BFH: Gesellschafterbezogene Auslegung der Einlagen- und Haftungsminderung
Der fiktive Gewinn im Sinne des § 15a Abs. 3 S. 1 und S. 3 EStG ist demjenigen Kommanditisten zuzurechnen, der die für die Einlageminderung erforderliche Entnahme tätigt oder für den die im Handelsregister eingetragene Haftsumme gemindert wird. Die gesellschafterbezogene Betrachtung der Gewinnhinzurechnung gilt auch dann, wenn der Kommanditanteil unterjährig übertragen wird.
Sachverhalt
An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, waren zunächst die X-GmbH als Komplementärin ohne eigenen Anteil und Herr Y als alleiniger Kommanditist zu 100 % beteiligt. Die GmbH & Co. KG erwirtschaftete in den ersten Jahren zunächst Verluste, die bei Y nicht der Ausgleichs- oder Abzugsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG unterlagen.
Im Streitjahr 2003 wurde die Pflichteinlage des Y gemindert. Gleichzeitig erfolgte eine Erhöhung der Außenhaftung. Kurz darauf übertrug Y unterjährig im Streitjahr 2003 seinen Anteil an der GmbH & Co. KG unentgeltlich auf die Z-Stiftung. Die Z-Stiftung tätigte im Streitjahr 2003 keine eigenen Entnahmen.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass bei der Z-Stiftung im Streitjahr nach § 15a Abs. 3 EStG ein Gewinn hinzuzurechnen sei, da ihre Hafteinlage zum Bilanzstichtag am 31.12.2003 nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei.
Entscheidung
Übereinstimmend mit dem FG kommt der BFH zu der Auffassung, dass für die Z-Stiftung keine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG festzustellen ist, da sie weder den Tatbestand einer Einlageminderung nach § 15a Abs. 3 S. 1 EStG noch den einer Haftungsminderung nach § 15a Abs. 3 S. 3 EStG verwirklicht hat.
Gesetzliche Grundlagen: Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG
§ 15a Abs. 3 EStG regelt eine Gewinnhinzurechnung für den Kommanditisten bei einer Einlageminderung (§ 15a Abs. 3 S. 1 EStG) oder einer Haftungsminderung (§ 15a Abs. 3 S. 3 EStG). Soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entsteht oder sich erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht aufgrund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 S. 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, ist dem Kommanditisten der Betrag der Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen (§ 15a Abs. 3 S. 1 EStG). Wird der Haftungsbetrag i.S.d. § 15a Abs. 1 S. 2 EStG gemindert (Haftungsminderung) und sind im Wirtschaftsjahr der Haftungsminderung und den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren Verluste nach § 15a Abs. 1 S. 2 EStG ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen, ist dem Kommanditisten der Betrag der Haftungsminderung, vermindert um aufgrund der Haftung tatsächlich geleistete Beträge, als Gewinn zuzurechnen (§ 15a Abs. 3 S. 3 EStG). Der aufgrund einer Einlage- oder Haftungsminderung zuzurechnende Betrag darf den Betrag der Anteile am Verlust der KG nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr der Einlage- oder Haftungsminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen ist (§ 15a Abs. 3 S. 2 und S. 3 letzter Halbsatz EStG).
Tatbestand der Einlageminderung nach § 15a Abs. 3 S. 1 EStG nicht erfüllt
Der BFH führt aus, dass die Z-Stiftung im Streitjahr den Tatbestand einer Einlageminderung nach § 15a Abs. 3 S. 1 EStG nicht erfüllt hat. Sie habe weder selbst eine Entnahme getätigt noch könne ihr die Entnahme des Y als eigene zugerechnet werden.
Auch der unentgeltliche Erwerb des Kommanditanteils von Y ändere nichts daran, dass die Entnahme des Y der Z-Stiftung nicht als eigene Entnahme zugerechnet werde. Denn § 15a Abs. 3 S. 1 EStG ist nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie einem am Grundsatz der Individualbesteuerung ausgerichteten Gesetzesverständnis gesellschafterbezogen und nicht beteiligungsbezogen auszulegen, so der BFH. Danach könne ein fiktiver Gewinn durch Einlageminderung nur demjenigen Kommanditisten zugerechnet werden, der die hierfür erforderliche Entnahme selbst getätigt hat.
