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09.01.2025
Unternehmensteuer

BFH: Verlustverrechnungsverbot bei Verschmelzung mit steuerlicher Rückwirkung

Das Verlustverrechnungsverbot des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG steht bei einer Verschmelzung mit steu-erlicher Rückwirkung auch dem Ausgleich von positiven Einkünften, die der übertragende Rechtsträ-ger im Rückwirkungszeitraum erzielt hat, mit einem Verlustrücktrag des übernehmenden Rechtsträ-gers aus dem Folgejahr entgegen.

BFH, Urteil vom 13.03.2024, X R 32/21

Sachverhalt

Die B-GmbH (übertragende Gesellschaft) wurde rückwirkend zum 01.01.2013 auf die A-GmbH (Klä-gerin) als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Die Verschmelzung wurde im September 2013 im Handelsregister der A-GmbH eingetragen. Zum 31.12.2012 war für die A-GmbH ein verbliebener Verlustvortrag festgestellt worden. Im Streitjahr 2013 erzielte die A-GmbH positive Einkünfte. Im Wege zeitanteiliger Aufteilung ging die A-GmbH davon aus, dass ein Teilbetrag von X Euro noch von der übertragenden Gesellschaft im Rückwirkungszeitraum (01.01.2013 bis yy.09.2013) erzielt wor-den sei und der Restbetrag auf die Zeit nach dem handelsrechtlichen Wirksamwerden der Verschmel-zung entfalle.

Unstreitig ist, dass der „Teilbetrag von X Euro“ (positive Einkünfte der übertragenden Gesellschaft, B-GmbH, im Rückwirkungszeitraum) nicht mit dem zum 31.12.2012 festgestellten Verlustvortrag der A-GmbH verrechnet werden konnte.

Im Jahr 2014 erzielte die A-GmbH ein negatives zu versteuerndes Einkommen. Das Finanzamt stellte unter Einbeziehung des Verlustvortrags aus 2013 einen verbleibenden Verlustvortrag zur Körper-schaftsteuer zum 31.12.2014 fest. Die A-GmbH beantragte, den Körperschaftsteuerbescheid 2013 dahingehend zu ändern, dass ein Verlustrücktrag aus 2014 in Höhe des „Teilbetrags von X Euro“ ab-gezogen und die Steuer auf 0 Euro herabgesetzt wird. Das lehnte das Finanzamt ab. Die Klage vor dem FG hatte Erfolg.

Entscheidung

Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass bei der Körperschaftsteuer 2013 ein Verlustrücktrag aus 2014 in Höhe des „Teilbetrags von X Euro“ nicht abgezogen werden kann.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG ist der Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit verrechenbaren Verlusten, verbleiben-den Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften und einem Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 S. 5 EStG des übernehmenden Rechtsträgers nicht zulässig.

Verlustrücktrag ist durch die Systematik der Norm ausgeschlossen

Nach Auffassung des BFH wird der Verlustrücktrag schon durch Wortlaut und Systematik des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG ausgeschlossen.

Die Tatbestandsalternative der "nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte" erfasse unstreitig die lau-fenden, noch nicht in eine gesonderte Verlustfeststellung eingegangenen negativen Einkünfte, die der übernehmende Rechtsträger im Veranlagungszeitraum der Verschmelzung erzielt. Darauf beschränke sich der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsalternative jedoch nicht. Vielmehr werde auch ein Verlustrücktrag von ihr erfasst.

Gemäß § 10d Abs. 1 S. 1 EStG sind "negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden", bis zu einem Höchstbetrag in dem unmittelbar vorangegange-nen Veranlagungszeitraum abzuziehen. "Nicht ausgeglichene negative Einkünfte" bilden also die Grundlage für den in dieser Vorschrift legal definierten Verlustrücktrag. Damit beziehe sich die in § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG enthaltene Tatbestandsalternative der "nicht ausgeglichenen negativen Ein-künfte" angesichts der begrifflichen Übereinstimmung der beiden Normen erkennbar und eindeutig auch auf den in § 10d Abs. 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG) geregelten Verlustrücktrag.

Hinzu kommt laut BFH, dass § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG zwar im Zusammenhang mit den positiven Ein-künften des übertragenden Rechtsträgers eine zeitliche Beschränkung auf positive Einkünfte "im Rückwirkungszeitraum" enthält, eine solche zeitliche Beschränkung bei der im selben Satz nachfol-genden Aufzählung der Verlustpositionen des übernehmenden Rechtsträgers aber gerade nicht vor-genommen wurde (vgl. BFH‑Urteil vom 12.04.2023, I R 48/20).

