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07.07.2016
Unternehmensteuer

BFH: Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei späterer Übertragung von zurückbehaltenem SBV

Aktuell:

BFH-Urteil vom 10.09.2020 (IV R 14/18):

Der BFH hat entschieden, dass der Zeitpunkt („juristische Sekunde“) des Ausscheidens von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen für die Frage, ob die Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 EStG zur Anwendung kommt, entscheidend ist. Folglich kommt § 6 Abs. 3 S. 1 EStG zur Anwendung, wenn eine „juristische Sekunde“ vor der Übertragung des (verbliebenen) ganzen Mitunternehmeranteils eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Erfolgt die Aufdeckung stiller Reserven in funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen allerdings zeitgleich mit oder eine „juristische Sekunde“ nach der Übertragung des Mitunternehmeranteils, liegt eine Betriebsaufgabe vor.
Der BFH präzisiert mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zu § 6 Abs. 3 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 02.08.2012, IV R 41/11 und vom 09.12.2014, IV R 36/13) und schließt sich hinsichtlich der Frage der Anwendung von § 6 Abs. 3 S. 1 EStG bei zeitgleicher Aufdeckung stiller Reserven in funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen der Auffassung der Finanzverwaltung an (vgl. BMF-Schreiben vom 20.11.2019, Rz. 9).

BFH, Urteil vom 10.09.2020 (IV R 14/18, siehe Deloitte Tax News)
                                                                                                                          

BFH-Urteil vom 12.05.2016, IV R 12/15:

Die Buchwertprivilegierung der unentgeltlichen Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils unter Zurückbehaltung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens bleibt auch dann rückwirkend bestehen, wenn das zurückbehaltene Wirtschaftsgut zu einem späteren Zeitpunkt von dem Übertragenden zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wird (entgegen Finanzverwaltung).

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ursprünglich A war. Dieser übertrug 90% seines Kommanditanteils sowie 25% seiner im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Geschäftsanteile der Komplementärin mit Wirkung zum 30.12.2008 unentgeltlich auf seinen Sohn B. Die Klägerin führte die Buchwerte des Gesamthandsvermögens unverändert fort. Das bilanziell als Sonderbetriebsvermögen von A geführte Betriebsgrundstück der Klägerin wurde nicht (teilweise) mitübertragen. A übertrug das Betriebsgrundstück später mit Wirkung zum 01.01.2011 unentgeltlich auf die X GmbH & Co. KG. Auch bei dieser Gesellschaft war A der alleinige Kommanditist und alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementärin. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Fortführung der Buchwerte bei der Klägerin nicht möglich sei. Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg.

Entscheidung

Das FG habe zu Recht entschieden, dass die unentgeltliche Übertragung des Teilmitunternehmeranteils von A auf seinen Sohn B gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 EStG zwingend zum Buchwert erfolge und aufgrund der späteren unentgeltlichen Übertragung des zurückbehaltenen Betriebsgrundstücks aus dem Sonderbetriebsvermögen des A in das Gesamthandsvermögen der X GmbH & Co. KG der Buchwertansatz nicht rückwirkend entfallen sei.

Wird der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so ist gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 1. Hs. EStG bei der Ermittlung des Gewinns des Mitunternehmers der Buchwert anzusetzen. Dies gilt auch bei der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils (§ 6 Abs. 3 S. 1 2. Hs. EStG). Nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG wird die Übertragung des Teilmitunternehmeranteils auch dann zum Buchwert angeordnet, wenn der bisherige Betriebsinhaber (Mitunternehmer) Wirtschaftsgüter, die weiterhin zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehören, nicht überträgt, sofern der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt.

Die unentgeltliche Übertragung des Betriebsgrundstücks im Jahre 2011 aus dem Sonderbetriebsvermögen des A bei der Klägerin in das Gesamthandsvermögen der X GmbH & Co KG lasse den Buchwertansatz nicht rückwirkend entfallen. Eine solche Rechtsfolge könne weder aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG abgeleitet werden noch sei sie nach der Gesetzessystematik, nach der Gesetzgebungshistorie oder nach dem Sinn und Zweck der Regelung geboten.

Hätte der Gesetzgeber den Buchwertansatz für die Übertragung des Teilmitunternehmeranteils unter die Bedingung stellen wollen, dass das zurückbehaltene Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft auf Dauer oder jedenfalls zumindest für die nächsten fünf Jahre verbleibe, hätte es nahegelegen, dies durch die Regelung einer entsprechenden Behaltefrist sicherzustellen. Stattdessen habe der Gesetzgeber eine Behaltefrist jedoch nur für den Rechtsnachfolger geregelt. Auch komme eine analoge Anwendung der Behaltefrist für den Übergeber nicht in Betracht. Der Senat halte daher – trotz Einwendungen der Finanzverwaltung (BMF-Nichtanwendungserlass vom 12.09.2013) – an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Auslegung von § 6 Abs. 3 S. 1 EStG ausdrücklich fest (vgl. BFH-Urteile vom 02.08.2012 und 09.12.2014).

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 3 S. 2 EStG, § 6 Abs. 5 EStG

Streitjahr 2008

Anmerkung

BMF-Schreiben vom 20.11.2019, IV C 6 - S 2241/15/10003

In dem BMF-Schreiben vom 20.11.2019 (siehe Deloitte Tax-News) folgt die Finanzverwaltung nun der hier dargestellten Sichtweise des BFH. Das BMF führt u.a. aus, dass die Buchwertprivilegierung der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils unter Zurückbehaltung eines Wirtschaftsgutes des Sonderbetriebsvermögens nicht deshalb rückwirkend entfällt, weil das zurückbehaltene Wirtschaftsgut zu einem späteren Zeitpunkt von dem Übertragenden zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wird. Ferner gibt die Finanzverwaltung ihre Gesamtplanbetrachtung bei Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 EStG auf. Wird im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen nach § 6 Abs. 5 EStG funktional wesentliches Betriebsvermögen zum Buchwert auf einen Dritten übertragen oder in ein anderes Betriebsvermögen des bisherigen Mitunternehmers überführt, ist § 6 Abs. 3 S. 1 EStG dem neuen BMF-Schreiben zufolge gleichwohl auf die Übertragung des reduzierten Mitunternehmeranteils anwendbar. Die gleichzeitige Inanspruchnahme („Kumulation“) der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 EStG einerseits und nach § 6 Abs. 5 EStG andererseits ist möglich. Diese Grundsätze sind bei der Übertragung eines Teils des Anteils am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft entsprechend anzuwenden. 

Vorinstanz

FG Niedersachsen, Urteil vom 27.11.2014, 1 K 10294/13, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12.05.2016, IV R 12/15, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen

Pressemitteilung 48/16 vom 06.07.2016

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 09.12.2014, IV R 29/14, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 02.08.2012, IV R 41/11, siehe Deloitte Tax-News

BMF, Schreiben vom 20.11.2019, IV C 6 - S 2241/15/10003, siehe Deloitte Tax-News

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