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05.06.2025
Unternehmensteuer

BFH: Switch-over-Klausel nur bei Mehrheitsbeteiligung an Auslandsgesellschaft

Der BFH hat erstmals höchstrichterlich entschieden, dass der in § 20 Abs. 2 AStG geregelte Wechsel in der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Umschaltklausel oder "Switch-over"-Klausel) von bestimmten Auslandsgewinnen erfordert, dass der Steuerinländer mehrheitlich an der Personengesellschaft, die ihm eine ausländische Betriebsstätte vermittelt, beteiligt ist. Damit widerspricht der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung (siehe BMF-Schreiben vom 26.09.2014 und vom 22.12.2023).

BFH, Urteil vom 08.04.2025, IX R 32/23

Sachverhalt

Eine inländische Kapitalgesellschaft (Klägerin), war in den Streitjahren 2007 bis 2009 zu 30 % an einer Limited Partnership (X-Gesellschaft) in den USA beteiligt. Diese Gesellschaft erzielte Gewinne aus der internationalen Vergabe von Lizenzen, die in den USA nur teilweise der Steuerpflicht unterlagen (geringe Besteuerung).
Strittig war die Behandlung der Lizenzeinkünfte im Rahmen der inländischen Körperschaftsteuer. Die inländische Kapitalgesellschaft vertrat die Ansicht, dass die ihr zuzurechnenden Lizenzeinkünfte im Inland in vollem Umfang von der Besteuerung freizustellen seien. Das Finanzamt bezog die Lizenzeinkünfte vollständig in die inländische steuerliche Bemessungsgrundlage ein und rechnete die in den USA gezahlte Steuer auf die Körperschaftsteuer an. Seine Auffassung stützte das Finanzamt auf einen nach § 20 Abs. 2 AStG gebotenen Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode.

Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Voraussetzungen der unilateralen Umschaltklausel lägen nicht vor, da die inländische Kapitalgesellschaft bei gesellschaftsbezogener Betrachtung nicht mehrheitlich an der X-Gesellschaft beteiligt gewesen sei.

Entscheidung

Der BFH hat diese Auffassung des FG nun bestätigt.

Gesetzliche Grundlagen

Fallen Einkünfte in der ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen an und wären sie als Zwischeneinkünfte (im Sinne des Außensteuerrechts) steuerpflichtig, falls diese Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre, regelt § 20 Abs. 2 AStG, dass die Doppelbesteuerung insoweit nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuern zu vermeiden ist (unilaterale „Umschalt“- oder „Switch-over“-Klausel).

Die Regelung zielt auf eine außensteuerrechtliche Gleichstellung ausländischer Betriebsstätten mit ausländischen Kapitalgesellschaften ab.

Passive Einkünfte und niedrige Besteuerung

Im Streitfall ist nicht streitig, dass die von der X-Gesellschaft in den USA erzielten und der inländischen Kapitalgesellschaft anteilig als Mitunternehmerin zuzurechnenden Lizenzeinkünfte als passive Einkünfte im Sinne von § 20 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG einzuordnen sind. Gleiches gilt für deren niedrige Besteuerung in den USA (§ 8 Abs. 3 AStG a.F.).

Umfang der Beteiligung ist höchstrichterlich noch nicht geklärt

Streitig und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden ist, ob § 20 Abs. 2 AStG im Fall der Beteiligung einer im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Person an einer (ausländischen) Personengesellschaft, die über eine ausländische Betriebsstätte verfügt, ungeachtet des Umfangs der Beteiligung anzuwenden ist.

Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung vertritt eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise. Sie geht davon aus, jede Beteiligung eines Steuerinländers an einer (ausländischen) Personengesellschaft mit ausländischer Betriebsstätte könne dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 AStG unterfallen (BMF-Schreiben vom 26.09.2014 und vom 22.12.2023). Die Auffassung beruht auf der Erkenntnis, dass die Betriebsstätte einer Personengesellschaft den Mitunternehmern jeweils als eigene Betriebsstätte zuzurechnen ist (so z.B. BFH-Urteil vom 22.02.2017, I R 2/15).

