BFH: Erweiterte Kürzung bei Betriebsverpachtung und eigener Grundbesitz
Eine Betriebsverpachtung ist nicht kürzungsschädlich, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände vermietet werden und es sich hierbei ausschließlich um eigenen (bebauten) Grundbesitz handelt (Bestätigung des BFH-Urteils vom 19.12.2023, IV R 5/21, siehe Deloitte Tax-News). Eigener Grundbesitz im Sinne der erweiterten gewerbesteuerlichen Grundstückskürzung liegt auch dann vor, wenn sich der Grundbesitz nicht im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft befindet, sondern zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehört.
BFH, Urteil vom 30.10.2024, IV R 19/22 (NV)
Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG), deren Unternehmensgegenstand seit ihrer Gründung ein Händlerbetrieb war. Im Eigentum der Gesellschafter der KG stand ein bebautes Grundstück, welches die KG zunächst zu einem Teil für den Betrieb eines Autohauses selbst nutzte und zum anderen Teil fremdvermietete.
Die KG beschloss den Betrieb des Autohauses einzustellen. Der Teil des Gesamtobjekts, der bisher für das Autohaus genutzt wurde, wurde an die X-AG vermietet und das mobile Betriebsvermögen wurde an die X-AG veräußert. Die X-AG übernahm die gesamte Betriebs- und Geschäftsausstattung, das Umlaufvermögen als auch die Mitarbeiter des Autohauses. In der Streitjahren wurde der Gebäudekomplex wie folgt genutzt: im Erdgeschoss, im Untergeschoss und im Nebengebäude betrieb die X-AG ihr Autohaus. Die KG nutzte ein Ein-Raum-Büro als Verwaltungsbüro. Die übrigen Räumlichkeiten waren an ca. 110 Fremdfirmen bzw. Personen vermietet (Business-Appartments und Büroräume) oder standen leer. Des Weiteren beauftragte die KG Fremdfirmen mit der Parkraumbewirtschaftung und mit Nachtkontrollen und stellte der X-AG anteilige Kosten in Rechnung.
Eine Außenprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die KG mangels Betriebsaufgabe weiterhin Einkünfte auch Gewerbebetrieb erzielt und ihr daher die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht zusteht. Auch die Erbringung von Reinigungs-, Pförtner- und Bewachungsleistungen seien kürzungsschädlich. Das FG war ebenfalls der Auffassung, dass die KG aufgrund der Betriebsverpachtung eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, die eine erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ausschließt.
Entscheidung
Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass die Betriebsverpachtung an die X-AG nicht kürzungsschädlich ist, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände vermietet werden und es sich hierbei ausschließlich um eigenen (bebauten) Grundbesitz handelt. Des Weiteren führt der BFH aus, dass es sich auch um eigenen Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG handelt, wenn der Grundbesitz nicht im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, sondern zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehört.
Grundlagen
Gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der sog. einfachen Kürzung (vgl. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Gewerblich geprägte Personengesellschaft und kürzungsunschädliche Betriebsverpachtungen
Mit dieser Entscheidung bestätigt der BFH zunächst seine Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2023, IV R 5/21). Mit Urteil vom 19.12.2023 (IV R 5/21) hatte der BFH nämlich entschieden, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, die ein originär gewerbliche Tätigkeit in Gestalt einer – eine Betriebsverpachtung überlagernden – Betriebsaufspaltung ausübt, mit dem Ende der Betriebsaufspaltung als gewerblich geprägte Personengesellschaft weiterhin der Gewerbesteuer unterliegt (entgegen BFH-Urteil vom 09.11.2017, IV R 37/14). Darüber hinaus sei eine Betriebsverpachtung ausnahmsweise kürzungsunschädlich, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände vermietet werden und es sich hierbei ausschließlich um eigenen (bebauten) Grundbesitz handelt.
