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14.11.2019
Unternehmensteuer

BFH: Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Mietzinsen bei Reiseveranstaltern

Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Mietzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG ist an die Tatbestandvoraussetzung der fiktiven Annahme von Anlagevermögen geknüpft. Für Entgelte, die ein Reiseveranstalter an Hoteliers für die Überlassung von Hotelzimmern bezahlt, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Denn bei gedachtem Eigentum des Reiseveranstalters würden die Hotelzimmer und -einrichtungen zu dessen Umlaufvermögen gehören. 

Sachverhalt

Eine GmbH ist als Reiseveranstalterin tätig und organisiert Pauschalreisen. Zu diesem Zweck schloss sie Verträge mit Vertragspartnern im Inland und dem europäischen Ausland ab, durch die ihr Hotelleistungen bezüglich ganzer Hotels, bestimmte Hotelzimmer, Hotelzimmerkontingente sowie Hotel- und Zimmereinrichtungsgegenstände entgeltlich für bestimmte Zeiträume zur Verfügung gestellt wurden. Finanzamt und FG waren der Ansicht, dass in den von der GmbH an die Hoteliers gezahlten Entgelten Mietzinsen enthalten seien und der betreffende Anteil bei der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG zu berücksichtigen sei. 

Entscheidung

Dagegen kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die von der Reiseveranstalterin an die Hoteliers entrichteten Entgelte nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung unterliegen.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb Miet- und Pachtzinsen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern, die zuvor gewinnmindernd berücksichtigt wurden, teilweise wieder hinzugerechnet, wenn die Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen des Betriebs des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind. Dabei betrifft die Regelung auch Nutzungsentgelte, die an Vermieter/Verpächter für eine Nutzungsüberlassung im Ausland gezahlt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15).

Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum fiktiven Anlagevermögen

Bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter bei fiktiver Betrachtung Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn sie in seinem Eigentum stünden (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 04.06.2014, I R 70/12). Dabei muss die Prüfung den konkreten Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11) und sich so weit wie möglich an den tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15).

Hierfür ist darauf abzustellen, ob sich die betreffende Tätigkeit – das Eigentum des Steuerpflichtigen an dem Wirtschaftsgut unterstellt – wirtschaftlich sinnvoll nur ausüben lässt, wenn das Eigentum an den Wirtschaftsgütern langfristig erworben wird (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1972, I R 178/70). Ein Gegenstand kann zwar auch dann dem Anlagevermögen zuzuordnen sein, wenn er nur kurzfristig gemietet oder gepachtet wird (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11). Das setzt indessen voraus, dass der Steuerpflichtige derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt. Hingegen scheidet eine Zuordnung zum Anlagevermögen aus, wenn der Steuerpflichtige die angemieteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb hätte vorhalten müssen (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11) und sie deshalb nicht zu seinem Betriebskapital gehören würden (vgl. BFH-Urteil vom 30.03.1994, I R 123/93).

Da die Fiktion des Eigentums nicht weiter reichen darf, als es die Vorstellung eines das Miet- und Pachtverhältnis ersetzenden Eigentums gebietet, ist auch die Dauer des fiktiv angenommenen Eigentums nach Auffassung des BFH auf die tatsächliche Dauer des jeweiligen Miet- oder Pachtverhältnis zu begrenzen. Insoweit bedinge die Fiktion des Eigentums nicht die Annahme, dass die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum erworben sein können. Aus der Fiktion des Eigentums folge damit nicht zwangsläufig die Fiktion von Anlagevermögen. Vielmehr sei eine nur vorübergehende Eigentümerstellung gerade typisch für Fälle des Vorliegens von Umlaufvermögen.

Führt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Wirtschaftsgut im Falle der (fiktiven) Eigentümerstellung des Steuerpflichtigen nicht dem Anlagevermögen zuzuordnen wäre, ergibt sich daraus nach Ansicht des BFH zugleich, dass das Wirtschaftsgut zum Umlaufvermögen gehören würde. Dabei könne die Annahme von Umlaufvermögen nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil angemietete Wirtschaftsgüter wegen der Rückgabepflicht nie tatsächlich zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt sein können.

