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25.11.2011
Unternehmensteuer

BFH: Feststellung anteiliger Gewerbesteuer-Messbeträge in Fällen mehrstöckiger Gesellschaften

Sachverhalt

Die X-GmbH & Co. KG (KG 2), war im Streitjahr 2003 an der Y-GmbH (GmbH) beteiligt, mit der sie im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses verbunden war. Die GmbH war als Mitunternehmerin atypisch still an der Z-GmbH & Co. KG (KG 1) beteiligt, die ihrerseits weitere Beteiligungen an mehreren inländischen Tochtergesellschaften hielt.

IV R 8/09
Für sämtliche weiteren an der KG 1 beteiligten Mitunternehmer, nicht aber für die GmbH, stellte das Finanzamt jeweils einen Anteil am Gewerbesteuer-Messbetrag der KG 1 fest (§ 35 Abs. 3 S. 1 und 4 EStG 2002). Das FG verpflichtete das Finanzamt auch für die GmbH einen anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrag festzustellen.

IV R 3/10
Die KG 2 beantragte, in die für sie durchzuführende gesonderte und einheitliche Feststellung 2003 (§ 35 Abs. 3 S. 1 EStG 2002) den anteilig auf die GmbH entfallenden Gewerbesteuer-Messbetrag einzubeziehen, damit dieser den an der KG 2 beteiligten Kommanditisten für Zwecke der Anrechnung der Gewerbesteuer zur Verfügung stehe. Dies lehnte das Finanzamt ab. Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass gemäß § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 nur die anteiligen Gewerbesteuer-Messbeträge aus einer Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft einzubeziehen seien. Eine solche habe aber zwischen der KG 2 und der KG 1 aufgrund der Zwischenschaltung der GmbH nicht bestanden. Der Umstand, dass es sich bei der GmbH um eine juristische Person handele, entfalte insoweit eine abschirmende Wirkung. Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt.

Entscheidung

IV R 8/09
Das FG hat zu Recht die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung (§ 35 Abs. 3 EStG 2002, heute § 35 Abs. 2 EStG) ein Anteil der GmbH am Gewerbesteuer-Messbetrag der KG 1 festzustellen ist. 

Bei Mitunternehmerschaften ist der Betrag des Gewerbesteuer-Messbetrags und der auf die einzelnen Mitunternehmer entfallende Anteil gesondert und einheitlich festzustellen (§ 35 Abs. 3 S. 1 EStG 2002, heute § 35 Abs. 2 S. 1 EStG). Das Finanzamt durfte die streitige Feststellung nicht mit der Begründung verweigern, diese Feststellung sei für die GmbH steuerlich nicht von Bedeutung. Zuzustimmen ist dem Finanzamt darin, dass die Feststellung der Anteile der einzelnen Mitunternehmer am Gewerbesteuer-Messbetrag keine Bedeutung hat, soweit feststeht, dass der einzelne Mitunternehmer eine Kapitalgesellschaft ist, bei der eine Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer nach § 35 Abs. 1 EStG ausgeschlossen ist. Die Prüfung und Entscheidung, ob bei einem Mitunternehmer von einer Kapitalgesellschaft auch im steuerlichen Sinne auszugehen ist, sind jedoch nicht Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 35 Abs. 3 EStG 2002. Diese obliegen vielmehr dem Finanzamt, das über eine Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer nach Maßgabe des auf den einzelnen Mitunternehmer festgestellten Anteils am Gewerbesteuer-Messbetrag zu entscheiden hat. 

Die im Streitfall vorliegende körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft ist nicht entscheidend. Die Feststellung eines anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags der GmbH (Organgesellschaft) entfaltet verfahrensrechtlich gegenüber dem Organträger (KG 2) nicht die Wirkung eines Grundlagenbescheids. Deshalb hat das für die Feststellungen nach § 35 Abs. 3 S. 1 EStG 2002 zuständige Finanzamt auch keine möglichen Folgerungen auf der Ebene des Organträgers zu erwägen. Ausgehend hiervon kommt es vorliegend nicht darauf an, ob hinsichtlich des streitbefangenen Anteils der GmbH am Gewerbesteuer-Messbetrag der KG 1 bei der KG 2 die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 (heute § 35 Abs. 2 S. 5 EStG) vorliegen, wonach bei der Feststellung nach § 35 Abs. 3 S. 1 EStG 2002 (hier für die KG 2) anteilige Gewerbesteuer-Messbeträge, die aus einer Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft stammen, einzubeziehen sind. Dem steht auch nicht entgegen, dass der BFH mit Urteilen vom 22.09.2011 (IV R 42/09 und IV R 3/10) entschieden hat, dass nach § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 die "Durchleitung" des für eine Kapitalgesellschaft festgestellten Anteils am Gewerbesteuer-Messbetrag i.S. des § 35 Abs. 3 S. 1 EStG 2002 an eine an dieser Gesellschaft beteiligte Personengesellschaft zum Zwecke ihrer möglichen Verwertung durch die "Schlussgesellschafter" nicht in Betracht kommt, weil § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 nur die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft, nicht hingegen an einer Kapitalgesellschaft erfasst.

