BFH: Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells
Für die Annahme eines Steuerstundungsmodells nach § 15b Abs. 1, Abs. 2 EStG ist es nach der Gesetzesvorschrift ohne Belang, auf welchen Vorschriften die generierten negativen Einkünfte liegen. So kann ein Steuerstundungsmodell auch dann vorliegen, wenn die prognostizierten Verluste auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden (degressive Afa, Sonderabschreibungen) beruhen. Staatlich geförderte sowie betriebswirtschaftlich sinnvolle Investitionen sind nicht von vornherein vom Anwendungsbereich des § 15b EStG ausgenommen.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co KG, betreibt Biogasanlagen. Für die Errichtung neuer Anlagen legte sie einen Emissionsprospekt auf, um weitere Kommanditisten für einen „geschlossenen Bioenergiefonds“ zu werben. Die in den Jahren 2005 bis 2007 erwirtschafteten Verluste der KG behandelte das Finanzamt als solche im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG und schränkte deren Verrechenbarkeit ein. Das sah das FG Münster anders. Es beurteilte das im Verkaufsprospekts vorgestellte Konzept als eine sinnvolle betriebswirtschaftliche Investition und verneinte deswegen eine modellhafte Gestaltung i.S.d. § 15b EStG, die auf die Erzielung steuerlicher Vorteile gerichtet gewesen wäre. Das negative steuerliche Ergebnis, welches im Wesentlichen durch die Inanspruchnahme degressiver Afa sowie Sonderabschreibungen verursacht worden war, wertete das FG als typische Anlaufverluste, die gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 15b EStG fallen sollten.
Entscheidung
Der BFH widersprach der Ansicht des FG und bejahte das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b Abs. 1 und 2 EStG.
Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG
Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen durch ein vorgefertigtes Konzept die Möglichkeit geboten werden soll, Verluste zumindest in der Anfangsphase der Investition mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 EStG). Dabei ist es nach § 15b Abs. 2 S. 3 EStG ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen.
Aspekte, die für die Annahme einer modellhaften Gestaltung zu würdigen sind:
Vorgefertigtes Konzept
Das nach der Gesetzesvorschrift erforderliche "vorgefertigte Konzept" (ausführlich dazu BFH-Urteil vom 06.02.2014, IV R 59/10) wird typischerweise, wenn auch nicht zwingend, mittels eines Anlegerprospekts oder aber in ähnlicher Form vertrieben.
Steuerliche Vorteile durch negative Einkünfte
Das vorgefertigte Konzept muss auf die Erzielung negativer Einkünfte ausgerichtet sein und seinen wirtschaftlichen Erfolg auf Steuervorteilen aufbauen. Es ist nach Ansicht des BFH jedoch nicht erforderlich, dass die Erzielung negativer Einkünfte im Vordergrund steht oder dass mit den Steuervorteilen positiv geworben wird.
Gesetzliche Abschreibungsmethoden
Die im Schrifttum und vom FG vertretene Auffassung, die auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden (hier degressive AfA und Sonderabschreibungen) beruhenden prognostizierten Verluste würden nicht zur Anwendung des § 15b EStG führen, teilt der BFH nicht.
Betriebswirtschaftlich sinnvolle Investition
Weder dem Gesetzeswortlaut noch dem Gesetzeszweck lasse sich entnehmen, dass die betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer Investition die Anwendung des § 15b EStG ausschließen soll.
Keine Ausnahme für staatlich geförderte Investitionen
Auch an anderer Stelle staatlich geförderte Investitionen (wie z.B. in erneuerbare Energien) seien nicht von vorneherein von der Anwendung des § 15b EStG ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 15b EStG wolle lediglich verhindern, dass solche Fördermaßnahmen konzeptionell aufgearbeitet und einer Vielzahl von Steuerpflichtigen angeboten werden. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber – über die in § 15b Abs. 3 EStG verankerte Nichtaufgriffsgrenze hinaus – keine Ausnahmen von der Anwendung des § 15b EStG hinsichtlich bestimmter Investitionen zugelassen hat.
Betroffene Norm
§ 15b Abs. 1 EStG, § 15b Abs. 2 EStG
Streitjahre 2005 – 2007
Anmerkungen
Mit der eindeutigen Aussage des BFH, dass auch prognostizierte Verluste, die auf gesetzlichen Abschreibungsmethoden beruhen, zur Anwendung des § 15b EStG führen, stellt der BFH sich gegen die im Schrifttum vertretene Auffassung und schafft insoweit Klarheit für die steuerliche Beratungspraxis. Der BFH entwickelt seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells insoweit fort, als er diese zum einen erweitert und zum anderen die bereits in seiner Rechtsprechung behandelten Voraussetzungen zusammenfassend erläutert.
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 24.11.2015, 12 K 3933/ 12 F, EFG 2016, S. 362
Fundstelle
BFH, Urteil vom 06.06.2019, IV R 7/16, lt. BMF-Schreiben vom 07.10.2019 zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 06.02.2014, IV R 59/10, BStBl II 2014, S. 465
