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05.10.2023
Unternehmensteuer

BFH: Mitunternehmerschaft und sachliche Gewerbesteuerpflicht für eine juristische Sekunde

Eine Mitunternehmerschaft kann auch für lediglich eine juristische Sekunde bestehen. So kann auch eine Personengesellschaft, die mit dem Ziel gegründet wurde, ein Wirtschaftsgut zu übernehmen und dieses durch Verkauf der Mitunternehmeranteile weiter zu übertragen, sachlich gewerbesteuerpflichtig sein.  

Sachverhalt

Streitig ist, ob eine Personengesellschaft, die mit dem Ziel gegründet wurde, ein Wirtschaftsgut zu übernehmen und dieses durch Verkauf der Mitunternehmeranteile weiter zu übertragen, einen Gewerbebetrieb unterhält.
Notleidende und leistungsgestörte Kredite sollten durch Ausgliederung zur Aufnahme von der X-AG in eine GmbH & Co. KG (hier: X-KG) übertragen werden und unmittelbar nach Wirksamwerden der Ausgliederung im Wege der Abtretung der Geschäftsanteile und Anwachsung auf einen Erwerber mit Bankerlaubnis (hier: W-GmbH) übergehen.

Für diese Zwecke gründete die X-AG die X-KG, deren alleinige Kommanditistin die X-AG war. Komplementärin der X-KG war die am Vermögen der X-KG nicht beteiligte X-GmbH, deren Anteile wiederum die X-AG zu 100% hielt. Anschließend übertrug die X-AG auf die X-KG das Segment der notleidenden Kredite im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme. Weiterhin verkaufte die X-AG ihre Anteile an der X-KG und an deren Komplementärin (X-GmbH) an die Y-Ltd. Die Anteile an der X-KG und der X-GmbH wurden an die W-GmbH abgetreten. Am Vollzugstag trat die X-GmbH aus der X-KG aus, was zur Anwachsung der X-KG auf die W-GmbH führte.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde bei der W-GmbH (als Rechtsnachfolgerin der X-KG) einen bisher nicht erfassten Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils für Zwecke der Gewerbesteuer erfasst. Im Gegensatz zum Finanzamt vertrat das FG die Auffassung, dass kein Veräußerungsgewinn zu erfassen sei, da die X-KG im Streitjahr keinen stehenden Gewerbebetrieb unterhalten und keine werbende Tätigkeit aufgenommen habe.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die X-KG eine vermögensverwaltende und damit werbende Tätigkeit aufgenommen hat. Die X-KG sei sachlich gewerbesteuerpflichtig geworden, auch wenn die Mitunternehmerschaft lediglich für eine juristische Sekunde bestand.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt ein stehender Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer. Auch die Tätigkeit einer im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zu einem stehenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG, obwohl diese Gesellschaft keine originär gewerblichen Einkünfte erzielt.

Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft

Bei dem Beginn der Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft sei auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.2003, IV R 5/02). Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Maßgeblich sei die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13).

Vermögensverwaltende Tätigkeit der X-KG

Nach dem BFH habe das FG, für die Frage, ob die X-KG eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat oder als gewerblich geprägte Personengesellschaft vermögensverwaltend tätig geworden ist, unzutreffende Grundsätze zugrunde gelegt, weil es nicht maßgeblich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der X-KG abgestellt hat, sondern im Wesentlichen auf die Absicht der an ihr beteiligten Gesellschafter. Zur Bestimmung des Unternehmensgegenstands der X-KG dürfe weder auf den zwischen der X-AG und der Y-Ltd. abgeschlossenen Rahmenvertrag noch auf die sich daraus ergebenden Absichten der an der X-KG beteiligten Gesellschaft abgestellt werden. Nach dem BFH ist der Unternehmensgegenstand der X-KG der Erwerb und das Halten eines Kreditportfolios und folglich keine originär gewerbliche, sondern eine vermögensverwaltende Tätigkeit. Die X-KG habe mit dieser werbenden Tätigkeit ab dem Zeitpunkt, ab dem die X-KG das wirtschaftliche und zivilrechtliche Eigentum an dem Kreditportfolio innehatte, begonnen.

Gewerbebetrieb für eine juristische Sekunde

Nach dem BFH steht der Annahme eines Gewerbebetriebs und damit einhergehend einer sachlichen Gewerbesteuerpflicht der X-KG nach § 2 Abs. 1 GewStG nicht entgegen, dass die X-KG ihre werbende Tätigkeit nur in einer juristischen Sekunde ausgeübt hat. Vielmehr könne eine Personengesellschaft sowohl Mitunternehmerschaft sein als auch als gewerblich geprägte Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb unterhalten, wenn sie nur für eine juristische Sekunde Inhaberin von zu verwaltendem Vermögen wird, bevor sie durch Ausscheiden ihres vorletzten Gesellschafters und Anwachsung des Vermögens bei dem verbleibenden Gesellschafter liquidationslos beendet wird. Der BFH beruft sich in seiner Begründung auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 22.06.2017, IV R 42/13). Für die Frage, ob jemand Mitunternehmerinitiative ausüben könne und Mitunternehmerrisiko trage, reiche die abstrakte, strukturelle Möglichkeit; auf die konkrete Möglichkeit, innerhalb der Zeit der Beteiligung als Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft Mitunternehmerrisiko zu tragen und Mitunternehmerinitiative ausüben zu können, komme es nicht an. Außerdem lasse § 2 GewStG nicht erkennen, dass ein Gewerbebetrieb voraussetzt, dass die gewerbliche Tätigkeit über eine bestimmte (Mindest-)Zeit ausgeübt wird.

Zurückverweisung an das FG

Die Sache sei jedoch an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da noch Feststellungen zur Bestimmung der Höhe des Veräußerungsgewinns und des sich daraus ergebenden Gewerbesteuermessbetrags getroffen werden müssen.

Betroffene Normen

§ 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG

Streitjahr: 2007

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 26.10.2018, 8 K 3142/15

Fundstelle

BFH, Urteil vom 15.06.2023, IV R 30/19, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen.

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 20.11.2003, IV R 5/02, BStBl. II 2004, S. 464

BFH, Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13, BStBl. II 2017, 489, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 22.06.2017, IV R 42/13

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