Keine teleologische Reduktion der Vorschrift

Die Begründung zur durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz angefügten Vorschrift des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG zeige, dass der Gesetzgeber jegliche Verrechnung von Verlusten mit den im Rückwirkungszeitraum erzielten positiven Einkünften der übertragenden Gesellschaft verhindern und damit die endgültige Besteuerung dieser Einkünfte sicherstellen wollte. Eine Beschränkung auf die Nutzung bestehender Verlustvorträge aus den Vorjahren und damit eine Nichtanwendung der Rege-lung auf die von ihrem Wortlaut erfassten Verlustrückträge sei nicht beabsichtigt gewesen.

Die Vorschrift könne ihren Normzweck nur unzureichend erfüllen, wenn lediglich verbleibende Ver-lustvorträge sowie ein im Veranlagungszeitraum der Verschmelzung eingetretener laufender Verlust, nicht aber Verlustrückträge vom Anwendungsbereich erfasst wären. Denn dann träte die vom Ge-setzgeber in Fällen der Verschmelzung auf eine Verlustgesellschaft gewollte Besteuerung von im Rückwirkungszeitraum erzielten positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers unter Um-ständen nur vorläufig und kurzfristig ein, könnte aber mit einem Verlustrücktrag aus im Folgejahr entstandenen Verlusten ohne Weiteres wieder rückgängig gemacht werden.

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

Der BFH hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss des Verlustrücktrags, da der Steuerpflichtige frei darin ist, die durch das UmwG und das UmwStG eröffneten Gestaltungsmög-lichkeiten zu nutzen oder auch nicht zu nutzen. Er kann die Verschmelzung unterlassen, so dass jede Gesellschaft die von ihr erzielten Gewinne mit den von ihr erlittenen Verlusten nach den allgemeinen Regelungen ohne die in § 2 Abs. 4 UmwStG angeordneten Einschränkungen ausgleichen kann und das Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit verwirklicht wird.

Zurückverweisung an das FG

Der BFH verweist die Sache an das FG zurück, da es nicht geprüft hat, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 S. 6 UmwStG vorliegen. Nach dieser Regelung gilt (unter anderem) § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG nicht, wenn übertragender Rechtsträger und übernehmender Rechtsträger vor Ablauf des steuerli-chen Übertragungsstichtags verbundene Unternehmen i.S.d. § 271 Abs. 2 HGB sind.

Betroffene Norm

§ 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG

Streitjahr 2013

Anmerkungen

Einordnung in die Rechtsprechung

Der BFH hat bereits entschieden, dass das Verlustverrechnungsverbot des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG nicht nur für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern auch für die Gewerbesteuer gilt (vgl. BFH, Urteil vom 12.04.2023, I R 48/20, siehe Deloitte Tax-News).

Gestaltungsvarianten bei der Verschmelzung von Verlustgesellschaften

Die Gesellschafter können sich auch dafür entscheiden, nicht – wie im Streitfall – eine Gewinngesell-schaft auf eine Verlustgesellschaft, sondern umgekehrt eine Verlustgesellschaft auf eine Gewinnge-sellschaft zu verschmelzen. Zwar bliebe ein Rücktrag künftig erzielter Verluste auf das Verschmel-zungsjahr und deren Verrechnung mit Gewinnen des Rückwirkungszeitraums anders als im Fall der Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft zulässig. Umgekehrt gingen aber die bei der Verlustgesellschaft vorhandenen Verlustpositionen von vornherein nicht auf die Gewinngesellschaft über und wären steuerlich endgültig verloren (§ 12 Abs. 3 HS 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Wenn es dem Steuerpflichtigen auf die Fortführung von Altverlusten zur Verrechnung mit künftig entste-henden Gewinnen ankommt, wird er die Variante der Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft wählen. Wenn es ihm darauf ankommt, künftig erwartete Verluste möglichst unbeschränkt zurücktragen zu können, wird er die Variante der Verschmelzung einer Verlustgesell-schaft auf eine Gewinngesellschaft wählen.

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 05.08.2021, 1 K 244/19, EFG 2021, S. 1929

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.03.2024, X R 32/21

Weitere Fundstellen

BFH‑Urteil vom 12.04.2023, I R 48/20, BStBl. II 2023, S. 888

Ihr Ansprechpartner

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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