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06.05.2024
Unternehmensteuer

BFH: Umgekehrte Betriebsaufspaltung und erweiterte Kürzung

Das Durchgriffsverbot gilt bei der Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft auch im Fall der mittelbaren Beteiligung der Betriebspersonengesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 16.09.2021, IV R 7/18). Die Besitzkapitalgesellschaft kann die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in Anspruch nehmen.

Sachverhalt

Strittig ist, ob die Klägerin (GmbH) die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in Anspruch nehmen kann.

Die Klägerin ist eine Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH (im Folgenden: GmbH). Die GmbH vermietete ein Grundstück an die F-KG. Die F-KG hielt mittelbar über eine Kapitalgesellschaft mehr als 50% der Anteile an der GmbH.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass eine Betriebsaufspaltung zwischen der GmbH und der F-KG vorlag und folglich die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr.1 S. 2 GewStG nicht gegeben sind. Nach dem FG konnte hingegen die erweiterte Kürzung in Anspruch genommen werden.

Entscheidung

Der BFH schließt sich der Auffassung des FGs an und kommt zu dem Schluss, dass die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht wegen des Bestehens einer Betriebsaufspaltung ausgeschlossen ist.

Gesetzliche Grundlagen zur erweiterten Grundstückskürzung

Für Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, kann auf Antrag anstelle der Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags treten, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG).

Grundlagen zur Betriebsaufspaltung

Bei einer Betriebsaufspaltung ist der Zweck der sogenannten Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird deshalb als gewerbliche Tätigkeit beurteilt, die eine erweiterte Kürzung ausschließt (ständige Rechtsprechung, grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 08.11.1971, GrS 2/71; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.05.2021, IV R 31/19).

Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sachlich und personell miteinander verflochten sind. Eine personelle Verflechtung erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen. Ist eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen, kommt es darauf an, ob diese selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Ein Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner ist nicht zulässig (sogenanntes Durchgriffsverbot, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.09.1994, III R 45/92).

Keine personelle Verflechtung im Streitfall

Im Streitfall verwaltet die GmbH Immobilien und übt damit keine originär gewerbliche Tätigkeit aus. Nach dem BFH ist die Tätigkeit der GmbH insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufspaltung als originär gewerbliche anzusehen, da die erforderliche personelle Verflechtung nicht gegeben ist.

Eine Betriebsaufspaltung zwischen einer Kapitalgesellschaft als Besitzgesellschaft und einem anderen Unternehmen als Betriebsgesellschaft liege nicht vor, wenn die Kapitalgesellschaft nicht zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt sei (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.01.2015, I R 20/14). Im Streitfall war die GmbH weder unmittelbar noch mittelbar zu mehr als 50 % an der F-KG beteiligt.

Der Besitzkapitalgesellschaft (hier: GmbH) können die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft nicht zugerechnet werden. Eine derartige Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Personen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.06.2016, X R 54/14). Das Durchgriffsverbot folge aus dem Prinzip der Trennung der Kapitalgesellschaft von der Person oder dem Kreis der Gesellschafter. Dieses Prinzip unterscheide die Kapitalgesellschaften von den Personengesellschaften, so dass eine Gleichbehandlung von Besitzkapitalgesellschaften und Besitzpersonengesellschaften nicht geboten sei (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.2021, IV R 7/18).

Auch keine umgekehrte Betriebsaufspaltung

Nach dem BFH ergibt sich im Streitfall eine originär gewerbliche Tätigkeit der GmbH auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung.

Bei einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung wird nicht die Betriebsgesellschaft durch die Besitzkapitalgesellschaft, sondern die Besitzkapitalgesellschaft durch die Betriebsgesellschaft beherrscht (vgl. BFH-Beschluss vom 26.03.1993, III S 42/92). Aus einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden, so der BFH. Erst recht lasse sich aus der mittelbaren Beteiligung einer Betriebspersonengesellschaft über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft eine personelle Verflechtung nicht ableiten. Denn auch insoweit läge ein Durchgriff auf die unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft vor.

Der BFH hebt hervor, dass er mit dieser Entscheidung, auch nicht von dem BFH-Urteil vom 16.09.2021 (IV R 7/18) abweicht. In der damaligen Entscheidung sei der BFH unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen ist. Denn, anders als in der damaligen Entscheidung, geht es im aktuellen Streitfall um die Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft (und nicht um eine Besitz-Personengesellschaft).

Betroffene Norm

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

Streitjahr: 2015

Vorinstanz

 FG München, Urteil vom 17.04.2023, 7 K 434/19

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22.02.2024, III R 13/23, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen

Anmerkungen

Hintergrund: Sinn und Zweck der relevanten gesetzlichen Vorschriften

Aufgrund der sog. erweiterten Kürzung unterliegen Erträge von Grundstücksunternehmen, soweit sie aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes resultieren, nicht der Gewerbesteuer (vgl. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG). Diese Regelung bezweckt die Gleichstellung von Unternehmen, die nur eine private Vermögensverwaltung betreiben (unabhängig von ihrer Rechtsform). So können auch Unternehmen, die kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, aber tatsächlich nur Grundstücksverwaltung betreiben, im Rahmen der erweiterten Kürzung von der Gewerbesteuer wieder befreit werden.

Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird als gewerbliche Tätigkeit beurteilt, die eine erweiterte Kürzung ausschließt.

Abgrenzung vom BFH-Urteil vom 16.09.2021 (IV 7/18)

Mit Urteil vom 16.09.2021 (IV 7/18, siehe Deloitte Tax News) hatte der BFH entschieden, dass das Durchgriffsverbot nicht gilt, wenn das Besitzunternehmen eine Personengesellschaft ist, an der eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Folglich kann eine personelle Verflechtung vorliegen, wenn die Gesellschafter der Betriebsgesellschaft an der Besitz-Personengesellschaft lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligt sind.

Mit BMF-Schreiben vom 21.11.2022 (BStBl. I 2022, S. 1515) hat die Finanzverwaltung die Anwendung der geänderten BFH-Rechtsprechung bekannt gegeben. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 16.09.2021 (IV 7/18) kommen aus Vertrauensschutzgründen ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zur Anwendung.

Nach der aktuellen BFH-Entscheidung gelten die Grundsätze des BFH-Urteils vom 16.09.2021 jedoch nicht für eine Besitz-Kapitalgesellschaft.
 

Weitere Fundstellen

Großer Senat des BFH, Beschluss vom 08.11.1971, GrS 2/71, BStBl. II 1972, S. 63

BFH, Urteil vom 20.05.2021, IV R 31/19, BStBl. II 2021, S. 768, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 16.09.1994, III R 45/92, BStBl. II 1995, S. 75

BFH, Urteil vom 28.01.2015, I R 20/14, BFH/NV 2015, S. 1109

BFH, Urteil vom 22.06.2016, X R 54/14, BStBl. II 2017, S. 529, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 16.09.2021, IV R 7/18, BStBl. II 2022, S. 767, siehe Deloitte Tax News

BFH, Beschluss vom 26.03.1993, III S 42/92, BStBl. II 1993, S. 723

 

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: 089290368711

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Denise Käshammer

dkaeshammer@deloitte.de
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