BFH: Geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft als Organträgerin
Auch eine ausschließlich als geschäftsleitende Holding tätige Organträger-Personengesellschaft erfüllt die Voraussetzungen für eine körperschaftsteuerliche Organschaft im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG. Nicht erforderlich ist, dass die Organträger-Personengesellschaft konzerninterne Dienstleistungen oder andere zusätzliche gewerbliche Aktivitäten erbringt (entgegen BMF-Schreiben vom 10.11.2005, Rz. 18).
BFH, Urteil vom 27.11.2024, I R 23/21
Sachverhalt

Nach einer Umstrukturierung übernahm die X-KG als geschäftsleitende Holding (Organträger) den mit der Kläger-GmbH (Organgesellschaft) geschlossenen Ergebnisabführungsvertrag. Die X-KG ist insgesamt an neun Organtochtergesellschaften beteiligt. Allerdings erbringt die X-KG keine konzerninternen entgeltlichen Dienstleistungen oder andere gewerbliche Aktivitäten. Die X-KG verfügt auch über kein eigenes Personal.
Das Finanzamt erkannte die körperschaftsteuerliche Organschaft nicht an, da die X-KG im Streitjahr noch keine eigene gewerbliche Tätigkeit aufgenommen hat. Demgegenüber erkannte das FG die körperschaftsteuerliche Organschaft an.
Entscheidung
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die X-KG als Organträgerin die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG erfüllt und mit der GmbH eine körperschaftsteuerliche Organschaft besteht.
Grundlagen zur Personengesellschaft als Organträgerin
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG kann auch eine Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG mit Geschäftsleitung im Inland Organträger sein, wenn sie eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt.
Tätigkeit als geschäftsleitende Holding ausreichend
Der BFH stellt heraus, dass eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG auch dann vorliegt, wenn die Organträger-Personengesellschaft ausschließlich als geschäftsleitende Holding tätig ist. Konzerninterne entgeltliche Dienstleistungen oder andere zusätzliche gewerbliche Aktivitäten sind in einem solchen Fall nicht erforderlich, so der BFH.
Der BFH verweist auf seine noch zur alten Rechtslage (bzw. dem mittlerweile nicht mehr erforderlichen Kriterium der wirtschaftlichen Eingliederung) ergangenen Rechtsprechung und führt aus, dass, soweit es nicht nur um das Halten und Verwalten von Beteiligungen durch die Ausübung von Gesellschafterrechten geht, sondern die geschäftsleitende Holding planmäßig Unternehmenspolitik betreibt oder auf andere Weise einen entscheidenden Einfluss auf die laufende Geschäftsführung der Tochtergesellschaften ausübt, dies über eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit hinausgeht. Insbesondere führe die nach außen erkennbare einheitliche Leitung zur Teilnahme der Organträger-Personengesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 18.01.2023, I R 16/19). Maßgeblich bleibe aber stets das „Gesamtbild der Betätigung“ (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001, GrS 1/98).
Eine nach außen erkennbare einheitliche Leitung erforderlich
Die Voraussetzung einer geschäftsleitenden Holding, nämlich einer nach außen erkennbaren einheitlichen Leitung über mehrere Organgesellschaften, sei im Allgemeinen erfüllt, wenn das herrschende Unternehmen Richtlinien über die Geschäftspolitik der abhängigen Unternehmen aufstelle und den abhängigen Unternehmen zuleite oder wenn es den abhängigen Unternehmen schriftliche Weisungen erteile. Auch Empfehlungen des herrschenden Unternehmens, gemeinsame Besprechungen und Beratungen könnten genügen, wenn sie schriftlich festgehalten würden. Dagegen reiche es nicht aus, dass sich die einheitliche Leitung stillschweigend aus einer weitgehenden personellen Verflechtung der Geschäftsführungen der Konzernunternehmen ergebe.
Im Streitfall konnte der Nachweis einer nach außen erkennbaren einheitlichen Leitung anhand eines Protokolls der in einem Zeitrhythmus von 14 Tagen abgehaltenen Geschäftsführersitzungen erbracht werden. Nach dem Protokoll sei das Tagesgeschäft erörtert und Maßnahmen festgelegt worden, die der Margenverbesserung und der Ausbildungsanpassung dienen sollten. Selbst Einzelheiten des Tagesgeschäfts seien abgestimmt und durchgesetzt worden.
Offengelassene Frage
Der BFH konnte im Streitfall die Frage offen lassen, ob eine geschäftsleitende Holding zwingend die Beteiligung an mindestens zwei Tochtergesellschaften voraussetzt, da die X-KG über neun Tochtergesellschaften verfügte.
Betroffene Normen
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG, § 15 Abs. 1 EStG
Streitjahr 2008
Anmerkung
Einordnung der o.g. Entscheidung
Höchstrichterlich war bislang ungeklärt, ob eine geschäftsleitende Holdingpersonengesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, um als Personengesellschaft nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG eine taugliche Organträgerin im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zu sein.
Nach der Finanzverwaltung ist eine eigene gewerbliche Tätigkeit der Organträger-Personengesellschaft erforderlich, die über die Tätigkeit als geschäftsleitende Holding hinausgeht, zum Beispiel durch die Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen gegenüber den Tochtergesellschaften (vgl. BMF-Schreiben vom 10.11.2005, Rz. 18). Die Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH mit der o.g. Entscheidung abgelehnt. Nach dem BFH ist eine zusätzliche gewerbliche Betätigung, z.B. in der Form der Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen, nicht zwingend erforderlich. Der BFH bestätigt damit seine Rechtsprechung zur geschäftsleitenden Holding und überträgt sie auf die Voraussetzungen einer Organträger-Personengesellschaft nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG.
Vorinstanz
FG Nürnberg, Urteil vom 12.01.2021, 1 K 1090/19, EFG 2022, S. 1150
Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.11.2024, I R 23/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.01.2023, I R 16/19, BStBl. II 2023, S. 1096
Großer Senat des BFH, Beschluss vom 10.12.2001, GrS 1/98, BStBl. II 2002, S. 291
BMF, Schreiben vom 10.11.2005, BStBl. I 2005, S. 1038
