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30.01.2025
Unternehmensteuer

BFH: Keine erweiterte Kürzung bei Veräußerung des gesamten Grundbesitzes im Laufe des Erhebungszeitraums

Einer grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaft ist die sog. erweiterte Grundstückskürzung zu verwehren, wenn sie das letzte oder einzige Grundstück im Laufe des Erhebungszeitraums veräußert, da sie dann nicht mehr ausschließlich grundstücksverwaltend tätig ist. Dies gilt mangels Geringfügigkeitserleichterung bei dem Ausschließlichkeitskriterium auch dann, wenn das letzte Grundstück während des letzten Tages des Jahres (am 31.12.) übertragen wird. Eine „technisch bedingte“ Ausnahme wird nur bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr (Mitternachtsgeschäft), zugelassen.

BFH, Urteil vom 17.10.2024, III R 1/23

Sachverhalt

Gegenstand des Unternehmens einer GmbH war der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Grundbesitz. Im Jahr 2016 hatte die GmbH das Eigentum an einem Grundstück, welches sie mit Kaufvertrag vom 07.11.2016 an die Stadt Y veräußerte, wobei Besitz, Nutzen und Lasten „ab Beginn des 31.12.2016“ auf den Käufer übergehen sollten. Nach dieser Veräußerung verfügte die GmbH über keinen weiteren Grundbesitz mehr.

Neben dem Grundstück hatte die GmbH Kapitalvermögen in Form von Guthaben auf zwei Bankkonten, welche dem laufenden Geschäft und zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Mietern dienten. Aus den Guthaben wurden keine Zinserträge generiert.

Für den Erhebungszeitraum 2016 beantragte die GmbH die erweiterte Grundstückskürzung im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, die das Finanzamt ablehnte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Entscheidung

Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass der GmbH die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nicht zu gewähren ist. 

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der sog. einfachen Kürzung (vgl. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).

Ausschließlichkeitskriterium

Die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes stattfindet, nicht aber, wenn sie vor Beginn oder nach dem Ende einer begünstigten Grundstücksverwaltung die alleinige Tätigkeit darstellt (vgl. BFH-Beschluss vom 27.10.2021, III R 7/19).
Der Begriff der Ausschließlichkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 26.02.2014, I R 6/13).

Zeitlicher Aspekt

In zeitlicher Hinsicht muss der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums der begünstigten Tätigkeit nachgehen, so der BFH. Die erweiterte Kürzung kann nicht zeitanteilig gewährt werden (BFH-Urteil vom 27.10.2021, III R 7/19). Wird nur während eines Teils des Erhebungszeitraums eine nicht begünstigte Tätigkeit ausgeübt, entfallen für den gesamten Erhebungszeitraum die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung (BFH-Urteil vom 18.12.2019, III R 36/17).

Veräußerung vor Ablauf des Erhebungszeitraums ist kürzungsschädlich

Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 26.02.2014, I R 6/13).

„Technisch bedingte“ Ausnahme

Eine "technisch bedingte" Ausnahme wird bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr, zugelassen (vgl. BFH-Urteil vom 11.08.2004, I R 89/03).

Keine Ausnahme wegen Geringfügigkeit

Ausnahmen von dem Ausschließlichkeitserfordernis wegen Geringfügigkeit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind nach der BFH-Rechtsprechung nicht geboten (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 26.02.2014, I R 6/13).

Ergebnis im Streitfall

Nach diesen Maßstäben ist der GmbH die erweiterte Kürzung nicht zu gewähren. Sie hat in zeitlicher Hinsicht nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt. Die GmbH hat ihr einziges Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert, denn nach den Vereinbarungen des Kaufvertrags gingen Besitz, Nutzen und Lasten bereits zu Beginn des 31.12.2016 auf Y über. Damit ist die GmbH an einem Tag des Erhebungszeitraums (31.12.2016) nicht der begünstigten Tätigkeit (Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes) nachgegangen. Eine sogenannte technische Ausnahme (Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr) liegt nicht vor.

Der GmbH steht aber gemäß § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die einfache Kürzung zu.

Betroffene Norm

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

Streitjahr 2016

Anmerkung

Zweck der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung

Der Zweck der sog. erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) besteht darin, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer zum Zwecke der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur private Vermögensverwaltung betreiben.

Keine Relevanz der Einkünfteerzielung bei nachlaufender Tätigkeit

Das FG hatte die Auffassung vertreten, dass eine (nachlaufende) Tätigkeit außerhalb der Grundstücksnutzung/Grundstücksverwaltung für die erweiterte Kürzung nur dann schädlich ist, wenn es sich um eine für die Einkünfteerzielung relevante Tätigkeit handelt. Das bloße Innehaben unverzinslicher Forderungen und deren Einziehung sah es nicht als eine schädliche Tätigkeit an. Der BFH hat nun auch das bloße Innehaben von ertraglosen Forderungen (wie im Streitfall) genügen lassen, um die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zu versagen.

Praxishinweis

Das Urteil macht sehr deutlich klar, dass bei einer Gesellschaft, die die erweiterte Grundstückskürzung grundsätzlich in Anspruch nehmen kann, und die den einzigen oder letzten Grundbesitz zum Jahresende veräußert, der genaue Zeitpunkt der Übertragung exakt festgelegt werden sollte. Nur bei einem sogenannten Mitternachtsgeschäft, d.h. einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr, wird das Ausschließlichkeitserfordernis der erweiterten Grundstückskürzung hinsichtlich der zeitlichen Komponente erfüllt.

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, 27.10.2022, ,10 K 3572/18 G, EFG 2023, S. 407, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 17.10.2024, III R 1/23

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 11.08.2004, I R 89/03, BFHE 207, 40, BStBl. II 2004, 1080

BFH, Urteil vom 26.02.2014, I R 6/13, BFH/NV 2014, S. 1400, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 18.12.2019, III R 36/17, BStBl. II 2020, S. 405

BFH, Urteil vom 27.10.2021, III R 7/19, BFH/NV 2022, S. 242

Ihr Ansprechpartner

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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