BFH: Mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten möglich
Für Zwecke der GewSt-Zerlegung können zur gleichen Zeit mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten bestehen. Ein fiktiver Unternehmerlohn (§ 31 Abs. 5 GewStG) ist auch dann anzusetzen, wenn es sich bei sämtlichen Gesellschaftern der Personengesellschaft um Kapitalgesellschaften handelt. Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift kommt es darauf an, in welcher Rechtsform ein Unternehmen betrieben wird und nicht darauf, wer es betreibt.
Sachverhalt
An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG waren ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt. Die B-GmbH war Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung und Geschäftsführerin der GmbH & Co. KG. Geschäftsführer der B-GmbH waren K, R und T, die ihre Tätigkeit am 06.11.1991 aufnahmen. Der Sitz der Klägerin befand sich zunächst in F und wurde zum 01.03.1992 nach N verlegt. Ab März 1992 bezogen T, K und R Geschäftsführergehälter von der B-GmbH. Dieser Aufwand wurde der B-GmbH von der Klägerin erstattet. In N war ab Mai 1992 lediglich eine Sachbearbeiterin mit geringfügigem Gehalt beschäftigt.
Streitig ist die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags für 1992 und der Ansatz eines fiktiven Unternehmerlohns nach § 31 Abs. 5 GewStG.
Entscheidung
Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung eines Unternehmens immer nur an einem Ort bestehen könne. Zutreffen habe das FG entschieden, dass ein fiktiver Arbeitslohn (sog. Unternehmerlohn) der Mitunternehmer der Klägerin gemäß § 31 Abs. 5 GewStG anzusetzen sei.
Für die Bestimmung des Begriffs der Betriebsstätte in § 28 Abs. 1 GewStG gilt die Definition in § 12 AO. Danach gehört die Stätte der Geschäftsleitung zu den Orten, die insbesondere als Betriebsstätte anzusehen sind. Gemäß § 10 AO ist die Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, die dort ist, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird.
Kommen mehrere Orte als Ort der Geschäftsleitung in Betracht, so sei grundsätzlich eine Gewichtung der Tätigkeiten an den verschiedenen Orten vorzunehmen. In seltenen Fällen – wie im Streitfall – sei eine Gewichtung allerdings nicht möglich mit der Folge, dass mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten bestehen. Dies sei der Fall, wenn mehrere Personen, die mit gleichwertigen Geschäftsführungsaufgaben betraut seien, diese nicht von einem gemeinsamen Ort, sondern von unterschiedlichen Orten aus wahrnähmen.
Bei der im Streitfall erforderlichen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags sei ein fiktiver Arbeitslohn (sog. Unternehmerlohn) für die im Betrieb der Klägerin tätigen Mitunternehmer gemäß § 31 Abs. 5 GewStG anzusetzen. § 31 Abs. 5 GewStG schreibt für Unternehmen, die nicht von einer juristischen Person betrieben werden, den Ansatz von jährlich 25.000 Euro (50.000 DM im Streitjahr 1992) als Arbeitslohn für die im Betrieb tätigen Unternehmer (Mitunternehmer) vor.
Der Ansatz des fiktiven Unternehmerlohns sei auch dann vorzunehmen, wenn das Unternehmen von einer Mitunternehmerschaft betrieben werde, deren Mitunternehmer – wie im Streitfall – juristische Personen seien. Das Ausschlusskriterium für den Ansatz des fiktiven Unternehmerlohns - das Vorliegen einer juristischen Person - beziehe sich auf die Rechtsnatur des Unternehmens, nicht auf die Rechtsnatur der daran beteiligten Unternehmer. Denn die an einer Mitunternehmerschaft beteiligte Kapitalgesellschaft erbringe als Mitunternehmerin Leistungen an die Mitunternehmerschaft, für die deshalb ein fiktiver Unternehmerlohn bei der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags anzusetzen sei.
Das Gehalt, das die B-GmbH ihren Geschäftsführern bezahle, sei deshalb nicht der Mitunternehmerschaft, sondern der B-GmbH zuzurechnen und dort ggf. für Zwecke der Zerlegung zu berücksichtigen. Die von der Klägerin der B-GmbH erstatteten Löhne seien der Klägerin auch nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zuzuordnen.
Betroffene Normen
§ 28 Abs. 1 GewStG, § 31 Abs. 5 GewStG, § 10 AO, § 12 AO
Streitjahr 1992
Vorinstanz
FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.06.2011, 1 K 73/06, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 05.11.2014, IV R 30/11