Zurück zur Übersicht
26.11.2010
Unternehmensteuer

BFH: Rückwirkende Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft - Fußstapfentheorie

Die Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung mit nachfolgender erstmaliger Begründung einer Organschaft ist mit steuerlicher Rückwirkung möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt. Aufgrund der sog. Fußstapfentheorie tritt die übernehmende Körperschaft in die Position der übertragenden Körperschaft.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte ist eine GmbH. Ihre Alleingesellschafterin (A-KG) brachte die Beteiligung an der Klägerin durch "Übertragungs- und Anteilsabtretungsvertrag" vom 29.08.2005 (dem Streitjahr) mit steuerlicher Rückwirkung zum 31.12.2004 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 zum Buchwert in eine andere Tochtergesellschaft, die (seinerzeitige) B-GmbH, ein. Zugleich schlossen die B-GmbH und die Klägerin einen Ergebnisabführungsvertrag, der „rückwirkend“ für die Zeit vom 01.01.2005 gelten sollte. Das Finanzamt erkannte die körperschaftsteuer- und gewerbesteuerrechtliche Organschaft nicht an, da die erforderliche finanzielle Eingliederung fehle. Die Klage war erfolgreich, das Finanzamt ging in die Revision.

Entscheidung

Die Klägerin ist im Streitjahr in die B-GmbH finanziell nicht erst ab dem 29.08.2005, sondern "vom Beginn des Wirtschaftsjahres" an eingegliedert gewesen.

Die Finanzverwaltung verneint die ununterbrochene Eingliederung "vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs“ an, weil es sich bei der gebotenen finanziellen Eingliederung um ein tatsächliches Merkmal handele, das einer fiktiven Rückbeziehung nicht zugänglich sei. Die rückwirkende Begründung eines Organschaftsverhältnisses sei deswegen nicht zulässig. Das Schrifttum ist demgegenüber einhellig anderer Auffassung: Die finanzielle Eingliederung sei rechtlicher, nicht tatsächlicher Natur und könne deshalb auch auf den fiktiven Übertragungsstichtag rückbezogen werden. Der Senat lässt im Ergebnis dahinstehen, welche Auffassung er für richtig hält. Er gibt der Klägerin schon aus anderen Gründen Recht.

Im Falle der Kapitaleinbringung tritt die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein (§ 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995). Das gilt für jegliche Gewinnermittlungsvorschriften und damit auch für die körperschaftsteuerlichen Organschaftsvoraussetzungen. Die Ausgliederung einer Mehrheitsbeteiligung mit nachfolgender erstmaliger Begründung einer Organschaft ist möglich, wenn seit dem Beginn des Wirtschaftsjahres eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht und dieses Erfordernis bis zum Ende des Wirtschaftsjahres aufrechterhalten bleibt. Sind diese Voraussetzungen bei der übertragenden Körperschaft (A-KG) erfüllt, setzt sich dies für die übernehmende Körperschaft (B-GmbH als nunmehriger Organträgerin) fort. Das betrifft auch und gerade die im Streitfall in Rede stehende Anteilseinbringung, ohne dass es auf die Frage danach, ob die einzelnen Organschaftsvoraussetzungen - hier diejenige der finanziellen Eingliederung - bei isolierter Betrachtung einer Rückwirkung zugänglich sind, noch ankäme. Insbesondere bedarf es keiner Begründung eines Organschaftsverhältnisses zur übertragenden Gesellschaft. Die Rechtsnachfolge der übernehmenden Körperschaft in die Position der übertragenden Körperschaft ist vielmehr eine umfassende (sog. Fußstapfentheorie).

Dass die Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 7 und 8 UmwStG 1995 beim Anteilstausch seit der Novellierung des Umwandlungssteuergesetzes durch das SEStEG (Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12.2006) gänzlich ausgeschlossen ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Es handelt sich hierbei um eine konstitutive Neuregelung, die im Streitjahr noch nicht galt.

Betroffene Norm

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG 2002
§ 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.11.2009, 3 K 157/06, EFG 2010, S. 820

Fundstelle

 BFH, Urteil vom 28.07.2010, I R 111/09, nicht veröffentlicht

Weitere Fundstellen

Finanzgericht Köln, Urteil vom 10.06.2010, 13 K 416/10; siehe ausführlicher in den Deloitte Tax-News

Englische Zusammenfassung

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.