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23.11.2012
Unternehmensteuer

BFH: Keine Verfassungszweifel an der Gewerbesteuer

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG 2002 n.F.) verfassungsmäßig sind.

Sachverhalt
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH, die ausschließlich in von fremden Dritten gepachteten Gebäuden ein Hotel betreibt. Sie wandte im Streitjahr 2009 Schuldentgelte, Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche, im fremden Eigentum stehende Wirtschaftsgüter, und Lizenzgebühren auf. Diese Aufwendungen führten bei der Ermittlung des Gewerbeertrages zu Hinzurechnungen zum Gewinn (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG 2002 n.F). Die Antragstellerin hält das für verfassungswidrig und sieht sich darin durch das entsprechende Normenkontrollersuchen des FG Hamburg an das BVerfG durch Vorlagebeschluss vom 29.02.2012 bestätigt. Den gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Gewerbesteuermessbescheids 2009 lehnte das Finanzamt ebenso ab wie das anschließend angerufene FG Köln.

Entscheidung
Das FG hat die beantragte AdV im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Es fehlt bereits an den für die AdV-Gewährung erforderlichen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids.

Der BFH hält es nach der einschlägigen Spruchpraxis des BVerfG für sicher, dass die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsregelungen keine für die Gewährung der AdV hinreichend qualifizierten verfassungsrechtlichen Bedenken aufwerfen. Das BVerfG musste sich schon wiederholt mit der Gültigkeit der Gewerbesteuer als solcher ebenso wie mit der Hinzurechnung sog. Dauerschuldentgelte (§ 8 Nr. 1 GewStG a.F., der Vorgängervorschrift zu § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG 2002 n.F.) befassen. Es hat in jenen Verfahren stets bekundet, dass weder das eine - die Gewerbesteuer als solche - noch das andere - die Hinzurechnung der Dauerschuldentgelte - gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstoßen (vgl. z.B. Beschluss vom 15.01.2008). Das FG Hamburg (Urteil vom 29.02.2012, Zusammenfassung Deloitte Tax-News) hat die vom BVerfG bereits verworfenen Verfassungsverstöße abermals überprüft und ist sodann vor dem Hintergrund der (auch schon vom BVerfG gewürdigten) Entwicklung der Gewerbesteuer - aus Sicht des FG - fort von einer sog. Objekt- und hin zu einer weiteren "normalen" Ertragsteuer und vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich neuformulierten Hinzurechnungsregelungen in § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG 2002 n.F. zu einer Neubewertung der verfassungsrechtlichen Einschätzung und zugleich zu der Überzeugung gelangt, dass die besagten Hinzurechnungsregelungen nunmehr den Anforderungen, die an die Grundsätze einer gleichheitsgerechten Besteuerung zu stellen sind, nicht mehr genügten.

Der BFH schließt sich dem auf der Grundlage der verfestigten Spruchpraxis des BVerfG nicht an. Er folgt vielmehr dem, was das BVerfG nach Analyse insbesondere der historischen Entwicklung der Gewerbesteuer in seinem Beschluss vom 15.01.2008 zum Ausdruck gebracht hat: "Die Gewerbesteuer ist ... in ihrer Grundstruktur als vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer ...verfassungsrechtlich gerechtfertigt." Das BVerfG hat also erklärtermaßen in Würdigung der strukturellen Ertragsorientierung der Gewerbesteuer erkannt. Diese Orientierung mag sich im Laufe der Zeit verstetigt haben. Dass sich dadurch jedoch der Charakter der Gewerbesteuer als einer Steuer, die aufgrund einer gegenüber den "reinen" Ertragsteuern verobjektivierten Bemessungsgrundlage errechnet wird, hin zu einer ebenfalls "reinen" Ertragsteuer (fort-)entwickelt hätte, ist nicht erkennbar und lässt sich auch dem Vorlagebeschluss des FG Hamburg nicht entnehmen.