So stellt der BFH auch im Streitfall zunächst fest, dass die KG nach Beendigung ihrer originär gewerblichen Tätigkeit in Gestalt des Betriebs eines Autohauses als gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG der Gewerbesteuer gemäß § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt. Der BFH führt weiter aus, dass bei einer Betriebsverpachtung die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG grundsätzlich nicht anzuwenden ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.2005, VIII R 3/03), weil regelmäßig nicht nur im Sinne einer typischen Vermögensverwaltung Grundbesitz, sondern typischerweise gerade auch Vermögen anderer Art verwaltet und genutzt wird. Allerdings sei eine Betriebsverpachtung nicht ausnahmslos kürzungsschädlich (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2023, IV R 5/21). Unschädlich sei sie, wenn es sich bei der über die Grundstücksüberlassung hinausgehenden zusätzlichen Nutzung um eine Nebentätigkeit handelt, die als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.2005, VIII R 3/03). Weiter führt der BFH – entgegen der Auffassung der Vorinstanz- aus, dass die die Betriebsverpachtung an die X-AG auch dann nicht kürzungsschädlich ist, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände vermietet werden und es sich hierbei ausschließlich um eigenen (bebauten) Grundbesitz handelt (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2023, IV R 5/21).
Grundbesitz im Sonderbetriebsvermögen ist auch eigener Grundbesitz
Zur Voraussetzung des „eigenen Grundbesitzes“ führt der BFH Folgendes aus: Der Begriff des Grundbesitzes im Sinne von § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bestimmt sich nach dem Bewertungsrecht (vgl. auch BFH-Urteil vom 19.12.2023, IV R 5/21). Eigener Grundbesitz im Sinne dieser Norm ist der zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörende Grundbesitz (vgl. BFH-Urteil vom 25.05.2023, IV R 33/19). Ergänzend zu seiner bisherigen Rechtsprechung führt der BFH aus, dass es sich auch um eigenen Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG handelt, wenn der Grundbesitz nicht im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, sondern zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehört. Folglich handelt es sich auch im Streitfall bei dem an die X-AG überlassenen Räumlichkeiten und Flächen um eigenen Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, da er sich entweder im Gesamthandsvermögen der KG oder im Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter befindet.
Zurückweisung an das FG
Der BFH könne mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht abschließend darüber entscheiden, ob der KG die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zu gewähren ist. Das FG habe zu prüfen, ob die von der KG als Vermieterin beauftragten Sicherheits- und Pförtnerleistungen, als kürzungsschädliche Nebenleistungen anzusehen sind. Der BFH weist darauf hin, dass eine auf das Gesamtobjekt bezogene Bewachung, die dem Schutz des Eigentums des Vermieters dient und daher in seinem Interesse erfolgt, kürzungsunschädlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.06.2024, III R 26/21).
Betroffene Norm
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Streitjahre 2011-2013
Anmerkung
Hintergrundinformationen zur erweiterten Grundstückskürzung
Die sog. erweiterte Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt zunächst voraus, dass es sich um ein gewerbliches Unternehmen handelt. Dazu gehören auch gewerblich geprägte Personengesellschaften. Nicht als Gewerbebetrieb angesehen wird dagegen grundsätzlich die Verpachtung eines Gewerbebetriebs im Ganzen oder eines Teilbetriebs. Sie unterliegt daher regelmäßig nicht der Gewerbesteuer.
Die erweiterte Kürzung bedingt die ausschließliche Verwaltung und Nutzung des Grundbesitzes (Ausschließlichkeitsgebot); nur die in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG aufgeführten Tätigkeiten sind erlaubt und führen nicht zur Versagung der erweiterten Grundstückskürzung. Überschreitet die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen zur Gewerblichkeit, führt dies zur Versagung der erweiterten Grundstückskürzung. Vor diesem Hintergrund steht auch die Betriebsverpachtung grundsätzlich § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG entgegen.
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.06.2022, 2 K 2599/18 G, EFG 2022, S. 1392
Fundstelle
BFH, Urteil vom 30.10.2024, IV R 19/22 (NV)
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 09.11.2017, IV R 37/14, BStBl. II 2018, S. 227
BFH, Urteil vom 19.12.2023, IV R 5/21, BStBl. II 2024, S. 845, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 14.06.2005, VIII R 3/03, BStBl. II 2005, S. 778
BFH, Urteil vom 25.05.2023, IV R 33/19, BStBl. II 2023, S. 927, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 13.06.2024, III R 26/21
