BFH: Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen
Bei Planungsleistungen eines Ingenieurs/Architekten ist der Gewinn bereits dann realisiert, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 HOAI entstanden ist. Die Abnahme oder Stellung einer Schlussrechnung ist in diesem Fall keine Voraussetzung für die Gewinnrealisierung.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine KG, betrieb ein Ingenieurbüro für Bautechnik und ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG. Sie passivierte "erhaltene Anzahlungen" als Verbindlichkeiten, da sie davon ausging, dass insoweit eine Gewinnrealisierung noch nicht eingetreten war. Das Finanzamt hingegen nahm wegen bereits erbrachter Planungsleistungen des Ingenieurs eine Erhöhung des Gesamthandsgewinns vor. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage teilweise statt, in dem es nur insoweit von einer Gewinnrealisierung ausging, als die Planungsleistungen abgenommen worden waren.
Entscheidung
Entgegen der Auffassung des FG sei der festgestellte Gewinn zum Abschlussstichtag bereits in voller Höhe realisiert worden.
Dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. HGB) folgend, seien Gewinne nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert seien. Bei Lieferungen und anderen Leistungen werde Gewinn realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die vom ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen „wirtschaftlich erfüllt“ habe und ihm die Forderung auf die Gegenleistung (die Zahlung) – von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen – so gut wie sicher sei.
Eine Dienst- oder Werkleistung sei „wirtschaftlich erfüllt“, wenn sie – abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen – erbracht worden sei. Zwar bedürfe es bei Werkverträgen i.S. des § 631 BGB grundsätzlich der Übergabe und der Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB), um die Gewinnrealisierung herbeizuführen. Dies könne uneingeschränkt jedoch nur dann gelten, wenn die Wirkung der Abnahme für das Entstehen des Entgeltanspruchs des Unternehmens nicht durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werde.
Nach § 8 Abs. 2 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) habe der Werkunternehmer in angemessenen zeitlichen Abständen für bereits nachgewiesene Leistungen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Erforderlich hierfür sei lediglich, dass der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung abnahmefähig erbracht und eine prüfbare Rechnung wie bei der Schlussrechnung vorgelegt habe.
Da weder die Abnahme der Planungsleistung noch die Stellung einer Honorarschlussrechnung für die Entstehung des Honoraranspruchs nach § 8 Abs. 2 HOAI von Bedeutung seien, sei mit der auftragsgemäßen Erbringung der Planungsleistung die Abschlagszahlung bereits verdient und dem Leistenden damit auch „so gut wie sicher“. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI seien daher nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.
Anmerkung
BMF zu Gewinnrealisierung von Abschlagszahlungen
Mit Schreiben vom 29.06.2015 erweiterte das BMF die Anwendung des BFH-Urteils auf andere Branchen und alle Abschlagszahlungen für Werkleistungen nach § 632a BGB. Das BMF ist nun zurück gerudert und hebt das BMF-Schreiben vom 29.06.2015 wieder auf. Nach dem neuen BMF-Schreiben vom 15.03.2016 wird die Anwendung des BFH-Urteils vom 14.05.2014 auf Abschlagszahlungen nach § 8 Absatz 2 HOAI a. F. (gilt für Leistungen, die bis zum 17.08.2009 vertraglich vereinbart wurden) begrenzt. Keine Anwendung findet das Urteil damit auf Abschlagszahlungen gemäß § 15 der 2013 modifizierten HOAI und nach § 632a BGB (siehe Deloitte Tax-News).
Betroffene Normen
§ 4 Abs. 1 EStG, § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. HGB, § 8 Abs. 2 HOAI
Streitjahr 2000
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.04.2011, 13 K 3413/07 F, EFG 2012, S. 816
Fundstelle
BFH, Urteil vom 14.05.2014, VIII R 25/11
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 15.03.2016, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 29.06.2015