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28.11.2011
Unternehmensteuer

BFH: Vereinbarung der Verlustübernahme bei körperschaftsteuerlicher Organschaft

Der Organträger hatte sich im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zur Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG verpflichtet. Im Rahmen des AdV-Verfahrens ist die körperschaftsteuerliche Organschaft anerkannt worden, da diese Vereinbarung so zu verstehen ist, dass damit sämtliche Regelungen des § 302 AktG zum Vertragsinhalt gemacht werden. Die geänderte und den steuerrechtlichen Anforderungen genügende Vereinbarung müsse nicht vom Anfang des betreffenden Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an gelten.

Sachverhalt

Die Antragstellerin, eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr zum 30.06. eines Jahres, hat mit ihrer Alleingesellschafterin (D-AG) am 06.12.2006 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGV) abgeschlossen. Die darin vereinbarte Verlustübernahme hatte zunächst folgenden Wortlaut: "Die D-AG ist entsprechend den Vorschriften des § 302 Absatz 1 und 3 des AktG verpflichtet, ......". Der BGV konnte erstmals zum 30.06.2012 gekündigt werden. Im gemeinsamen Bericht der Antragstellerin und der D-AG nach § 293a AktG vom 06.12.2006 heißt es u.a.: "Die D-AG verpflichtet sich, gemäß § 302 AktG jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen." Zur Beseitigung des Widerspruchs zwischen dem BGV und dem gemeinsamen Bericht nach § 293a AktG reichte die Antragstellerin eine "Klarstellungsvereinbarung" vom 25.08.2009 ein. Mit Änderungsvereinbarung vom 02.12.2009 wurde der BGV dahingehend geändert, dass er erstmals zum Ablauf des 30.06.2015 gekündigt werden kann. Die Klarstellungsvereinbarung und die Änderungsvereinbarung sind am 28.01.2010 ins Handelsregister eingetragen worden. Das Finanzamt sah die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nicht als gegeben an, weil die Verjährungsregelung des § 302 Abs. 4 AktG nicht Bestandteil des BGV geworden sei und setzte Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer fest. Die GmbH beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide.

Entscheidung

Der BFH gab der Beschwerde der GmbH in Bezug auf die Vorauszahlungen für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 statt und gewährte Aussetzung der Vollziehung. Bezogen auf die beantragte Aussetzung der Vollziehung für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 lehnte der BFH mit Beschluss vom 28.07.2010 die Aussetzung der Vollziehung ab, da nach summarischer Prüfung der BGV in seiner ursprünglichen Fassung keine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft begründet hat.

Nach ständiger Spruchpraxis des BFH muss der Ergebnisabführungsvertrag eine dem § 302 AktG entsprechende Vereinbarung enthalten. Das erstreckt sich auf § 302 AktG in seiner Gesamtheit und in allen seinen Bestandteilen (in den jeweiligen Regelungsfassungen), also seit Einfügung der Verjährungsregelung des § 302 Abs. 4 AktG auch auf diese (vgl. auch BMF-Schreiben vom 16.12.2005, BStBl I 2006, 12, wonach allerdings das Fehlen eines Hinweises auf § 302 Abs. 4 AktG in vor dem 01.01.2006 abgeschlossenen Ergebnisabführungsverträgen von der Verwaltung nicht beanstandet wird).

Die ursprüngliche Fassung des BGV enthält keine Vereinbarung, die § 302 Abs. 4 AktG einbezieht, vielmehr werden lediglich § 302 Abs. 1 und 3 AktG, nicht aber die übrigen Absätze der Vorschrift als entsprechend anwendbar bezeichnet. Die Vertragsbestimmung kann deshalb nach der gebotenen objektivierten Auslegung von Unternehmensverträgen nur so verstanden werden, dass die Geltung der nicht erwähnten Regelung des § 302 Abs. 4 AktG nicht vereinbart worden ist. An dieser Auslegung vermag die Formulierung in der gemeinsamen Erklärung der Vertragsparteien gemäß § 293a AktG nichts zu ändern.

Die "Klarstellungsvereinbarung" vom 25. August 2009 und im Januar 2010 im Handelsregister eingetragenen Änderung des § 3 BGV vermag im Hinblick auf das Wirtschaftsjahr 2009/2010 nichts zu ändern. Die in § 17 Satz 1 KStG 2002 für den GmbH-Konzern angeordnete entsprechende Anwendung von § 14 KStG 2002 betrifft auch die Voraussetzungen zu Beginn und Ende der Wirksamkeit des Ergebnisabführungsvertrages. Der Vertrag muss also auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG 2002) und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Diese zeitlichen Erfordernisse erstrecken sich gleichermaßen auf die Einbeziehung der Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002.