Übertragung auf den Fall des Reiseveranstalters

Unter Zugrundlegung dieser Grundsätze kann nach Ansicht des BFH im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass die überlassenen Wirtschaftsgüter Anlagevermögen der GmbH wären, wenn sie in deren Eigentum stünden. Es handele sich vielmehr um Umlaufvermögen. Insofern sei entscheidend, dass das Geschäftsmodell eines Reiseveranstalters wie der GmbH typischerweise keine langfristige Nutzung der von den Hoteliers überlassenen Wirtschaftsgüter erfordere. Vielmehr diene die nur zeitlich begrenzte Nutzung der Wirtschaftsgüter dem Bedürfnis des Reiseveranstalters, sich ständig dem Wandel unterliegenden Markterfordernissen (wie z.B. veränderte Kundenwünsche oder veränderte Verhältnisse am Zielort der Reise) anpassen zu können.

Betroffene Norm

§ 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG

Streitjahr 2008

Anmerkungen

Einordnung in die bisherige Rechtsprechung

Die Entscheidung des BFH im hier besprochenen Urteil vom 25.07.2019 (III R 22/16) steht im Einklang mit den im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Kriterien:

Für den Fall einer Messe-Durchführungsgesellschaft stellte der BFH bereits maßgebend darauf ab, dass es der Gegenstand des Unternehmens nicht gebot, das Wirtschaftsgut "Ausstellungsfläche" ständig für den Gebrauch im Betrieb vorzuhalten. Die betrieblichen Verhältnisse erforderten es vielmehr, dass Messeflächen nur in dem Umfang und in der Ausgestaltung angemietet wurden, in dem kundenseitiger Bedarf erkennbar wurde und die angemieteten Flächen wiederum den Kunden zur Nutzung angeboten werden konnten (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, siehe Deloitte Tax-News).

Für den Fall eines Konzertveranstalters ging der BFH demgegenüber davon aus, dass dieser für den Zweck Konzerte zu veranstalten auf die ständige Verfügbarkeit von Veranstaltungsimmobilien angewiesen war und die Immobilien damit gleichsam als eines der Produktionsmittel zur dauerhaften Herstellung einer Vielzahl von Produkten "Konzertveranstaltungen" dienten (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11, BFHE 256, S. 526, siehe Deloitte Tax-News). Hier bejahte der BFH daher die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der gezahlten Mieten für die Nutzung von Gebäuden zur Veranstaltung von Konzerten.

Für den Fall eines Ausstellers kommt das FG Niedersachsen in seinem Urteil vom 06.12.2018 (10 K 188/17, rechtskräftig) zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Kosten für die Anmietung von Messeflächen um Mietaufwendungen handelt, die gem. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind. Die angemietete Fläche gehöre zum fiktiven Anlagevermögen, da es der Gegenstand des Unternehmens gebot, ein derartiges Wirtschaftsgut immer wieder für den Gebrauch im Betrieb vorzuhalten. Anders als das FG Niedersachsen entschied das FG Düsseldorf in einem Urteil vom 29.01.2019 (10 K 2717/17 G, Zerl; BFH-anhängig III R 15/19), dass es sich bei dem Entgelt eines Ausstellers für die gelegentliche Anmietung von Messestandflächen nicht um Miet-/Pachtzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. d bzw. Buchst. e GewStG handelt. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in diesem Fall entscheiden wird.

Praxishinweis

Fälle der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d bzw. e GewStG sollten anhand der vom BFH immer weiter konkretisierten Grundsätzen zur Annahme von fiktivem Anlagevermögen überprüft werden. Bescheide, die eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Mietzinsen festsetzen, sollten ggf. offen gehalten und entsprechende Rechtsmittel geprüft werden.

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 04.02.2016, 9 K 1472/13 G, EFG 2016, S. 925 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16, lt. BMF Schreiben vom 24.01.2020 zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen 

Pressemitteilung Nr. 72 vom 07.11.2019 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11, BFHE 256, S. 526, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, BFHE 255, S. 280, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 04.06.2014, I R 70/12, BStBl II 2015, S. 289, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 30.03.1994, I R 123/93, BStBl II 1994, S. 810

BFH, Urteil vom 29.11.1972, I R 178/70, BStBl II 1973, S. 148

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2019, 10 K 2717 G, Zerl, BFH-anhängig: III R 15/19

Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 06.12.2018, 10 K 188/17
 

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