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09.11.2023
Unternehmensteuer

BFH: Nichtberücksichtigung eines Übernahmeverlustes bei Verschmelzung

Die Regelung des § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG zur Nichtberücksichtigung eines Übernahmeverlustes bei Verschmelzung ist unabhängig davon anwendbar, ob die Anteile an der Kapitalgesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen gehalten werden. Ein für den Abzug des Übernahmeverlusts schädlicher Anteilserwerb innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag liegt auch dann vor, wenn der übernehmende Rechtsträger die Anteile tatsächlich erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft hat.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb am 14.06.2016 sämtliche Anteile an der B-GmbH. Sodann übertrug die B-GmbH mit Vertrag vom 29.06.2016 ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme auf das Einzelunternehmen des Klägers. Die Verschmelzung erfolgte rückwirkend auf den 01.01.2016 und mit steuerlicher Wirkung zum 31.12.2015. Die Wirtschaftsgüter sollten zu ihrem gemeinen Wert übergehen. In Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2015 erklärte der Kläger u.a. ein negatives Übernahmeergebnis gemäß § 4 UmwStG (Übernahmeverlust).

Finanzamt und FG waren der Auffassung, dass ein Übernahmeverlust gem. § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG nicht berücksichtigt werden könne, weil die Anteile an der übertragenden Körperschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben worden seien.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der Übernahmeverlust des Klägers nicht zu berücksichtigen ist und bestätigt damit die Entscheidung des Finanzamts und des FG.

Gesetzliche Grundlagen

Ergibt sich infolge des Vermögensübergangs bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine natürliche Person ein Übernahmeverlust, bleibt dieser gem. § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG vollständig außer Ansatz, wenn die Anteile an der übertragenden Körperschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben wurden.

Anwendungsbereich der Regelung des § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG

Zunächst kommt der BFH wie bereits das FG und die herrschende Meinung in der Literatur zu dem Schluss, dass sich § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG auf sämtliche Anteile bezieht, die an der Ermittlung des negativen Übernahmeergebnisses teilnehmen. Die Vorschrift ist danach unabhängig davon anwendbar, ob die Anteile im Privat- oder – wie im hier vorliegenden Sachverhalt – im Betriebsvermögen gehalten werden.

Nichtberücksichtigung eines Übernahmeverlustes

Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG fehlt es im Fall des Klägers zwar bei isolierter Betrachtung an einem Anteilserwerb innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag. Denn der Kläger erwarb die Anteile an der B-GmbH erst in 2016, während der steuerliche Übertragungsstichtag bereits der 31.12.2015 war. Chronologisch erfolgte der Anteilserwerb daher erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag, so dass der Wortlaut des § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG für sich betrachtet nicht erfüllt wäre.

Der BFH weist aber darauf hin, dass § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG im Zusammenhang mit § 5 UmwStG zu lesen sei. Gemäß § 5 Abs. 1 UmwStG ist der Gewinn des Anteilseigners (übernehmender Rechtsträger), wenn er die Anteile an der übertragenden Körperschaft erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft hat, so zu ermitteln, als hätte er die Anteile am steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft.

Ungeachtet des tatsächlichen Erwerbs in 2016 ist danach im Streitfall von einem fiktiven Anteilserwerb des Klägers am 31.12.2015 (dem steuerlichen Übertragungsstichtag) auszugehen. Hieraus allein folgt allerdings noch nicht zwingend, dass der Anteilserwerb "innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag" erfolgt ist. Es ließe sich nämlich auch die Auffassung vertreten, dass ein Erwerb der Anteile an der übertragenden Körperschaft vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag spätestens am Vortag dieses Tages (hier am 30.12.2015) erfolgt sein muss, mit anderen Worten nicht erst am steuerlichen Übertragungsstichtag selbst (hier am 31.12.2015) erfolgt sein kann.

Für die Einbeziehung des am steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgten Anteilserwerbs in den Fünfjahreszeitraum spricht jedoch die entsprechende Anwendung des bürgerlich-rechtlichen Fristenrechts, so der BFH. Danach ist der Tag, an dem das fristauslösende Geschehen stattfindet, in den Fristlauf einzubeziehen.

Keine teleologische Reduktion

Eine teleologische Reduktion kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Auslegung nach dem Wortlaut zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt (vgl. BFH-Urteile vom 22.10.2015, IV R 37/13, vom 13.12.2022, VIII R 23/20 und vom 09.03.2023, IV R 25/20). Diese Voraussetzung einer teleologischen Reduktion im Streitfall jedoch nicht erfüllt, da das durch den Gesetzgeber bewusst angeordnete "Außer-Ansatz-Bleiben" des Übernahmeverlusts kein sinnwidriges, sondern ein dem Zweck des Gesetzes entsprechendes Ergebnis bewirke. 

Betroffene Normen

​§ 4 Abs. 6 S. 6 UmwStG

Streitjahr ​2015 

Anmerkungen

Der BFH hat sich in dem hier besprochenen Urteil erstmalig zu der Frage zu geäußert, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG auch bei einem Anteilserwerb im kalendarischen Zeitraum zwischen dem steuerlichem Übertragungszeitpunkt und dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages gegeben sind und dies bejaht. Damit hat er sich der in der Literatur auch bislang schon überwiegend vertretenen Auffassung angeschlossen.

Praxishinweis

Insgesamt dürfte das BFH-Urteil in der Praxis für ein höheres Maß an Rechtssicherheit in Verschmelzungskonstellationen mit Übernahmeverlusten führen. So klärt der BFH die für die steuerliche Gestaltungspraxis wichtige Frage, dass durch eine rückwirkende Verschmelzung im Falle eines prognostizierten Verschmelzungsverlustes die Missbrauchsvermeidungsnorm des § 4 Abs. 6 S. 6 Alt. 2 UmwStG nicht umgangen werden kann.​

Vorinstanz

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 28.05.2020, 1 K 148/18, EFG 2020, S. 1888, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 17.08.2023, III R 37/20 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.10.2015, IV R 37/13, BFHE 252, S. 68, BStBl. II 2016, S. 919, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 13.12.2022, VIII R 23/20, BFHE 279, S. 132, BStBl. II 2023, S. 480

BFH, Urteil vom 09.03.2023, IV R 25/20, BFHE 279, S. 545, BStBl. II 2023, S. 836

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