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08.10.2010
Unternehmensteuer

BFH: Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen bei Überentnahmen in Vorjahren

Eine Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen aufgrund von Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a EStG) ist auch dann vorzunehmen, wenn im Veranlagungszeitraum keine Überentnahme vorliegt, sich aber ein Saldo aufgrund von Überentnahmen aus den Vorjahren ergibt. Weder diese Einschränkung des Schuldzinsenabzugs noch die gesetzliche Typisierung der nicht abziehbaren Schuldzinsen sind verfassungsrechtlich bedenklich.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Hinzurechnung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG. Das Kapitalkonto des Klägers war zum 31.12.1998 negativ. In den Veranlagungszeiträumen 1999 bis 2001 erwirtschaftete der Kläger Gewinne und tätigte Einlagen sowie Entnahmen. In 1999 und 2000 waren Überentnahmen zu berücksichtigen, für das Streitjahr 2001 lag eine Unterentnahme vor. Das Finanzamt ermittelte für 2001 einen Hinzurechnungsbetrag und erhöhte die Einkünfte des Klägers entsprechend. Der Kläger machte geltend, dass die Voraussetzungen der Hinzurechnung nicht erfüllt seien, weil er im Streitjahr keine Überentnahme getätigt habe. Im Übrigen sei die Vorschrift verfassungswidrig und enthalte eine unzulässige Typisierung.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht einen Hinzurechnungsbetrag aufgrund von Überentnahmen ermittelt (§ 4 Abs. 4a EStG). Schuldzinsen sind nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist definiert als der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6% der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen der vorangegangenen Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4.000 DM (jetzt: 2.050 EUR) verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen. Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.

Der Begriff der Überentnahme ist nicht auf das Wirtschaftsjahr bezogen. § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG spricht in der Mehrzahl von "Überentnahmen", enthält aber keine zeitliche Zuordnung der Überentnahmen zu bestimmten Wirtschaftsjahren. Die Regelung ist periodenübergreifend angelegt. Schuldzinsen sollen für Überentnahmen so lange nicht abziehbar bleiben, bis der Überhang an Überentnahmen durch Gewinne und Einlagen wieder ausgeglichen ist. Diese periodenübergreifende Regelung greift auch dann ein, wenn im Streitjahr selbst keine Überentnahmen gegeben sind; allerdings sind dann auch Unterentnahmen des Streitjahres zu berücksichtigen. Diese Auslegung wird durch den aus der Entstehungsgeschichte ableitbaren Gesetzeszweck bestätigt. Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Abs. 4a EStG Gestaltungen in Form sog. Zwei- und Mehrkontenmodelle entgegenwirken. Der Betriebsinhaber soll, wenn das Eigenkapital negativ ist, dem Betrieb nicht mehr Mittel entziehen, als erwirtschaftet und eingelegt wurden. Maßgeblich für die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen soll daher der jährlich fortzuschreibende Saldo aller Über- und Unterentnahmen sein.

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG. Die jetzige Gesetzesfassung verzichtet aus Praktikabilitätsgründen auf eine liquiditätsbezogene Betrachtung und knüpft an den jeweiligen Bestand des vorhandenen Eigenkapitals an, der grundsätzlich steuerunschädlich entnommen werden darf. Diese Anknüpfung ist sachgerecht, weil das Eigenkapital die im Betrieb erwirtschafteten Mittel abbildet, die für eine Entnahme zur Verfügung stehen.

Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Typisierung der nicht abziehbaren Schuldzinsen mit 6% der Überentnahmen, da der vom Gesetzgeber gewählte Zinssatz nicht überhöht ist und die Typisierung in erster Linie einem Vereinfachungszweck dient.

Betroffene Norm

§ 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
Streitjahr 2001

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2006, 11 K 5373/04 E, EFG 2007, S. 572

Fundstelle

BFH-Urteil vom 17.08.2010, VIII R 42/07, BStBl II 2010, S. 1041

Weitere Fundstellen

BMF-Schreiben vom 17.11.2005, IV B 2 -S 2144- 50/05, BStBl I 2005, S. 1019
Kommentar Manfred Günkel "Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG können sich über mehrere Jahre auswirken", BB 2010, S. 2626

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