2005). Die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG kann jedoch durch diese Gestaltung nicht umgangen werden, weil für den Fall, dass sich das Konto, auf dem die privat veranlassten Sollbuchungen erfasst werden, aufgrund einer Entnahme im Soll befindet, bei Rückführung des Sollsaldos durch eingehende Betriebseinnahmen - wie ausgeführt - eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 4a anzusetzen ist.

§ 4 Abs. 4a EStG ist verfassungsgemäß. Da die Regelung an Überentnahmen mithin an private Ursachen anknüpft, bestehen im Hinblick auf das Nettoprinzip keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH-Urteil vom 17.08.2010).

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999
Streitjahr 2000 und 2001

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2007, 12 K 133/07, EFG 2008, S. 604

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.03.2011, IV R 53/07, BStBl II 2011, S. 688 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 21.09.2005, X R 46/04, BStBl II 2006, S. 125
Großer Senat des BFH, Beschluss vom 08.12.1997, GrS 1-2/95, BStBl II 1998, S.193
BFH, Urteil vom 17.08.2010, VIII R 42/07, BStBl II 2010, S. 1041, siehe Deloitte Tax-News (08.10.2010)

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