BFH: Schachtelbeteiligung wegen wirtschaftlich einheitlichem Erwerb
Die zur Anwendung der Steuerbefreiung von Dividenden erforderliche Schachtelbeteiligung in Höhe von 10% des Grund- oder Stammkapitals kann auch durch unterjährige Erwerbsvorgänge von jeweils unterhalb der genannten Beteiligungsschwelle liegenden Anteilserwerben von mehreren Veräußerern erreicht werden. Voraussetzung ist, dass die Beteiligungsschwelle von dem Erwerber in Summe überschritten wird und aus Sicht des Erwerbers ein wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vorliegt.
Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, war zu Beginn des streitigen Veranlagungszeitraums nicht an der GmbH beteiligt. Unterjährig erwarb sie mit notariellem Vertrag zwei Geschäftsanteile zu je 3,27% und einen Geschäftsanteil von 3,46% an der GmbH von drei unterschiedlichen Personen. Mit notariellem Vertrag vom gleichen Tag erwarb sie im Streitjahr von diesen drei Personen zusätzlich drei weitere Geschäftsanteile an der GmbH i.H.v. jeweils 25%, so dass die Klägerin zu 85% an der GmbH beteiligt war. Anschließend nahm die GmbH eine Gewinnausschüttung vor.
Strittig war, ob die 10 %-ige Beteiligungsschwelle, die zur Anwendung der Steuerbefreiung von Dividenden nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG führt, auch durch mehrere unterjährige Erwerbsvorgänge erreicht werden kann, die zusammen, nicht jedoch jeweils für sich die 10%-Grenze erreichen. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Erwerb der Geschäftsanteile zu 2 x 3,27% und 1 x 3,46%, jeweils einzeln betrachtet, die 10%-Grenze des § 8b Abs. 4 KStG nicht erreichen würde, so dass 10/85 der Gewinnausschüttung als körperschaftsteuerpflichtig zu behandeln seien. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt.
Entscheidung
Der BFH folgt der Auffassung des FG und kommt zu dem Ergebnis, dass die Gewinnausschüttung bei der Klägerin nicht nur teilweise, sondern vollständig steuerfrei zu stellen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Nach § 8b Abs. 4 S. 1 KStG sind nach dem körperschafsteuerlichem Schachtelprivileg Gewinnanteile (Dividenden) abweichend von § 8b Abs. 1 S. 1 KStG als steuerpflichtig zu behandeln, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals betragen hat (sog. Streubesitzdividenden). Nach § 8b Abs. 4 S. 6 KStG gilt der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 Prozent als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt.
Wirtschaftlicher einheitlicher Erwerbsvorgang auch bei mehreren Veräußerern
Das FG sei im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Erwerb der GmbH-Geschäftsanteile durch die Klägerin von jeweils weniger als 10 % dem Tatbestand des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG unterfällt, weil sich bereits dieser Erwerb aus Sicht der erwerbenden Klägerin wirtschaftlich als einheitlicher Erwerbsvorgang von 10 % der Geschäftsanteile darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 06.09.2023, I R 16/21). Es kommt nach Ansicht des BFH demnach darauf an, ob durch den Erwerb der Beteiligung von mindestens 10 % ein unternehmerischer Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann oder nicht. Das hänge aber allein von dem Umfang der erworbenen Beteiligung ab. Deshalb müsse es ausreichen, wenn die maßgebliche Beteiligung von mindestens 10 % aus Erwerbersicht in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang aufgrund eines einheitlichen Erwerbsentschlusses in kausalem und zeitlichem Zusammenhang erworben wird.
Ergebnis im Streitfall
Im zugrundeliegenden Streitfall sei der Erwerb der maßgeblichen Beteiligung von mehreren Veräußerern aufgrund eines einheitlichen Entschlusses durch einheitliches schuldrechtliches Rechtsgeschäft in einer einheitlichen Urkunde zu einem einheitlichen Erwerbszeitpunkt erfolgt, weshalb sich laut BFH auf einen wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang schließen lässt.
Hinzu käme, dass die GmbH in aufeinander folgenden notariellen Urkunden von denselben Veräußerern zunächst 10 % und sodann im Wege des Anteilstausches weitere Geschäftsanteile von je 25 % erworben hat, weshalb mit Blick auf die unmittelbar aufeinander folgenden notariellen Urkunden die Erwerbe in zeitlichem Zusammenhang standen und somit auch insoweit von einem einheitlichen Erwerbsentschluss auszugehen sei.
Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Kürzung sind nicht erfüllt
Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags seien die von der GmbH an die Klägerin ausgeschütteten Dividenden nach § 8 Nr. 5 GewStG für gewerbesteuerliche Zwecke hinzuzurechnen, da die nicht mit § 8b Abs. 4 S. 6 KStG verknüpften Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG (Beteiligung von mind. 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums) laut dem BFH nicht erfüllt sind.
Praxishinweis
Der BFH bestätigt mit diesem Urteil seine vorangegangene Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Erwerb von Beteiligungen von mehreren Veräußerern (vgl. BFH-Urteil vom 06.09.2023, I R 16/21, siehe Deloitte Tax-News) und sorgt diesbezüglich für mehr Rechtsklarheit bei der Auslegung der 10%-igen Beteiligungsschwelle i.S.d. § 8b Abs. 4 S. 6 KStG. In der Praxis sollte beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften von mehreren Veräußerern in Höhe von jeweils unter 10 % vor dem Kauf geprüft werden, ob ein einheitlich wirtschaftlicher Erwerbsvorgang vorliegt, um von dem körperschaftsteuerlichen Schachtelprivileg (vgl. § 8b Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 KStG) profitieren zu können.
Betroffene Normen
§ 8b Abs. 4 S. 1 und 6 KStG
Streitjahr 2015
Vorinstanz
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13.10.2020, 8 K 666/20, siehe Deloitte Tax News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 13.03.2024, I R 30/21
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 06.09.2023, I R 16/21, BFH/NV 2024, S. 339, siehe Deloitte Tax-News
