BFH: Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte bei abweichendem Wirtschaftsjahr
Bei der Bestimmung der Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) ist auf die Mitunternehmer abzustellen, die am Ende des Wirtschaftsjahrs an der Mitunternehmerschaft beteiligt waren. Dies gilt sowohl für kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahre als auch für vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahre. Der BFH ändert seine Rechtsprechung insoweit, als er nicht mehr auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums, sondern auf das Ende des Wirtschaftsjahrs abstellt. Diese Rechtsprechungsänderung wirkt sich allerdings nur für vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahre aus.
BFH, Urteil vom 10.04.2025, IV R 21/22
Sachverhalt

Streitig ist, ob hinsichtlich der Steuerermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 35 EStG bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (hier 01.07.2017 bis 30.06.2018) ein nach dem Ende des Wirtschaftsjahrs, aber noch vor Ende des Kalenderjahrs ausgeschiedener Mitunternehmer zu berücksichtigen ist.
Gesellschafter einer KG (Klägerin) war neben der Komplementärin (V-GmbH) H als Kommanditist. Sie waren am Ergebnis nach dem Verhältnis ihrer Anteile am Festkapital der KG beteiligt. Die KG ermittelte ihren Gewinn für Wirtschaftsjahre vom 01.07. bis zum 30.6.
Im August 2018 verstarb der einzige Kommanditist (H). Er wurde je zur Hälfte von seiner Ehefrau (I) und seiner Tochter (S) beerbt.
Im Hinblick auf die Steuerermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 35 EStG für 2018 teilte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer auf die V-GmbH und I und S auf. Mit dagegen erhobener Klage verfolgte die KG das Ziel der Zurechnung der Gewerbesteuermessbeträge an H (statt an I und S). Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Ebenso wie das FG kommt auch der BFH zu dem Ergebnis, dass für die Aufteilung des Steuerermäßigungsbetrags der Gewerbesteuermessbetrag sowie die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer auf diejenigen Gesellschafter zu verteilen waren, die zum Ende des abweichenden Wirtschaftsjahrs am 30.06.2018 an der KG beteiligt waren. Dazu gehörte neben der Komplementärin V-GmbH auch der erst nach diesem Zeitpunkt durch Tod ausgeschiedene Kommanditist H.
Gesetzliche Grundlagen
Nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag), bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer um das 3,8-Fache (aktuell Vierfache) des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzten anteiligen Gewerbesteuermessbetrags. Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags ist auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt.
Der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag und der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer richtet sich nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels (§ 35 Abs. 2 S. 2 EStG).
Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft
Wie der BFH bereits entschieden hat, knüpft die § 35 EStG zugrunde liegende gesetzgeberische Typisierung, die Verteilung anhand des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels vorzunehmen, maßgeblich an die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft an. Die Gewerbesteuer mindert den Gesamthandsgewinn der Personengesellschaft, der nach dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel den Gesellschaftern zugewiesen wird. Insoweit trifft der Aufwand alle Gesellschafter auf der Grundlage des gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsschlüssels. Aus der Anknüpfung an die Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft hat der BFH gefolgert, dass der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel als Maßstab der Aufteilung für die Ermittlung der Steuerermäßigung für den Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbesteuer am Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums zu bestimmen sei. (BFH-Urteile vom 14.01.2016, IV R 5/14 und vom 14.01.2016, IV R 48/12).
Bisherige Rechtsprechung gilt für kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahre
Die der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegenden Fallkonstellationen betrafen kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahre. Nicht zu entscheiden hatte der BFH bislang über den zeitlichen Bezugspunkt des Verteilungsmaßstabs in § 35 Abs. 2 S. 2 EStG in einem Fall, der ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr betrifft.
Vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr
Wie bereits das FG kommt der BFH nun zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung auch von Fällen eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs letztlich nicht auf das Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums abzustellen ist, sondern auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahrs. Der BFH geht daher nunmehr davon aus, dass zeitlicher Bezugspunkt des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels als maßgeblicher Verteilungsmaßstab in § 35 Abs. 2 S. 2 EStG stets das Ende des Wirtschaftsjahrs ist, das der Ermittlung des Gewerbeertrags für den jeweiligen Erhebungszeitraum zugrunde lag. Dieser modifizierte Ansatz führt in den Fällen eines kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahrs zu keinem anderen Ergebnis als bisher, da hier das Ende des Wirtschaftsjahrs mit dem Ende des Erhebungszeitraums zusammenfällt (Ende des Kalenderjahrs). Er führt aber zugleich auch für vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahre zu einem nach Ansicht des BFH sachgerechten Ergebnis.
Betroffene Norm
§ 35 EStG
Streitjahr 2018
Anmerkung
Der BFH hatte im Streitfall nicht zu entscheiden, wie die Ermäßigung zu ermitteln ist, wenn in einem Erhebungszeitraum zwei Wirtschaftsjahre enden (abweichendes Wirtschaftsjahr mit anschließendem Rumpfwirtschaftsjahr durch Umstellung auf das kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahr).
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2022, 10 K 686/20 F
Fundstelle
BFH, Urteil vom 10.04.2025, IV R 21/22
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 14.01.2016, IV R 5/14, BStBl. II 2016, S.875, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 14.01.2016, IV R 48/12