IV R 3/10
Gemäß § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 sind bei der Feststellung nach S. 1 der Vorschrift anteilige Gewerbesteuer-Messbeträge, die aus einer Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft stammen, einzubeziehen. Bei Vorliegen einer Organschaft sind in die Feststellung anteilige Gewerbesteuer-Messbeträge nicht einzubeziehen, die aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) stammen.

Nach Auffassung des BFH ist § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 dahin auszulegen, dass nur anteilige Gewerbesteuer-Messbeträge zu berücksichtigen sind, die aus einer unmittelbaren Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft stammen. Die Regelung soll eine Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer der an einer Personengesellschaft beteiligten natürlichen Personen ermöglichen, wenn die Gesellschaft mit Gewerbesteuer belastet worden ist. In Fällen von mehrstöckigen Gesellschaften (Mitunternehmerschaften) sollen sämtliche bei den Gesellschaften festgestellten Messbeträge beim "Schlussgesellschafter" anteilig berücksichtigt werden können. Nach der Systematik der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 35 Abs. 3 EStG 2002 werden bei Beteiligung einer Personenobergesellschaft an einer Personenuntergesellschaft bei letztgenannter Gesellschaft festgestellte, aber insoweit nicht bei der Einkommensbesteuerung ihrer Gesellschafter "verwertbare" Gewerbesteuer-Messbeträge an die Personenobergesellschaft "weitergereicht", um eine Berücksichtigung bei den Gesellschaftern jener Gesellschaft ("Schlussgesellschafter") zu ermöglichen. Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen (mehrstöckigen Personengesellschaften) erfolgt die "Weiterleitung" so lange, bis eine Zuordnung an "Schlussgesellschafter" als natürliche Personen erfolgen kann. Schon hieraus ergibt sich, dass bei der Feststellung für eine Personenobergesellschaft nach § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 eine Berücksichtigung nur von Gewerbesteuer-Messbeträgen erfolgen darf, die aus einer unmittelbaren Beteiligung an einer Personenuntergesellschaft stammen. 

Aber selbst wenn man davon ausginge, dass in § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 auch anteilige Gewerbesteuer-Messbeträge gemeint sind, die aus einer mittelbaren Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft stammen, so schiede hierbei eine Beteiligung aus, die über eine Kapitalgesellschaft, die ihrerseits an einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) beteiligt ist, vermittelt wird. Denn als "mitunternehmerisch" qualifiziert § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG eine mittelbare Beteiligung nur dann, wenn sie über eine oder mehrere Personengesellschaften erfolgt. 

Die Abschirmung der Vermögenssphäre einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern liefert einen sachlichen Differenzierungsgrund, Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft vom Regelungsbereich des § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 auszunehmen. 

Die KG 2 ist nicht in dem vorgenannten Sinne unmittelbar an einer Mitunternehmerschaft beteiligt. Der Anteil der GmbH am Gewerbesteuer-Messbetrag der KG 1 stammt aus Sicht der KG 2 nach den vorgenannten Maßstäben nicht aus einer Beteiligung der KG 2 an einer Mitunternehmerschaft, selbst wenn man davon ausginge, dass von § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 auch mittelbare Beteiligungen an Mitunternehmerschaften erfasst werden. 

Dem FG ist zwar zuzugeben, dass in der im Streitfall vorliegenden Konstellation eine Doppelbegünstigung nicht zu besorgen ist, wenn über eine entsprechende Anwendung des § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 in die für die KG 2 durchzuführende Feststellung auch ein Anteil der GmbH am Gewerbesteuer-Messbetrag der KG 1 einbezogen würde. Liegt - wie im Streitfall - eine körperschaftsteuerliche Organschaft vor, so ist das Einkommen der Organgesellschaft (GmbH) dem Organträger (KG 2) zuzurechnen mit der Folge, dass eine gleichzeitige Begünstigung bei der Körperschaftsteuer ausscheidet. Hieraus ergibt sich jedoch nur, dass der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 auch eine weiter gehende Regelung hätte treffen können. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Vorschrift insoweit planwidrig ausgestaltet ist mit dem Ergebnis, dass auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die ihrerseits an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist, als eine Beteiligung i.S. des § 35 Abs. 3 S. 4 EStG 2002 anzusehen wäre. Nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung des § 35 EStG muss nicht jede Belastung mit Gewerbesteuer "deckungsgleich" zu einer Anrechnung auf die Einkommensteuer eines "Schlussgesellschafters" als natürliche Person führen.

Betroffene Norm

§ 35 Abs. 3 S. 1 und 4 EStG 2002 (jetzt § 35 Abs. 2 S. 1 und 5 EStG)
Streitjahr 2003

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2009, 16 K 1267/07 F, EFG 2009, S. 756, (zu IV R 8/09)
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2009, 16 K 1567/09 F, EFG 2010, S. 798, (zu IV R 3/10)

Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.09.2011, IV R 8/09
BFH, Urteil vom 22.09.2011, IV R 3/10, BStBl II 2012, S. 14 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.09.2011, IV R 42/09

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