Schrifttum

Im vorherrschenden Schrifttum wird gefordert, dass der inländische Steuerpflichtige mehrheitlich an der Personengesellschaft, die die ausländische Betriebsstätte vermittelt, beteiligt ist.

BFH

Der BFH hält die letztgenannte Ansicht für zutreffend. Der Zweck des § 20 Abs. 2 AStG spreche für das Erfordernis einer Mehrheitsbeteiligung.

Begründung:

  • § 20 Abs. 2 AStG zielt darauf ab, die Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung für den Fall zu verhindern, dass im niedrig besteuernden Ausland eine Betriebsstätte statt einer Kapitalgesellschaft zwischengeschaltet wird. § 20 Abs. 2 AStG stellt daher eine Missbrauchsvermeidungsnorm dar. Die Vorschrift soll als (sekundäre) Missbrauchsabwehr verhindern, dass die (primäre) Missbrauchsabwehr durch §§ 7 ff. AStG a.F. bei ansonsten gleichgelagerten Gegebenheiten umgangen wird (vgl. BFH-Urteil vom 21.10.2009, I R 114/08). Wären jedoch auch Minderheitsbeteiligungen an einer Personengesellschaft von § 20 Abs. 2 AStG umfasst, ginge die sekundäre Missbrauchsabwehr weiter als die primäre. Für eine solche überschießende Reichweite, die selbst Kleinstbeteiligungen an Personengesellschaften erfassen würde, lässt sich dem Gesetz kein Zweck entnehmen.
  • Die unterschiedliche Behandlung eines Einzelunternehmers im Vergleich zu einem minderheitsbeteiligten Mitunternehmer ist durch das System der Hinzurechnungsbesteuerung und § 7 Abs. 1 AStG begründet. Die Rechtfertigung für eine Hinzurechnungsbesteuerung liegt im Beherrschungskriterium, das durch eine Mehrheitsbeteiligung zum Ausdruck kommt. Dem inländischen Steuerpflichtigen muss eine Dispositionsherrschaft über die ausländische Einkunftsquelle zukommen. Dies ist bei einem Einzelunternehmer, zu dessen Stammhaus eine ausländische Betriebsstätte gehört, zweifelsfrei der Fall, nicht aber bei einem Mitunternehmer, dessen Beteiligung an der Personengesellschaft, die ihm eine Betriebsstätte vermittelt, nicht mehr als die Hälfte beträgt.

Ergebnis im Streitfall

Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AStG in der Fassung der Streitjahre nicht erfüllt. Die inländische Kapitalgesellschaft war nicht beherrschend, sondern lediglich zu einem Kapitalanteil von 30 % an der X-Gesellschaft beteiligt.

Betroffene Norm

§ 20 Abs. 2 AStG

Streitjahre 2007 bis 2009

Anmerkung

Die Entscheidung des BFH betrifft zwar die Vorschrift des § 20 Abs. 2 AStG a.F. vor ATAD-UmsG. Die Entscheidungserwägungen des BFH sollten jedoch auch im Rahmen der aktuell gültigen Fassung des § 20 Abs. 2 AStG erheblich sein.

Praxishinweis

Da der BFH eine von der Finanzverwaltung abweichende Auffassung vertritt, bleibt abzuwarten, ob das Urteil im Bundessteuerblatt verkündet wird und damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus Anwendung findet.

Vorinstanz

Finanzgericht Düsseldorf, 18.04.2023, 6 K 3278/19 K, EFG 2023, S. 905 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 08.04.2025, IX R 32/23

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 26.09.2014, IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, s. 1258, Tz. 4.1.1.2.2

BMF, Schreiben vom 22.12.2023, IV B 5 - S 1340/23/10001 :001 (Außensteuererlass), BStBl. I 2023, Sondernummer 1/2023, S. 2, Rz. 1002, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 22.02.2017, I R 2/15, BStBl. II 2017, S. 709 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 21.10.2009, I R 114/08, BStBl. II 2010, S. 774

Ihr Ansprechpartner

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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