BFH: Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von aktivierten Miet- und Pachtzinsen
Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnen, soweit sie als Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zu aktivieren sind. Für unterjährig aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgüter ist es ausreichend, dass die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das aktivierungspflichtige Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte (entgegen Finanzverwaltung).
Sachverhalt
Streitig ist, ob Miet- und Pachtzinsen anteilig gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG dem Gewinn hinzuzurechnen sind, soweit sie zu Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens gehören, die vor dem Bilanzstichtag ("unterjährig") aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind.
Eine Baugesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, mietete im Jahr 2008 regelmäßig Zubehör für Baustelleneinrichtungen (Betonpumpen, Systemschalungen, Bauzäune etc.) an. Die GmbH rechnete die in den Mieten/Pachten enthaltenen Finanzierungsentgelte ihrem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht hinzu. Finanzamt und FG waren hingegen der Auffassung, dass die Miet- und Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG dem Gewinn hinzuzurechnen seien, soweit sie aufgrund von unterjährig abgeschlossenen Bauvorhaben nicht in der Bilanz 2008 als Herstellungskosten für teilfertige Arbeiten aktiviert wurden.
Entscheidung
Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass es sich bei den angefallenen Aufwendungen für die Anmietung von Zubehör zu Baustelleneinrichtungen nicht um nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnende Mietzinsen handelt. Dies gelte unabhängig davon, ob das betreffende Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens unterjährig aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden oder zum Bilanzstichtag noch aktiviert ist.
Gewinnabsetzung als notwendige Voraussetzung der Hinzurechnung
Nach dem Einleitungssatz des § 8 GewStG sind die in § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG genannten Miet- und Pachtzinsen nur hinzuzurechnen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
Verlust des Mietzinscharakters bei Umqualifizierung in Herstellungskosten
Die für die Anmietung des Zubehörs zu Baustelleneinrichtungen angefallenen Mietzinsen sind nach Auffassung des BFH nicht i.S. des Einleitungssatzes des § 8 GewStG bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden, soweit sie als Baustelleneinzelkosten zu den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens gehören. Die getätigten Aufwendungen verlieren mit der Umqualifizierung in Herstellungskosten ihren ursprünglichen Mietzinscharakter, so der BFH.
Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen setze die Qualifizierung als Betriebsausgabe i.S. des § 4 Abs. 4 EStG und damit eine Gewinnminderung voraus (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1997, IV R 92/96). Eine solche Gewinnminderung liege nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht.
Übertragung der Rechtsprechung zu Bauzeitzinsen
Auch aus der Übertragung der BFH-Rechtsprechung zu Bauzeitzinsen (vgl. BFH-Urteile vom 10.03.1993, I R 59/92 und vom 30.04.2003, I R 19/02) folge, dass Miet- und Pachtzinsen vom Hinzurechnungstatbestand nicht mehr erfasst werden, soweit sie in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeflossen sind. Denn soweit sie nur noch über die Berücksichtigung der Herstellungskosten gewinnwirksam würden, handele es sich weder begrifflich noch wirtschaftlich um Gewinnminderungen durch Miet- und Pachtzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG.
Dabei hängt die Umqualifizierung nach Ansicht des BFH nicht davon ab, ob es sich um Herstellungskosten von Anlagevermögen oder von Umlaufvermögen handelt. Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens erkennt deshalb im Prinzip auch die Finanzverwaltung an.
Keine Hinzurechnung bei unterjährigem Ausscheiden von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens
Eine Hinzurechnung erfolgt demgemäß nach Auffassung des BFH auch dann nicht, wenn keine Aktivierung der hergestellten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag stattgefunden hat, weil das Erzeugnis bereits während des Erhebungszeitraums fertiggestellt wurde und aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Das sieht die Finanzverwaltung anders, die das Unterbleiben einer Hinzurechnung von einer Aktivierung der Herstellungskosten des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag abhängig machen will (vgl. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 02.07.2012, Rz. 2).
Nach Ansicht des BFH kommt es hingegen allein auf die Umqualifizierung der Mietzinsen in Herstellungskosten und nicht auf die Speicherung der Mietzinsen am Bilanzstichtag und deren Verschiebung in eine andere Periode an. Entsprechend den Ausführungen im BFH-Urteil vom 30.04.2003 (I R 19/02) sei daher maßgeblich, inwieweit die jeweiligen Aufwendungen den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff erfüllen.
Ergebnis
Der BFH gelangt daher zu dem Ergebnis, dass alle für die Anmietung des Zubehörs zu Baustelleneinrichtungen gezahlten Miet- und Pachtzinsen, die als Baustelleneinzelkosten im Rahmen von Herstellungskosten zu aktivieren sind, nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG unterliegen, unabhängig davon, ob die Baumaßnahme unterjährig abgeschlossen oder zum Bilanzstichtag noch nicht abgeschlossen wurde.
Betroffene Normen
§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG
Streitjahr 2008
Vorinstanz
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.03.2018, 1 K 243/15 , EFG 2018, S. 1284
Fundstelle
BFH, Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 30.04.2003, I R 19/02, BStBl II 2004, S. 192
BFH, Urteil vom 11.12.1997, IV R 92/96, BFH/NV 1998, S. 1222
BFH, Urteil vom 10.03.1993, I R 59/92, BFH/NV 1993, S. 561
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 02.07.2012, BStBl I 2012, S. 654