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23.11.2012
Unternehmensteuer

BFH: Kurzfristige Einlage zur Umgehung der Begrenzung des Schulzinsenabzugs als Gestaltungsmissbrauch

Die kurzfristige Einlage von Geld i.S.v. § 4 Abs. 4a S. 2 EStG stellt einen Gestaltungsmissbrauch dar, wenn sie allein dazu dient, die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs zu umgehen. Das gilt unabhängig von der Gewinnermittlungsart des Steuerpflichtigen. Der Steueranspruch entsteht dann so, wie er entstanden wäre, wenn die Einlage unterblieben wäre.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein selbständiger Arzt, der seine Einkünfte in den Streitjahren 2001 bis 2003 gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Für die Anschaffung eines Grundstücks sowie den Bau eines Einfamilienhauses im Jahr 2001 verwendete der Kläger Betriebseinnahmen aus seiner ärztlichen Praxis, was dazu führte, dass der Betrieb vermehrt Darlehen in Anspruch nehmen musste. Trotz hoher betrieblicher Schuldzinsen erklärte der Kläger fast keine Hinzurechnungen für nicht abziehbare Schuldzinsen.

Eine bei dem Kläger durchgeführte Außenprüfung führte zu der Feststellung, dass der Kläger dem betrieblichen Konto jeweils zum Jahresende Geldbeträge zugeführt und diese wenige Tage später wieder entnommen hatte. Das Geld für die Einzahlungen beschaffte der Kläger über kurzfristige Darlehen. 

Bei der Berechnung der Überentnahmen ließ der Prüfer diese Ein- und Auszahlungen unberücksichtigt, da ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliege. Daher ergaben sich höhere nicht abziehbare Schuldzinsen (§ 4 Abs. 4a EStG). Das Finanzamt setzte entsprechend für die Streitjahre eine höhere Einkommensteuer fest.

Entscheidung

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die kurzfristige Einzahlung von Geld auf ein betriebliches Konto einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellt, wenn sie allein dazu dient, die Hinzurechnung von nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen zu vermeiden.

§ 4 Abs. 4a EStG schränkt den Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben ein, wenn der Unternehmer mehr aus dem Betriebsvermögen entnommen hat, als dem Betrieb zuvor durch Einlagen und Gewinn zugeführt worden ist (sog. Überentnahmen). Einlagen sind gem. § 4 Abs. 1 S. 5 EStG alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat. Für die Auslegung im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG ist der Begriff der Einlage ebenso zu verstehen wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG. Besonderheiten, die sich aus der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG oder aus der Eigenart freiberuflicher Einkünfte ergeben können, sind außer Betracht zu lassen (entgegen FG München, Urteil vom 26.01.2007). Die streitigen Einzahlungen von Geld auf das betriebliche Konto erfüllen damit den Tatbestand der Einlage und wären grundsätzlich bei der Ermittlung der Überentnahme (§ 4 Abs. 4a EStG) zu berücksichtigen. 

Da die Einzahlungen jedoch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO darstellen, können sie nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 27.07.1999). Bei Anlegung dieser Maßstäbe erfüllen die streitigen Einzahlungen den Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO. Zum einen waren die Einlagen für den Betrieb wirtschaftlich ohne Bedeutung und sollten allein dazu dienen, den für die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen maßgeblichen Überentnahmesaldo zu vermindern und damit die persönliche Steuer zu mindern. Zum anderen könnte auf dem vom Kläger eingeschlagenen Weg der Zweck des § 4 Abs. 4a EStG, den Schuldzinsenabzug effektiv zu begrenzen, vollständig unterlaufen werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aufhebung von § 4 Abs. 4a S. 3 EStG a.F., wonach Entnahmen und Einlagen nicht zu berücksichtigen waren, die in den letzten drei Monaten des Wirtschaftsjahres getätigt wurden, soweit sie in der Summe in den nächsten drei Monaten des Folgejahres wieder rückgängig gemacht wurden. Diese spezielle Missbrauchsvorschrift hätte die Anwendung von § 42 AO allenfalls als lex specialis ausschließen können. Die Aufhebung der Vorschrift ist aber nicht so zu verstehen, dass zukünftig die von ihr erfassten Vorgänge nicht mehr als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten beurteilt werden sollen. Nach der Aufhebung spricht darüber hinaus auch § 42 Abs. 2 AO für die Anwendbarkeit der allgemeinen Missbrauchsvorschrift, denn § 42 Abs. 1 AO soll immer anwendbar sein, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen war (vgl. BFH-Urteil vom 20.03.2002).

Da im Streitfall ein Missbrauch vorliegt, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei angemessener rechtlicher Gestaltung, d.h. bei Unterlassung der streitigen Einlagen, entstanden wäre.

Betroffene Norm
§ 42 AO; § 4 Abs. 4a EStG
Streitjahre 2001 bis 2003

Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2009, 2 K 160/06, EFG 2009, S. 1354, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 21.08.2012, VIII R 32/09, BStBl II 2013, S. 16 

Weitere Fundstellen
Finanzgericht München, Urteil vom 26.01.2007, 7 K 3527/04, EFG 2007, S. 902
BFH, Urteil vom 27.07.1999, VIII R 36/98, BStBl II 1999, S. 769
BFH, Urteil vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl II 2003, S. 50

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