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03.03.2022
Unternehmensteuer

BFH: Näheverhältnis bei Darlehensgewährungen an eine Personengesellschaft

Sind Ehegatten mittelbar über eine von Ihnen errichtete Familienstiftung an einer GmbH & Co. KG beteiligt, so unterliegen Zinseinnahmen der Ehegatten aus einzeln gegenüber der KG gewährten fremdüblichen Darlehen der Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz, wenn die Ehegatten jeweils für sich nicht in der Lage sind, über ihre Einflussmöglichkeiten bei der Stiftung die Personengesellschaft zu beherrschen. Denn ein aus der Ehegatteneigenschaft abgeleitetes, persönliches Interesse reicht für sich genommen nicht aus, um ein Näheverhältnis zwischen Ehegatten zu begründen und deren Stimmrechte zusammenzurechnen.

Sachverhalt

Die Kläger waren Eheleute und zunächst jeweils zur Hälfte als Kommanditisten an der N-KG beteiligt. Komplementärin der N-KG mit der Befugnis zur Geschäftsführung, aber ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, war die N-GmbH, an der die Eheleute ebenfalls zunächst jeweils zur Hälfte beteiligt waren. Die Eheleute waren einzeln zur Vertretung und Geschäftsführung der N-GmbH befugt. Nicht zu den von der Geschäftsführungsbefugnis der N-GmbH umfassten Angelegenheiten gehörten u.a. die Aufnahme von Krediten. 

In 2014 übertrugen die Eheleute ihre Anteile an der N-KG und an der N-GmbH auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung. Vorstand der Stiftung waren die Eheleute zusammen mit einer von ihnen benannten Person. Für die Stiftung vertretungsberechtigt war der Vorsitzende des Vorstands bzw. sein Stellvertreter, jeweils gemeinsam mit einem weiteren Mitglied. Beschlussfassungen des Vorstands erfolgten mit einfacher Mehrheit.

Die Eheleute hatten der N-KG jeweils Darlehen gewährt. Die Darlehen wurden nach der Übertragung der Kommanditanteile auf die Stiftung von der N-KG weitergeführt. Das Finanzamt unterwarf die Zinseinkünfte der Eheleute dem tariflichen Einkommensteuersatz. Der dagegen gerichteten Klage gab das FG statt.

Entscheidung

Der BFH kommt übereinstimmend mit der Auffassung des FG zu der Entscheidung, dass die den Eheleuten zugeflossenen Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung mit dem gesonderten Steuersatz des § 32d Abs. 1 EStG (Abgeltungsteuersatz) unterliegen.

Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der Abgeltungsteuersatz u.a. nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahe stehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 S. 1 Hs. 2 EStG keine Anwendung findet.

Näheverhältnis i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

Der Begriff der nahe stehenden Person i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt nach Ansicht des BFH ein Näheverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im Sinne eines Beherrschungsverhältnisses voraus. Das Beherrschungsverhältnis müsse dabei so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2014, VIII R 31/11). Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes, persönliches Näheverhältnis genüge hingegen nicht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.04.2014, VIII R 44/13).

Beherrschung einer Personengesellschaft

Die Beherrschung einer Personengesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter setzt aus Sicht des BFH grundsätzlich voraus, dass dieser eine Beteiligung an der Personengesellschaft innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1990, VIII R 14/87). Die Beherrschung brauche dabei nicht auf einer unmittelbaren Beteiligung beruhen, sondern könne auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27.08.1992, IV R 13/91). In besonders gelagerten Ausnahmefällen könne der Gesellschafter trotz fehlender Stimmenmehrheit die Gesellschaft auch faktisch beherrschen.

Keine unmittelbare Beherrschung der N-KG

Bei Anwendung dieses Maßstabs ist nach Auffassung des BFH nicht von einem Beherrschungsverhältnis zwischen den Eheleuten als Darlehensgebern und der N-KG als Darlehensnehmerin auszugehen. Eine Beherrschung der N-KG aufgrund einer Gesellschafterstellung der Eheleute scheide bereits deswegen aus, weil die Eheleute im Zuflusszeitpunkt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 09.07.2019, X R 9/17) nicht mehr an der N-KG beteiligt waren.

