BFH: Versagung der erweiterten Kürzung im Organkreis beim sog. Weitervermietungsmodell
Bereits nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung ist die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung für ein Grundstücksunternehmen zu versagen, wenn es sich bei diesem Unternehmen um eine Organgesellschaft handelt, die sämtliche Grundstücke an eine andere Organgesellschaft derselben Organschaft verpachtet. Diese Rechtsprechung soll nach Ansicht des BFH auch dann gelten, wenn die pachtende Organgesellschaft den Grundbesitz an außerhalb des Organkreises stehende Dritte weitervermietet oder weiterverpachtet.
BFH, Urteil vom 11.07.2024, III R 41/22
Sachverhalt

Eine GmbH ist Wohnungsanbieterin und Konzernmutter mit Holdingfunktion und ertrag- wie umsatzsteuerlich Organträgerin. Zum Konzern gehören neben der W-GmbH noch weitere in der Rechtsform einer GmbH organisierte Organgesellschaften (OG). Diese hatten ihrer Schwester-Organgesellschaft, der W-GmbH, Immobilien zur Weitervermietung verpachtet. Die W-GmbH verpachtete bzw. vermietete die Immobilien im eigenen Namen an fremde Dritte außerhalb des Organkreises weiter, trug Aufwendungen und kümmerte sich um die Verwaltung der Grundstücke („Weitervermietungsmodell“). Die Pachtzahlungen an die OG-Schwestergesellschaften verbuchte die W-GmbH als Aufwand. Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG nahm sie nicht vor. Die OG beanspruchten für sich die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, die das Finanzamt jedoch versagte.
Das FG gab der dagegen erhobenen Klage insoweit statt, als es die erweiterte Kürzung als Differenz zwischen dem Gesamtbetrag der erweiterten Kürzung und dem nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnenden Betrag gewährte.
Entscheidung
Der BFH gelangt – im Gegensatz zum FG – zu dem Ergebnis, dass die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung aufgrund der durch die gewerbesteuerliche Organschaft bedingten Besonderheiten zu versagen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der sog. einfachen Kürzung (vgl. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Ermittlung des Gewerbeertrags im Organkreis
§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG bestimmt, dass eine Kapitalgesellschaft, die Organgesellschaft ist, als Betriebsstätte des Organträgers gilt.
Trotz dieser Fiktion bilden die Organgesellschaft und der Organträger kein einheitliches Unternehmen. Organgesellschaft und Organträger bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (vgl. BFH-Urteile vom 18.05.2011, X R 4/10, vom 30.10.2014, IV R 9/11 und vom 17.12.2014, I R 39/14).
Um den maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die – unter Beachtung der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften (vgl. §§ 8, 9 GewStG) – getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaften zusammenzurechnen. Dabei sind unberechtigte steuerliche Be- und Entlastungen auszuscheiden. Rechtsgrundlage für diese Korrekturen ist § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG (vgl. BFH-Urteile vom 18.05.2011, X R 4/10, vom 30.10.2014, IV R 9/11 und vom 17.12.2014, I R 39/14).
Danach führen Geschäftsbeziehungen innerhalb des Organkreises (grundsätzlich) nicht zu Hinzurechnungen und Kürzungen.
Bisherige Rechtsprechung zur Grundstücksvermietung innerhalb des Organkreises
Der BFH hat bereits entschieden, dass nach diesen Grundsätzen die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in dem Fall ausgeschlossen ist, dass eine Organgesellschaft alle ihre Grundstücke an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises vermietet (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2011, X R 4/10). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sich die mit der Vermietung zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge im Organkreis neutralisierten und die aus der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG folgende Korrespondenz zwischen der Aufwands- und der Ertragsseite gestört würde, wenn die Mieterträge durch Anwendung der erweiterten Kürzung aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage herausgenommen würden, obwohl die korrespondierenden Aufwendungen weiterhin abgezogen werden könnten (vgl. BFH-Urteile vom 18.05.2011, X R 4/10 und vom 30.10.2014, IV R 9/11).
