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30.08.2013
Unternehmensteuer

BFH: Gewinnermittlung bei Realteilung einer Mitunternehmerschaft ohne Spitzenausgleich

Bei einer Realteilung einer ihren Gewinn nach Einnahme-Überschussrechnung ermittelnden Mitunternehmerschaft ohne Spitzenausgleich besteht keine Verpflichtung, eine Realteilungsbilanz und Übergangsgewinnermittlung zu erstellen, wenn die Buchwerte fortgeführt werden und die Mitunternehmer ihre berufliche Tätigkeit in Einzelpraxen unter Aufrechterhaltung der Gewinnermittlung nach Einnahme-Überschussrechnung weiterbetreiben.

Sachverhalt

Die Kläger A und B betrieben im Streitjahr 2002 eine Steuerberatungs- und Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer GbR, die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelte. Im Juni 2002 kündigte B den Gesellschaftervertrag zum 31.12.2002. Zur Auseinandersetzung schlossen A und B eine Vereinbarung, in der u.a. bestimmt war, dass jeder von ihnen diejenigen Wirtschaftsgüter zu Alleineigentum bekommen sollte, die er zur betrieblichen Nutzung im Besitz gehabt hatte. Ferner regelten sie auch die Übernahme der Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Im Jahr 2003 betrieben A und B ihre berufliche Tätigkeit unter Fortführung der Buchwerte der jeweils übernommenen Wirtschaftsgüter in Einzelpraxen weiter. Die Gewinnermittlung erfolgt jeweils weiterhin durch Einnahme-Überschussrechnung. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die GbR zum 31.12.2002 durch Realteilung auseinandergesetzt worden sei. Zu diesem Stichtag sei der Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Der dagegen eingereichten Klage gab das FG statt.

Entscheidung

Zu Recht hat das FG eine Verpflichtung der GbR verneint, anlässlich der Realteilung ohne Spitzenausgleich eine Realteilungsbilanz zu erstellen und einen Übergangsgewinn zu ermitteln.

Unter Realteilung ist ertragsteuerlich die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern zu verstehen, bei der zumindest einer der bisherigen Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt. Als gewinnrealisierende Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs sowie eines gesamten Mitunternehmeranteils. Somit gilt auch die Realteilung als Veräußerung i.S.d. § 16 EStG. Eine Realteilung mit Spitzenausgleich liegt dann vor, wenn ein Mitunternehmer aus eigenen Mitteln einen Ausgleich an den anderen Mitunternehmer leistet, weil er etwa im Rahmen der Realteilung Wirtschaftsgüter übernommen hat, deren Verkehrswerte den Wert seines Anteils am Gesamthandsvermögen übersteigen. Im Streitfall erfolgte die Realteilung ohne Spitzenausgleich, da lediglich positive und negative Wirtschaftsgüter aufgeteilt wurden.

Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 S. 2 EStG). Bei Ermittlung des Gewinns durch Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) muss bei einer Betriebsveräußerung nach § 16 Abs. 1 und 2 EStG zu einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) übergegangen werden (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.1961). § 16 Abs. 2 S. 2 EStG findet jedoch bei Realteilungen einer Mitunternehmerschaft ohne Spitzenausgleich und unter Buchwertfortführung keine Anwendung. Denn die Rechtsfolge der Buchwertfortführung ist für diesen Fall in § 16 Abs. 3 S. 2 EStG abschließend geregelt. Somit ergibt sich im Streitfall entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht aus § 16 Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 16 Abs. 3 S. 1 und 2, § 18 Abs. 3 S. 2 EStG die Pflicht zur Erstellung einer Realteilungsbilanz.

Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen, insbesondere nicht aus dem Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit. Eine solche Verpflichtung ist nur dann gerechtfertigt, wenn dies zur Ermittlung eines Aufgabengewinns/-gewinnanteils oder zur zutreffenden Erfassung des laufenden Gewinns nach dem Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) erforderlich wäre. Die Ermittlung des Aufgabengewinns entfällt jedoch bei einer Realteilung ohne Spitzenausgleich unter Buchwertfortführung auf Grund der fehlenden Gewinnrealisierung. Der Grundsatz der Gesamtgleichheit fordert, dass die Gewinnermittlung nach Einnahme-Überschussrechnung zum gleichen laufenden Gesamtgewinn führt wie bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich. Dem wird bei einheitlicher Betrachtung von realgeteilter Mitunternehmerschaft und fortgeführten Einzelpraxen schon dadurch genügt, dass die Mitunternehmer in ihren Einzelpraxen weiterhin den Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung ermitteln.

Eine Verpflichtung zur Erstellung einer Realteilungsbilanz nebst Übergangsgewinnermittelung kann sich auch nicht aus praktischen Erwägungen des Finanzamts ergeben, die in dem Umfang des Betriebsvermögens und der Sicherstellung der Besteuerung zu sehen sind. Es ist Aufgabe der Finanzbehörden, entsprechende Aufzeichnungen bei den Beteiligten anzufordern.

Betroffene Norm  
§ 16 Abs. 2 S. 2, § 16 Abs. Abs. 3 S. 2, § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 3 EStG
Streitjahr 2002

Vorinstanz
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.05.2011, 1 K 1146/10, EFG 2012, S. 1619

Fundstelle
BFH, Urteil vom 11.04.2013, III R 32/12

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 23.11.1961, IV 98/60 S, BStBl III 1962, S. 199

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