BFH: Keine vGA bei Tantiemen an Minderheitsaktionär
Vergütungsvereinbarungen zwischen einer AG und einem Vorstandsmitglied, der zugleich Minderheitsaktionär ist, sind steuerrechtlich regelmäßig anzuerkennen. Nur ausnahmsweise kommt der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Betracht, wenn im Einzelfall klare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Aufsichtsrat der AG bei der Vergütungsvereinbarung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds orientiert hat.
BFH, Urteil vom 24.10.2024, I R 36/22
Sachverhalt

Der Vorstand K, der zu 1/3 an der AG (Klägerin) beteiligt war, bekam gemäß Anstellungsvertrag eine Gewinntantieme, deren Höhe abhängig vom Jahresgewinn vor Abzug der Kosten des Vorstands war, mindestens bekam K jedoch einen Fixbetrag (von 50.000 Euro in 12 gleichen Monatsbeträgen). Zusätzlich erhielt K eine Umsatztantieme i.H. v. 1% aus dem jeweiligen Verkaufsumsatz aus Immobilienverkäufen.
Nach dem Finanzamt war bei der Berechnung der Gewinntantiemen der im Vorjahr erzielte Verlust zu berücksichtigen. Folglich sei ein Teilbetrag der Gewinntantiemen als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu qualifizieren. Darüber hinaus stellten aus Sicht des Finanzamts die Umsatzprovisionen - nach Abzug des Fixums - in voller Höhe verdeckte Gewinnausschüttungen dar. Auch das FG schloss sich dieser Auffassung an.
Entscheidung
- Entgegen der Auffassung des FG kommt der BFH zu dem Schluss, dass die zur Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH ergangene Rechtsprechung nicht auf den Streitfall (Vergütungsvereinbarung eines Minderheitsaktionärs einer AG) übertragen werden kann, ohne die Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH zu berücksichtigen.
- Nur ausnahmsweise kommt der Ansatz einer vGA bei einer Vergütungsvereinbarung zwischen einer AG und einem Vorstandsmitglied in Betracht, wenn die Umstände des Einzelfalles eindeutig darauf schließen lassen, dass sich der Aufsichtsrat bei der Vergütungsvereinbarung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet hat.
Gesetzliche Grundlagen
Unter einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG (für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 S. 1 GewStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht.
Strukturelle Unterschiede in den Entscheidungsstrukturen zwischen einer AG und einer GmbH
Der BFH hebt hervor, dass die Rechtsregeln, die im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Behandlung von Vereinbarungen mit Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH entwickelt wurden, nicht uneingeschränkt auf den Bereich der AG übertragen werden können. Dem stehen die strukturellen Unterschiede in den Entscheidungsstrukturen zwischen einer AG und einer GmbH entgegen. Denn die AG werde bei Rechtsgeschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern von ihrem Aufsichtsrat vertreten, wodurch eine Wahrung der Interessen der Gesellschaft eher gewährleistet sei, als bei Verträgen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter.
Dennoch könne im Einzelfall auch bei einer AG eine vGA vorliegen, wenn eine vertragliche Gestaltung im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Vorstandsmitglied, das zugleich Mehrheitsaktionär ist, nicht auf einen gerechten Ausgleich der Interessen von der Gesellschaft einerseits und dem Vorstandsmitglied andererseits ausgerichtet ist.
Keine Beherrschungssituation im Fall eines Minderheitsaktionärs
Weiter stellt der BFH klar, dass im Fall eines Vorstandsmitglieds, der lediglich Minderheitsaktionär ist und folglich nicht über die für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder erforderliche Mehrheit in der Hauptversammlung verfügt, keine Beherrschungssituation gegeben ist.
Folglich genüge eine Vereinbarung mit dem zum Vorstand bestimmten Minderheitsaktionär dem materiellen Fremdvergleich nur dann nicht, wenn die Umstände des Einzelfalles eindeutig ergeben, dass sich der Aufsichtsrat einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet habe (vgl. zu Beherrschungssituationen: BFH-Urteil vom 18.12.2002, I R 93/01).
Der BFH führt weiter aus, dass eine einseitige Ausrichtung an Interessen des Vorstandsmitglieds bei einem Aufsichtsrat, der mit Personen besetzt ist, die dem Vorstand nicht nahestehen, nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Denn wirtschaftlich betrachtet stehen sich in einer solchen Konstellation Personen gegenüber, die sich fremd sind und die typischerweise unterschiedliche Interessen verfolgen.
Zurückverweisung an das FG
Der BFH weist die Sache an das FG zurück. Das FG habe im zweiten Rechtsgang die Durchführung des Fremdvergleichs, insbesondere ob der Aufsichtsrat sich einseitig an den Interessen des Minderheitsaktionärs orientiert hat, erneut zu beurteilen.
Betroffene Norm
§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG
Streitjahre 2012-2016
Anmerkung
Einordnung in die Rechtsprechung
Der BFH hatte im Fall einer GmbH entschieden, dass die an einen Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Umsatztantieme im Regelfall eine vGA ist, wenn in der Tantiemevereinbarung eine zeitliche und höhenmäßige Begrenzung der Tantieme fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 19.02.1999, I R 105-107/97 sowie BFH-Beschluss vom 12.10.2010, I B 70/10). Dies gilt nach dem BFH auch, wenn der durch die Umsatztantieme begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer Minderheitsgesellschafter ist.
Weiter hatte der BFH ebenfalls in einer GmbH-Struktur entschieden, dass die Vereinbarung und Bemessung von Gewinntantiemen die Nichtberücksichtigung erwirtschafteter Verluste regelmäßig als fremdunübliches Verhalten angesehen wird (vgl. BFH-Urteil vom 18.09.2007, I R 73/06 und BFH-Beschluss vom 04.05.2011, I B 93/10).
Der BFH stellt in seiner aktuellen Entscheidung klar, dass im Fall einer AG diese Grundsätze nicht 1:1 übertragen werden können, da die AG bei Rechtsgeschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern von ihrem Aufsichtsrat vertreten wird, wodurch eine Wahrung der Interessen der Gesellschaft eher gewährleistet ist als bei Verträgen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter.
Vorinstanz
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 19.07.2022, 1 K 1489/20, siehe auch Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 24.10.2024, I R 36/22
BFH, Pressemitteilung vom 13.03.2025, Nr. 012/25
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 19.02.1999, I R 105-107/97, BStBl. II 1999, S. 321
BFH, Beschluss vom 12.10.2010, I B 70/10, BFH/NV 2011, S. 301-302
BFH, Urteil vom 18.09.2007, I R 73/06, BStBl. II 2008, S. 314
BFH, Beschluss vom 04.05.2011, I B 93/10, BFH/NV 2011, S. 1920-1921