Keine mittelbare Beherrschung der N-KG über die Stiftung

Aus Sicht des BFH lag auch keine mittelbare Beherrschung der Eheleute über die von ihnen errichtete Stiftung vor. Zwar habe die Stiftung als alleinige Kommanditistin einen beherrschenden Einfluss in der N-KG gehabt. Jedoch seien weder der Ehemann noch die Ehefrau jeweils für sich in der Lage gewesen, über ihre Einflussmöglichkeiten bei der Stiftung die N-KG mittelbar zu beherrschen. Denn aufgrund der Besetzung des Stiftungsvorstands mit drei Mitgliedern konnten weder der Ehemann noch die Ehefrau Mehrheitsbeschlüsse des Vorstands ohne die Mitwirkung eines anderen Vorstandsmitglieds herbeiführen. Auch dass den Eheleuten gemeinschaftlich die Stimmrechtsmehrheit im Stiftungsvorstand zustand, führe nicht zur Annahme einer (faktischen) beherrschenden Stellung. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH genügt ein aus der Ehegatteneigenschaft abgeleitetes, persönliches Interesse für sich genommen nicht, um ein Näheverhältnis zwischen Ehegatten zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 16.06.2020, VIII R 5/17).

Keine Beherrschung aufgrund der Geschäftsführung in der Komplementär-GmbH

Ferner führt laut BFH zudem die Stellung der Eheleute als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-GmbH als Komplementärin der N-KG nicht zur Beherrschung der N-KG durch die Eheleute. Eine Beherrschung sei bereits deshalb nicht anzunehmen, weil die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Darlehens durch die N-KG nicht zu den von der Geschäftsführungsbefugnis der N-GmbH umfassten Angelegenheiten gehöre. Dazu war laut Gesellschaftsvertrag die vorherige Zustimmung der Gesellschafter der N-KG erforderlich. Da die N-GmbH nicht am Gesellschaftsvermögen der N-KG beteiligt war und ihr daher in deren Gesellschafterversammlung keine Stimmrechte zustanden, sei eine Entscheidung über die Darlehensaufnahme daher im Ergebnis nicht gegen den Willen der Stiftung möglich gewesen.

Kein Näheverhältnis aufgrund eines wirtschaftlichen Interesses an der Erzielung der Einkünfte des jeweils anderen

Im zugrundeliegenden Streitfall bestand nach Auffassung des BFH auch kein Näheverhältnis aufgrund eines eigenen wirtschaftlichen Interesses der N-KG als Darlehensschuldnerin an der Einkünfteerzielung der Eheleute als Darlehensgeber oder umgekehrt. Für die Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses der Vertragsparteien an der Einkünfteerzielung des anderen reiche es nicht aus, dass der Darlehensgeber von der Besteuerung der Zinsen nach dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG profitiert und der Schuldner die gezahlten Vergütungen im tariflichen Bereich als Betriebsausgaben abziehen kann. Denn eine missbräuchliche Verlagerung von Einkünften auf die privilegiert besteuerte private Anlageebene könne bei (wie hier) fremdüblichen Darlehensbedingungen nicht eintreten (vgl. auch BFH-Urteil vom 16.06.2020, VIII R 5/17).

Betroffene Normen

§ 32d Abs. 1 EStG, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

Streitjahr 2016

Anmerkungen

Praxishinweis

Die o.g. Entscheidung zeigt wiederum, dass die (genaue) Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags (hier: der N-GmbH) relevant sein kann. Entscheidend war im Streitfall, dass nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungsbefugnis der N-GmbH nicht die Kreditaufnahme umfasste.

BFH-Urteil vom 03.11.2021, VIII R 8/18: Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Darlehensgewährung zwischen Personengesellschaften

Mit Urteil vom 03.11.2021 hat der BFH erneut zum Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG entschieden. Er bejaht ein solches Näheverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. (Hinweis: Das Urteil ist nicht im Volltext veröffentlicht)

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 28.02.2019, 3 K 2547/18 E, EFG 2019, S. 976 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28.09.2021, VIII R 12/19, BStBl. II 2022, S. 260

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 03.11.2021, VIII R 8/18 

BFH, Urteil vom 16.06.2020, VIII R 5/17, BStBl II 2020, S. 807, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 09.07.2019, X R 9/17, BStBl II 2021, S. 418

BFH, Urteil vom 14.05.2014, VIII R 31/11, BStBl II 2014, S. 995, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 44/13, BStBl II 2014, S. 992, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 27.08.1992, IV R 13/91, BStBl II 1993, S. 134

BFH, Urteil vom 11.12.1990, VIII R 14/87, BStBl II 1991, S. 510

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