BFH: Keine erweiterte Kürzung bei Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft
Eine grundstücksverwaltende Gesellschaft, die nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, kann die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen, wenn sie an einer grundstücksverwaltenden, gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist. Der Grundbesitz der gewerblich geprägten Personengesellschaft ist den hinter ihr stehenden Gesellschaftern nicht anteilig als eigener zuzurechnen. Diese Entscheidung ist abzugrenzen von dem vom GrS des BFH mit Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16, bereits entschiedenen Fall der Beteiligung einer gewerblich geprägten Gesellschaft an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft.
Sachverhalt
Eine grundstücksverwaltende GmbH & Co. KG, also nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegende Gesellschaft, war an gewerblich geprägten, grundstücksverwaltenden Personengesellschaften beteiligt. Die GmbH & Co. KG beanspruchte für die Streitjahre 1999 bis 2003 die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer für die Verwaltung eigenen Grundbesitzes nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Finanzamt und FG lehnten die erweiterte GewSt-Kürzung ab.
Entscheidung
Dem ist der BFH gefolgt.
Gesetzliche Grundlage zur erweiterten Kürzung bei der Gewerbesteuer
Nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz (…) verwalten und nutzen (…), an Stelle der Kürzung nach Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung) entfällt.
Beteiligung an einer nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft (vom GrS mit Beschluss vom 25.09.2018 bereits entschiedener Fall)
Nach der Bruchteilsbetrachtung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO sind Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zuzurechnen, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Eine solche getrennte Zurechnung ist bei einer Beteiligung an einer rein vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft für die Besteuerung erforderlich. Denn die Gesellschafter einer solchen Personengesellschaft sind steuerrechtlich jeweils eigenständig zu behandeln. Daher ist auch eine getrennte Zurechnung der anteiligen Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft, die ihren Gesellschaftern zur gesamten Hand zustehen und aus denen sie ihren jeweiligen Vermietungsertrag erzielen, Grundlage der Besteuerung.
Im Ergebnis liegt nach Maßgabe der Bruchteilsbetrachtung jedenfalls im Umfang des Anteils am Gesellschaftsvermögen ein eigenes Wirtschaftsgut vor, im Fall der Beteiligung an einer rein vermögensverwaltenden Personengesellschaft also regelmäßig eigener Grundbesitz. Allein dadurch, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft Gesellschafterin einer rein vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist, entfaltet sie auch noch keine Tätigkeit, die über dieses ausschließliche "Verwalten und Nutzen" eigenen Grundbesitzes i.S. des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG hinausgeht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verwaltung und Mitwirkungsrechte der Gesellschafterin ihren Miteigentumsanteilen entsprechen (vgl. BFH-Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16).
Beteiligung an einer gewerblich geprägten, grundstücksverwaltenden Personengesellschaft
Die Beteiligung eines grundstücksverwaltenden, dem Grunde nach gewerbesteuerpflichtigen Unternehmens an einer gewerblich geprägten, grundstücksverwaltenden Personengesellschaft stellt hingegen keine Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes dar und verstößt nach ständiger Rechtsprechung gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Wirtschaftsgüter, die bürgerlich-rechtlich oder wirtschaftlich Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft sind, gehören einkommensteuerrechtlich grundsätzlich zu deren Betriebsvermögen und nicht – auch nicht anteilig – zum Betriebsvermögen eines an einer solchen Gesellschaft betrieblich Beteiligten. Insoweit wird § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO durch § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 1 EStG verdrängt. Dies gilt auch für gewerblich geprägte Personengesellschaften, da sie – obwohl nicht gewerblich tätig – nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gelten (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21.07.2016, IV R 26/14).
Bezogen auf den Grundbesitz im Gesamthandsvermögen einer solchen Gesellschaft verwalten und nutzen deren Gesellschafter auch nicht anteilig eigenen Grundbesitz. Dementsprechend kann das "Halten einer Beteiligung" in einem solchen Fall nicht im "Verwalten und Nutzen eigenen Grundbesitzes“ i.S. des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bestehen. Vielmehr übt der Gesellschafter insoweit eine Tätigkeit aus, die, da sie nicht im Katalog der für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung prinzipiell unschädlichen Tätigkeiten enthalten ist, zur Versagung der erweiterten Kürzung führt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19.10.2010, I R 67/09).
Keine Auswirkungen der Beschränkung des Beteiligungsunternehmens auf eine grundstücksverwaltende Tätigkeit
Handelt es sich bei dem Beteiligungsunternehmen um eine gewerblich geprägte, grundstücksverwaltende Personengesellschaft, die nur vermögensverwaltend tätig ist und deshalb allein wegen ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, so kann zwar sie die erweiterte Kürzung nach Auffassung des BFH in Anspruch nehmen. Die Beschränkung des Beteiligungsunternehmens (Untergesellschaft) auf eine grundstücksverwaltende Tätigkeit wirke sich aber nicht auf ein an ihr beteiligtes Unternehmen (Obergesellschaft) aus. Ob gesellschaftsrechtlich verbundene, gewerbesteuerpflichtige Unternehmen die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung erfüllen, ist für jedes der Unternehmen einzeln zu prüfen und zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 22.01.1992, I R 61/90).
Zudem rechtfertige es der Normzweck der Verwaltungsvereinfachung, dass nicht weiter zu prüfen ist, welchen Tätigkeiten das Beteiligungsunternehmen seinerseits nachgeht und ob es allein wegen seiner Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 19.07.2018, IV R 39/10: zu der vergleichbaren Frage, ob das Beteiligungsunternehmen im Rahmen des § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG die Verhältnisse des an ihm beteiligten Unternehmens zu prüfen hat).
Betroffene Norm
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Streitjahre 1999-2003
Anmerkungen
Abgrenzung zu dem vom GrS des BFH mit Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16, bereits entschiedenen Fall
Das Halten einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten, grundstücksverwaltenden Personengesellschaft ist keine Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Insoweit unterscheidet sich dieser im hier besprochenen Urteil vorliegende Fall von dem Fall der Beteiligung an einer nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft, der Gegenstand des Beschlusses des GrS des BFH vom 25.09.2018, GrS 2/16, war und für den der GrS des BFH die erweiterte Gewerbesteuer-Kürzung zugelassen hat.
Vorinstanz
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.05.2016, 1 K 51/15, EFG 2016, S. 1899
Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.06.2019, IV R 44/16, lt. BMF Schreiben vom 24.01.2020 zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen; BVerfG-anhängig: 1 BvR 2331/19
Inhaltsgleich:
BFH, Urteil vom 27.06.2019, IV R 45/16, nicht zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen; BVerfG-anhängig: 1 BvR 2332/19
Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16, BStBl II 2019, S. 262, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 19.07.2018, IV R 39/10, BStBl II 2019, S. 77, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 21.07.2016, IV R 26/14, BStBl II 2017, S. 202, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 19.10.2010, I R 67/09, BStBl II 2011, S. 367, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.01.1992, I R 61/90, BStBl II 1992, S. 628