Zurück zur Übersicht
12.12.2024
Unternehmensteuer

BFH: Keine vGA wegen bloß tatsächlicher Nutzungsmöglichkeit einer Immobilie

Die bloß tatsächliche Möglichkeit des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft, ein betriebliches Wirtschaftsgut der Kapitalgesellschaft (hier: Wohnimmobilie) auch privat nutzen zu können, führt für sich genommen beim Gesellschafter noch nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.

BFH, Urteil vom 01.10.2024, VIII R 4/21

Sachverhalt

Die Kläger (Eheleute) waren in den Streitjahren (2010-2012) Alleingesellschafter von zwei spanischen Kapitalgesellschaften. Zum Vermögen dieser Gesellschaften gehörte eine Immobilie auf Mallorca, die bis zum Umzug der Eheleute nach Deutschland im Jahr 2007 deren Hauptwohnsitz war. Nach ihrem Umzug nach Deutschland stellten die Eheleute die Mietzahlungen ein. Gelegentlich (ca. 2 Mal pro Quartal) fanden wohl Besuche von wenigen Tagen Dauer statt, die laut den Eheleuten dazu gedient hätten, die zum Verkauf stehende Immobilie für Besichtigungen vorzubereiten und den Zustand zu überwachen. Im Jahr 2013 wurde die Immobilie tatsächlich veräußert.

Das Finanzamt sah in der jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit dieser Immobilie durch die Eheleute eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) der spanischen Kapitalgesellschaften an die Eheleute in Höhe der marktüblichen Miete. Auch das FG nahm eine vGA in der veranlagten Höhe an.

Entscheidung

Der BFH widerspricht dem FG und stellt fest, dass allein die tatsächliche Möglichkeit, die im Eigentum der spanischen Kapitalgesellschaften stehende Immobilie jederzeit auch privat nutzen zu können, für die Annahme einer vGA nicht ausreicht.

Gesetzliche Grundlage

Eine vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG liegt beim Gesellschafter vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 14.02.2022 VIII R 29/18).

Bloß tatsächliche Nutzungsmöglichkeit nicht ausreichend

Der BFH ist – entgegen dem FG – der Auffassung, dass die bloß tatsächliche Möglichkeit, auf ein betriebliches Wirtschaftsgut der Kapitalgesellschaft zugreifen zu können, um dieses auch privat zu nutzen, für sich genommen beim Gesellschafter noch nicht zu einer vGA führt (vgl. beispielsweise zur privaten Nutzung eines Betriebs-Personenkraftwagens ohne entsprechende Gestattung: vgl. BFH-Urteil vom 17.07.2008, I R 83/07). Andernfalls müssten Kapitalgesellschaften vorsorglich Nutzungsverbote gegenüber ihren Gesellschaftern aussprechen, um eine vGA zu vermeiden. Einem Nutzungsverbot eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegen sich selbst käme allerdings nur ein geringer Beweiswert zu. In letzter Konsequenz müsste ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ein Nutzungsentgelt an die Gesellschaft entrichten, um die Annahme einer vGA abzuwenden, obwohl eine private Nutzung tatsächlich nicht stattfindet, so der BFH.

Unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines betrieblichen Wirtschaftsguts zur privaten Nutzung

Der BFH führt weiter aus, dass eine vGA vorliegen kann, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein betriebliches Wirtschaftsgut (unentgeltlich oder verbilligt) auch zur privaten Nutzung überlassen hat (Zuwendung). Dann liege der Vorteil des Gesellschafters bereits in der Möglichkeit der privaten Nutzung; einer tatsächlichen Nutzung bedürfe es nicht. In diesem Zusammenhang nimmt der BFH Bezug auf das BFH-Urteil vom 12.06.2013 (I R 109-111/10, siehe Deloitte Tax-News). In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte eine spanische S.L. ihren in Deutschland ansässigen Gesellschaftern eine in Spanien belegene (Ferien-)Immobilie ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlassen. Die Gesellschafter bewohnten die Immobilie bei verschiedenen Aufenthalten. Ein Entgelt mussten sie dafür nicht entrichten. Dritten wurde das Objekt nicht überlassen. Die Kapitalgesellschaft verzichtete dadurch gegenüber ihren Gesellschaftern auf eine Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte für die dauerhafte Überlassung der Immobilie zur Nutzung. Dies führte bei den Gesellschaftern zu entsprechenden Kapitaleinkünften.

Zusammenfassend folgert der BFH, dass eine vGA auch vorliegen kann, wenn der Gesellschafter das betriebliche Wirtschaftsgut ohne Nutzungsvereinbarung oder entgegen einem Nutzungsverbot privat nutzt und sich so zulasten der Gesellschaft einen Vorteil verschafft, der ihm von der Gesellschaft nicht zugewendet worden ist. Der Vorteil des Gesellschafters liege dann in der tatsächlichen privaten Nutzung, für die ein (angemessenes) Entgelt nicht entrichtet worden sei. Dem entspreche auf Ebene der Kapitalgesellschaft eine verhinderte Vermögensmehrung in Gestalt der für die tatsächliche Nutzung entstandenen Ansprüche gegen den Gesellschafter. In einem solchen Fall müsse die Nutzung zu privaten Zwecken festgestellt werden.

Anwendung auf den Streitfall

Auf der Grundlage der bisher vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann der BFH nicht abschließend beurteilen, ob eine vGA vorliegt und wie sie gegebenenfalls zu bewerten wäre.

Denn das FG sei der Auffassung gewesen, dass es nicht darauf ankomme, ob die Eheleute die Immobilie der spanischen Kapitalgesellschaften in den Streitjahren auch zu privaten Zwecken genutzt haben, weil sie jederzeit die Möglichkeit dazu gehabt hätten und dass dies für die Annahme einer vGA genüge.

Hingegen, ist nach dem BFH für die Annahme einer vGA maßgeblich, ob es belastbare tatsächliche Anhaltspunkte gibt, dass gerade die im Eigentum der spanischen Kapitalgesellschaften stehenden Teile der Immobilie von den Eheleuten in den Streitjahren anlässlich der kurzen Aufenthalte (tatsächlich) auch zu privaten Zwecken genutzt worden sind. Nach dem BFH gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein Gesellschafter einer Eigentümer-Kapitalgesellschaft, der eine Immobilie zum Zwecke des Verkaufs aufsucht, diese auch privat nutzt.

Folglich werde das FG im zweiten Rechtsgang die noch fehlenden Feststellungen zur Art und Beschaffenheit der Immobilie, zum zeitlichen Umfang der Aufenthalte der Kläger in der Immobilie und den jeweiligen Anlässen für diese Aufenthalte nachholen. Entsprechende Feststellungen wären möglicherweise auch für die Bewertung einer vGA gemäß § 8 Abs. 2 EStG erforderlich, so der BFH.

Betroffene Norm

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG

Streitjahre 2010 - 2012

Vorinstanz

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 14.12.2020, 9 K 1266/17

Fundstelle

BFH, Urteil vom 01.10.2024, VIII R 4/21

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 14.02.2022, VIII R 29/18, BStBl. II 2022, S. 544, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 17.07.2008, I R 83/07, BFH/NV 2009, 417

BFH, Urteil vom 12.06.2013, I R 109-111/10, BStBl. II 2013, S. 1024 siehe Deloitte Tax News

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.