In Bezug auf die Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer für die Wirtschaftsjahre ab 2010/2011 ist die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids anzuordnen. Denn nach summarischer Prüfung erfüllt der BGV seit der Eintragung der mit der "Klarstellungsvereinbarung" vom 25.08.2009 und der "Änderungsvereinbarung" vom 02.12.2009 vorgenommenen Änderungen in das Handelsregister am 28.01.2010 die Voraussetzungen der §§ 14, 17 KStG 2002. Nach § 3 Abs. 1 BGV n.F. ist die D-AG "entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind". Diese Vereinbarung ist so zu verstehen, dass damit sämtliche Regelungen des § 302 zum Vertragsinhalt gemacht werden. Der Auffassung des Finanzamts (vgl. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion Rheinland vom 12. August 2009, DStR 2010, 1136 zu einer vergleichbaren Klausel), durch § 3 Abs. 1 BGV n.F. werde lediglich auf § 302 Abs. 1 AktG, nicht aber auch auf dessen Absätze 3 und 4 Bezug genommen, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Vertragsklausel verweist in ihrem ersten Teil insgesamt auf die "Vorschriften des § 302 AktG", mithin auch auf dessen Absätze 3 und 4. Die im Anschluss daran erfolgende Wiedergabe des Wortlauts des § 302 Abs. 1 AktG soll erkennbar der Beschreibung des Tatbestands der Verlustübernahme dienen. Sie ist deshalb nicht dahin zu verstehen, dass sie die vorangestellte umfassende Bezugnahme auf § 302 AktG relativieren und dessen Absätze 3 und 4 von der Einbeziehung in den Vertrag ausnehmen soll.

Im Beschluss vom 28.07.2010 hielt der Senat das am 01.07.2010 beginnende Wirtschaftsjahr 2010/2011 noch für das erste Wirtschaftsjahr der Antragstellerin, in dem die durch die Eintragung im Handelsregister wirksam gewordene geänderte Regelung des § 3 BGV n.F. von Anfang an gilt.. Da nach der ebenfalls geänderten Bestimmung des § 5 BGV n.F. der Vertrag erstmals zum 30.06.2015 gekündigt werden kann, ist er ab diesem Zeitpunkt mindestens noch auf fünf Jahre abgeschlossen und kann in diesem Zeitraum tatsächlich durchgeführt werden.

Nach nochmaliger summarischer Rechts- und Sachverhaltsprüfung ändert der Senat seinen Beschluss vom 28.07.2010 und gibt nun mit Beschluss vom 15.09.2010 der Beschwerde in vollem Umfang statt. Auch der angefochtene Vorauszahlungsbescheid für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 wird nun vollumfänglich ausgesetzt bzw. aufgehoben.

Der Gewinnabführungsvertrag muss auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrages durch Kündigung ist unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002). Ein solcher Aufhebungsgrund war im Streitfall gegeben. Da der ursprüngliche Gewinnabführungsvertrag nicht den spezifischen steuerrechtlichen Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 entsprach, änderten die Antragstellerin und die D-AG den Vertrag am 02.12.2009 und passten ihn an die steuerrechtlichen Anforderungen an. Die Änderungsvereinbarung wurde am 28.01.2010 in das Handelsregister eingetragen und damit noch im laufenden Wirtschaftsjahr 2009/2010 der Antragstellerin rechtswirksam. Das hat zur Folge, dass das Einkommen der Organgesellschaft für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr 2010 zuzurechnen ist. Dass die geänderte und den steuerrechtlichen Anforderungen genügende Vereinbarung vom Anfang des betreffenden Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an gelten müsste, ist unrichtig. Es bestehen deswegen auch bereits für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorauszahlungsbescheides (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

Betroffene Norm

§§ 14, 17 KStG

Vorinstanz

Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 30.11.2009, 6 V 1426/09

Fundstellen

BFH, Beschluss vom 15.09.2010, I B 27/10, BStBl II 2010, S. 935
BFH, Beschluss vom 28.07.2010, I B 27/20, BStBl II 2010, S. 932

Weitere Fundstellen

Finanzgericht Köln, Urteil vom 12.04.2011, 13 K 3136/04, EFG 2011, S. 2014

Weiterführende Literatur

Fuhrmann, Anmerkungen zum BFH-Urteil, DB 2010, Heft 37 S. 2031 (veröffentlicht am 17.09.2010).

Englische Zusammenfassung

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