Der BFH begründet seine Auffassung mit dem Gesetzeswortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck des § 15a Abs. 3 S. 1 EStG. Der Wortlaut sei dahin zu verstehen, dass der fiktive Gewinn demjenigen Kommanditisten zuzurechnen ist, der die Einlageminderung vorgenommen hat. Auch der Sinn und Zweck des § 15a Abs. 3 S. 1 EStG untermauere dieses Verständnis. Rechtstechnisch soll eine Einlageminderung durch die Zurechnung eines fiktiven Gewinns nachversteuert werden. Zurechnungssubjekt der fiktiven Gewinne sei daher derjenige Kommanditist, der die Minderung der Einlage vorgenommen hat. Dies entspreche auch dem Grundsatz der Individualbesteuerung (vgl. BFH-Beschluss des Großen Senats vom 17.12.2007, GrS 2/04). Bezogen auf § 15a Abs. 3 S. 1 EStG bedeutet dies, dass der fiktive Gewinn von dem Kommanditisten "erwirtschaftet" werde, der den Tatbestand der Einlageminderung verwirklicht hat.
Keine Gewinnhinzurechnung beim Rechtsnachfolger
Nach dem BFH gilt die gesellschafterbezogene Betrachtung auch dann, wenn die Entnahme unterjährig erfolgt und der Kommanditist im Anschluss daran, aber noch vor dem nächsten Bilanzstichtag, seine Kommanditbeteiligung überträgt. Es sei gerade nicht allein auf die Umstände zum Bilanzstichtag abzustellen. Zwar seien grundsätzlich für die Frage der Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 2 und 3 EStG die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich; bei der Einlageminderung handele es sich aber um einen gesellschafterbezogenen Vorgang, der im Zeitpunkt der Entnahme verwirklicht werde und daher bei der steuerlichen Behandlung des entnehmenden Kommanditisten selbst und nicht bei einem Rechtsnachfolger zu berücksichtigen ist.
Zwar werde bei der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG der Betrieb vom Rechtsnachfolger fortgeführt, der (vollständig) in die betriebsbezogene Rechtsposition des Rechtsvorgängers einrücke (vgl. BFH-Urteile vom 12.12.2013, IV R 17/10 und vom 09.09.2010, IV R 22/07). Dennoch sei aber § 15a Abs. 3 S. 1 EStG nicht betriebsbezogen, sondern gesellschafterbezogen auszulegen. Der unentgeltliche Rechtsnachfolger trete bzgl. der Entnahmen des Rechtsvorgängers in einen bereits durch seinen Rechtsvorgänger abgeschlossenen Vorgang ein. Sollte der Rechtsvorgänger durch die Entnahmen vor der unentgeltlichen Übertragung die Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 S. 1 EStG erfüllt haben, gingen auf den Rechtsnachfolger auch die noch in der Person des Rechtsvorgängers nach § 15a Abs. 3 S. 4 EStG entstandenen verrechenbaren Verluste über. Es sei jedoch nicht möglich, aufgrund einer Entnahme des Rechtsvorgängers eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 S. 1 EStG beim Rechtsnachfolger vorzunehmen.
Tatbestand der Haftungsminderung nach § 15a Abs. 3 S. 3 EStG nicht verwirklicht
Der BFH führt weiter aus, dass die Z-Stiftung auch nicht den Tatbestand einer Haftungsminderung nach § 15a Abs. 3 S. 3 EStG verwirklicht hat. Auch § 15a Abs. 3 S. 3 EStG sei ebenfalls nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie einem am Grundsatz der Individualbesteuerung ausgerichteten Gesetzesverständnis gesellschafterbezogen und nicht beteiligungsbezogen auszulegen. Danach kann auch der fiktive Gewinn infolge einer Haftungsminderung nur demjenigen Kommanditisten zugerechnet werden, für den die im Handelsregister eingetragene Haftsumme gemindert wird, so der BFH.
Nach dem BFH fehlt es im Streitfall bereits an einer Minderung des Haftungsbetrages i.S.d. § 15a Abs. 1 S. 2 EStG durch die Z-Stiftung, da die Z-Stiftung im Streitjahr noch nicht als Kommanditistin mit einer bestimmten Haftsumme im Handelsregister eingetragen war. Die bloße Nichteintragung der Z-Stiftung zum 31.12.2003 erfülle nicht den Tatbestand des § 15a Abs. 3 S. 3 EStG und könne daher auch keine Hinzurechnung eines fiktiven Gewinns auslösen.
Betroffene Normen
§ 15a Abs. 3 S. 1 EStG, § 15a Abs. 3 S. 3 EStG
Streitjahr 2003
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2021, 11 K 1039/21 F
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20.06.2024, IV R 17/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 12.12.2013, IV R 17/10, BStBl. II 2014, S. 316
BFH, Urteil vom 09.09.2010, IV R 22/07
BFH, Beschluss des Großen Senats vom 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, S. 608