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27.03.2025
Unternehmensteuer

BFH: Finale Verluste aus Steuerstundungsmodellen

Die Verlustausgleichs- und -abzugsbeschränkung für Verluste aus Steuerstundungsmodellen nach § 15b EStG ist auch im Fall sogenannter definitiver Verluste (Aufgabe/Veräußerung der Einkunftsquelle) verfassungsgemäß. Handelt es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Personengesellschaft, ist auch ein Sonderbetriebsverlust des Mitunternehmers von der Beschränkung erfasst.

BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 6/22 

Sachverhalt

Der Kläger (K) war seit 2007 als Kommanditist an einem in 2005 aufgelegten geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG (A-KG) beteiligt. Gegenstand der A-KG war der Handel mit Biodiesel. Zur Umsetzung des Gesellschaftszwecks errichtete die A-KG eine Biodiesel-Produktionsanlage.

Laut Fondsprospekt wurden für die Jahre 2005 bis 2007 Verluste prognostiziert. Ab 2008 sollten dann positive steuerliche Ergebnisse erwirtschaftet werden, so dass die Anleger bis 2020 einen Totalüberschuss i.H.v. 155,6 % erwirtschaften sollten. Tatsächlich erzielte die A-KG aus ihrer Tätigkeit in den Jahren 2005 bis 2009 ausschließlich Verluste. In 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-KG eröffnet und zum 31.12.2009 die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG erklärt.

Das Finanzamt stufte die A-KG aufgrund "modellhafter Gestaltung" als Gesellschaft im Sinne von § 15b Abs. 1 und 2 EStG (Steuerstundungsmodell) ein mit der Folge, dass die erzielten Verluste nur noch mit späteren positiven Einkünften aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden dürfen. Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass sich K an einem Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG beteiligt hatte.

Gesetzliche Grundlage

§ 15b Abs. 1 EStG bestimmt, dass Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen und auch nicht im Wege des Verlustrück- oder -vortrags abgezogen werden dürfen. Sie mindern allein die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt.

Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt, werden sollen (§ 15b Abs. 2 S. 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen durch ein vorgefertigtes Konzept die Möglichkeit geboten werden soll, Verluste zumindest in der Anfangsphase der Investition mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 EStG).

Gemäß § 15b Abs. 3 EStG ist § 15b Abs. 1 EStG nur anzuwenden, wenn innerhalb der Anfangsphase das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 % übersteigt.

Wesentliche Aussagen des BFH

Der BFH trifft in seinem Urteil im Wesentlichen die folgenden wichtigen Aussagen zur Anwendung der Verlustausgleichs- und -abzugsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle i.S.d. § 15b EStG und klärt dabei auch einige für die Praxis wichtige Fragen erstmalig:

  • Die Frage, ob die Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell einzuordnen ist, ist anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen (BFH-Urteile vom 06.06.2019, IV R 7/16 und vom 25.03.2021, VIII R 16/18).
  • Ob im Jahr der Beteiligung die Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells vorliegen, kann nicht nur im ersten Jahr der Beteiligung, sondern auch in einem späteren Jahr geprüft werden. Ob dies auch dann gilt, wenn für ein Beteiligungsjahr bereits ein materiell bestandskräftiger Bescheid vorliegt, konnte im Streitfall dahinstehen.
  • Es kann als Indiz für das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells angesehen werden, dass der Anleger vorrangig eine kapitalmäßige Beteiligung an einer Gesellschaft oder Gemeinschaft ohne Interesse an einem Einfluss auf die Geschäftsführung anstrebt (BFH-Urteile vom 06.02.2014, IV R 59/10, vom 06.06.2019, IV R 7/16 und vom 25.03.2021, VIII R 16/18).
  • Nicht erforderlich ist es, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv wirbt (BFH-Urteile vom 06.06.2019, IV R 7/16 und vom 06.06.2019, IV R 7/16).
  • Die Annahme eines Steuerstundungsmodells setzt auch nicht voraus, dass sich eine Investition im Einzelfall als betriebswirtschaftlich nicht oder wenig sinnvoll darstellt (BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 7/16).
  • Ein Steuerstundungsmodell kann auch vorliegen, wenn die prognostizierten Verluste zum großen Teil auf der Inanspruchnahme der degressiven Absetzung für Abnutzung als steuerliches Wahlrecht beruhen (BFH-Urteil vom 06.06.2019, IV R 7/16).
  • Der Anwendung des § 15b EStG steht nicht entgegen, dass die nicht ausgleichsfähigen Verluste – wie im Streitfall – aufgrund der Insolvenz der Personengesellschaft und der nachfolgenden Betriebsaufgabe nicht mehr mit späteren Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden können.
  • Sogenannte Definitiveffekte (finale Verluste wg. Aufgabe/Veräußerung der Einkunftsquelle) stellen kein Anwendungshindernis dar.
  • Von der Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle bei Personengesellschaften sind auch (individuelle) Sonderbetriebsausgaben des Gesellschafters wie etwa Verluste aus der Gewährung nachrangiger Gesellschafterdarlehen erfasst.
  • Im Hinblick auf die "Nichtaufgriffsgrenze" bzw. die 10 %-Grenze des § 15b Abs. 3 EStG (Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Betroffene Norm

§ 15b EStG

Streitjahr 2009

Anmerkung

Der BFH klärt mit seinem aktuellen Urteil zur Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle die für die Praxis äußerst wichtige Frage, dass auch finale Verluste von der Verlustverrechnungsbeschränkung erfasst sind. Damit erteilt der BFH der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, dass im Fall sogenannter Definitiveffekte (Aufgabe/Veräußerung der Einkunftsquelle) die Norm des § 15b EStG teleologisch zu reduzieren sei, eine Absage.

Vorinstanz

Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.01.2022, 3 K 348/17

Fundstelle

BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 6/22

BFH, Pressemitteilung vom 13.03.2025, Nr. 014/25

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.02.2014, IV R 59/10, BStBl. II 2014, S. 465

BFH, Urteile vom 06.06.2019, IV R 7/16, BStBl. II 2019, S. 513 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 25.03.2021, VIII R 16/18, BStBl. II 2021, S. 814

Ihr Ansprechpartner

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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