Es ist nicht zu erkennen, dass und inwiefern die prinzipielle "Belastungsentscheidung" des Gesetzgebers des Gewerbesteuergesetzes zugunsten einer "ertragsorientierten Objektsteuer" durch die Hinzurechnungsvorschriften in ihrer nunmehrigen Fassung des § 8 Nr. 1 GewStG 2002 n.F. eine veränderte Ausgangslage erfahren hätte. Vielmehr ist durch die erstmals erfassten Fallgruppen der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter sowie der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten in § 8 Nr. 1 Buchst. e und f GewStG 2002 n.F. die Entscheidung für eine "verobjektivierte" Bemessungsgrundlage sogar verbreitert und ausgebaut worden.
Das gilt im Kern auch für die im Rahmen der Hinzurechnungsvorgaben gesetzlich festgelegten Typisierungen. Diese betrugen ursprünglich 100 v.H. und sind zwischenzeitlich im Zuge verschiedener Gesetzesänderungen für die einzelnen Hinzurechnungstatbestände auf die Hälfte, ein Viertel oder ein Fünftel der hinzuzurechnenden Beträge abgesenkt und damit deutlich verringert worden. Wenn dadurch der Kritik an den substanzorientierten, ertragsunabhängigen Elementen der Gewerbebesteuerung Rechnung getragen worden ist, gibt es in Anbetracht der nach wie vor verfassungskonformen gewerbesteuerrechtlichen Grundentscheidung keine Veranlassung, die abgesenkten Hinzurechnungsbeträge als einen Eingriff in die gleichheitsgerechte Besteuerung und in den Schutz des Eigentums zu beurteilen. Die Hinzurechnung ist dadurch nicht zur "Ausnahme von der Regel" geworden und der Gesetzgeber ist angesichts der nach wie vor "durchgehaltenen" Grundentscheidung einer ertragsorientierten Objektsteuer auch nicht gehalten, die typisierten Hinzurechnungsquoten, beispielsweise nach Maßgabe eines bestimmten Refinanzierungssatzes, zu "dynamisieren", um eine Hinzurechnung nur zu einem "marktüblichen Zinsanteil" zu gewährleisten.

Es bestätigt sich damit für den BFH das offensichtliche Fehlen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Hinzurechnungsvorschriften. Denn nur neue, bisher unerörtert gebliebene Gesichtspunkte dazu, dass die Gewerbesteuer ihren Realsteuercharakter verloren hätte und deswegen keine zulässige Steuer mehr darstellt, rechtfertigen die abermalige Beschäftigung des BVerfG mit einer von diesem bereits vielfach erkannten Beurteilung der Verfassungsrechtslage. Der BFH geht deswegen bei summarischer Prüfung davon aus, dass das Normenkontrollersuchen des FG Hamburg erfolglos bleiben wird.

Betroffene Norm
§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 und des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22.12.2009 - GewStG 2002 n.F.-
Streitjahr 2009

Anmerkungen 
BVerfG vom 15.02.2016
Mit Beschluss vom 15.02.2016 (1 BvL 8/12, siehe Deloitte Tax-News) hat das BVerfG die Vorlage des FG Hamburg vom 29.02.2012 zur möglichen Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Entgelten für Schulden sowie Miet- und Pachtzinsen als unzulässig abgewiesen.
 

BFH-Urteil vom 18.08.2015
Mit Urteil vom 18.08.2015, I R 43/14 hat der BFH den hier dargestellten Beschluss vom 16.10.2012, bestätigt und erneut bekräftigt, dass er nicht von der Verfassungswidrigkeit der gesetzlich gebotenen Hinzurechnung der Grundstücksmieten und -pachten überzeugt sei.

Vorinstanz
Finanzgericht Köln, Beschluss vom 04.07.2012, 13 V 1292/12, EFG 2012, S. 960
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 16.10.2012, I B 128/12
Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss nicht angenommen: BFH, Beschluss vom 06.05.2013, 1 BvR 821/13, NVwZ 2013, S. 935

Weitere Fundstellen
BVerfG, Beschluss vom 15.02.2016, 1 BvL 8/12, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 18.08.2015, I R 43/14, BFH/NV 2016, S. 232
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29.02.2012, 1 K 138/10, BVerfG 1 BvL 8/12, siehe Deloitte Tax-News
BVerfG, Beschluss vom 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BGBl I 2008, S. 1006

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