Versagung der erweiterten Kürzung im Organkreis auch beim Weitervermietungsmodell
Mit Urteil vom 18.05.2011, X R 4/10, hat der BFH für den Fall, dass eine Hotelbetriebs-GmbH den von einer anderen Organgesellschaft angemieteten Grundbesitz für Geschäfte mit außerhalb des Organkreises stehenden Dritten nutzt und daraus Gewerbeertrag erzielt, die erweiterte Kürzung für nicht zulässig erachtet. Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen.
Dennoch wendet der BFH die dem Urteil vom 18.05.2011, X R 4/10 (siehe auch Urteil vom 30.10.2014, IV R 9/11) zugrundeliegenden Rechtsgrundsätze auch im Streitfall auf die Vermietung nach dem sog. Weitervermietungsmodell an. Somit kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die den ausschließlich organkreisintern verpachtenden Organgesellschaften (OG) grundsätzlich zustehende erweiterte Kürzung (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) nach § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG rückgängig zu machen ist. Zugleich scheide die Korrektur ihrer Höhe durch Gegenrechnung eines Betrags im Umfang der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG aus.
Die durch die Organschaft bedingten Besonderheiten der Ermittlung des Gewerbegewinns (§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG) verlangen es, auch im Fall des Weitervermietungsmodells nur die Geschäftsbeziehungen zwischen den Organgesellschaften zu betrachten, so der BFH. Bei diesen Geschäftsbeziehungen stehen sich – vom Organträger aus gesehen – jeweils Aufwand und Ertrag aus demselben Rechtsgeschäft gegenüber.
Keine erweiterte Kürzung bei der W-GmbH
Bei der W-GmbH ist die erweiterte Kürzung dagegen – unabhängig von durch die Organschaft bedingten Besonderheiten – schon deswegen ausgeschlossen, weil sie nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt, sondern fremden Grundbesitz nutzt und außerdem Service- und Managementleistungen erbringt.
Betroffene Norm
§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG, § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Streitjahr 2016
Anmerkungen
Praxishinweis
Das BFH-Urteil zeigt einmal mehr, dass die steuerlichen Folgen einer Organschaft in der Praxis unbedingt zu bedenken sind und Gestaltungen ggf. angepasst werden sollten. Im hier vom BFH entschiedenen Fall hätte sich ggf. eine unmittelbare Vermietung der Immobilien durch die Organgesellschaften (OG) an fremde Dritte angeboten (Nutzung von eigenem Grundbesitz), um die erweiterte Grundstückskürzung geltend machen zu können.
Einordnung in die bisherige Rechtsprechung
- Der BFH hat bereits entschieden, das Durchgriffsverbot bei der Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft auch im Fall der mittelbaren Beteiligung der Betriebspersonengesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft gilt. Die Besitzkapitalgesellschaft kann die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 22.02.2024, III R 13/23, siehe Deloitte Tax-News).
- Das FG Münster hat erst kürzlich entschieden, dass eine Grundstückgesellschaft, an der Gesellschafter einer Personengesellschaft beteiligt sind, die gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer auf den Gebäuden der Grundstücksgesellschaft installierten Photovoltaikanlage erzielt, keine erweiterte Kürzung beanspruchen kann (vgl. FG Münster-Beschluss vom 07.06.2024, 14 V 508/24 G, siehe Deloitte Tax-News).
Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.09.2022, 9 K 2833/21 G, EFG 2023, S. 136
Fundstelle
BFH, Urteil vom 11.07.2024, III R 41/22
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.05.2011, X R 4/10, BStBl. II 2011, S. 887
BFH, Urteil vom 30.10.2014, IV R 9/11, BFH/NV 2015, S. 227
BFH, Urteil vom 17.12.2014, I R 39/14, BStBl. II 2015, S. 1052
BFH, Urteil vom 22.02.2024, III R 13/23, siehe Deloitte Tax-News
FG Münster, Beschluss vom 07.06.2024, 14 V 508/24 G, EFG 2024, S. 1425, siehe Deloitte Tax-News
