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19.12.2024
Unternehmensteuer

BMF: Keine Aussetzung der Vollziehung bei schädlichen Beteiligungserwerben

Der BFH hat aufgrund ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bzw. des § 8c Abs. 1 S. 2 KStG a.F., die bei einem schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 50% zu einem vollständigen Verlustuntergang führen kann, für das Streitjahr 2016 Aussetzung der Vollziehung gewährt (vgl. BFH-Beschluss vom 12.04.2023, I B 74/22 (AdV)). Das BMF wendet diesen BFH-Beschluss über den entschiedenen Fall hinaus nicht an.

BMF, Schreiben vom 20.11.2024

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 29.03.2017 (2 BvL 6/11, siehe Deloitte Tax-News) entschieden, dass § 8c S. 1 KStG a.F. bzw. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung, wonach nicht genutzte Verluste einer Kapitalgesellschaft anteilig wegfallen, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % und bis zu 50 % der Anteile an einen Erwerber übertragen werden, verfassungswidrig ist. Mit dem Jahressteuergesetz 2018 vom 11.12.2018 (BGBl. I 2018, S. 2338, siehe Deloitte Tax-News) wurde der anteilige Verlustuntergang rückwirkend für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2015 gestrichen.

Mit Beschluss vom 29.08.2017 (2 K 245/17; BVerfG-anhängig: 2 BvL 19/17, siehe Deloitte Tax-News) hatte das FG Hamburg das Bundesverfassungsgericht zu der Frage angerufen, ob § 8c S. 2 KStG a.F. (bzw.: § 8c Abs. 1 S. 2 KStG), wonach nicht genutzte Verluste einer Kapitalgesellschaft vollständig wegfallen, wenn innerhalb von fünf Jahren von mehr als 50% der Anteile an einen Erwerber (unmittelbar) übertragen werden, verfassungswidrig ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage steht immer noch aus.

Mit Beschluss vom 12.04.2023, I B 74/22 (AdV) hat der BFH aufgrund ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bzw. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG a.F. auch im Jahr 2016 (nach Einführung des § 8d KStG) die Aussetzung der Vollziehung von entsprechenden Verlustfeststellungsbescheiden gewährt. Im Streitfall war die Anwendung von § 8d KStG aufgrund von § 8d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KStG ausgeschlossen. Nach dem BFH war die Aussetzung der Vollziehung schon deshalb zu gewähren, weil das Bundesverfassungsgericht im o.g. Beschluss vom 29.03.2017 (2 BvL 6/11) den § 8c (später: Abs. 1) S. 1 KStG a.F. (schädlicher Beteiligungserwerb von mehr als 25 % bis 50 %) als mit dem Grundgesetz unvereinbar eingestuft hat und es sich bei § 8c Abs. 1 S. 1 KStG (schädlicher Beteiligungserwerb von mehr als 50 %) um eine ähnliche Regelung handelt.

Verwaltungsschreiben

Mit Schreiben vom 20.11.2024 belegt das BMF das zuletzt genannte BFH-Urteil vom 12.04.2023 (I B 74/22 (AdV)) mit einem Nichtanwendungserlass. Damit ist in Rechtsbehelfsverfahren betreffend Veranlagungs- bzw. Erhebungszeiträume, in denen nicht genutzte Verluste bzw. Fehlbeträge wegen eines nach dem 31.12.2015 erfolgten schädlichen Beteiligungserwerbs von mehr als 50 % auf der Grundlage von § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bzw. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG a.F. als nicht abziehbar qualifiziert worden sind, auch dann keine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung zu gewähren, wenn die Anwendung von § 8d KStG gemäß § 8d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KStG ausgeschlossen ist, so das BMF.
Aus Sicht der Finanzverwaltung bestehen aufgrund des mit Wirkung vom 01.01.2016 eingeführten fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d KStG keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bzw. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG a.F. (schädlicher Beteiligungserwerb von mehr als 50 %).

Im Gegensatz zum BFH handelt es sich nach dem BMF bei § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bzw. § 8c (später: Abs. 1) S. 2 KStG a.F. (schädlicher Beteiligungserwerb von mehr als 50 %) und bei § 8c (später: Abs. 1) S. 1 KStG a.F. (schädlicher Beteiligungserwerb von mehr als 25 % bis 50 %) auch nicht um ähnliche Normen. Folglich ist nach dem BMF in Rechtsbehelfsverfahren betreffend Veranlagungs- bzw. Erhebungszeiträume, in denen nicht genutzte Verluste bzw. Fehlbeträge wegen eines vor dem 01.01.2016 erfolgten schädlichen Beteiligungserwerbs von mehr als 50% auf Grundlage von § 8c (später: Abs. 1) S. 2 KStG a.F. als nicht abziehbar qualifiziert worden sind, dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers kein Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse einzuräumen.

Betroffene Norm

§ 8c KStG 

Anmerkungen

Vorschrift des § 8d KStG

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 2998) wurde die Vorschrift des § 8d KStG einführt. § 8d KStG ist (grundsätzlich) erstmals auf schädliche Beteiligungserwerbe im Sinne des § 8c KStG anzuwenden, die nach dem 31.12.2015 erfolgen. Die Vorschrift des § 8d KStG hat zum Ziel die steuerliche Nutzung der bisher aufgelaufenen Verluste trotz Anteilseignerwechsels zu ermöglichen, wenn der Geschäftsbetrieb der Körperschaft nach dem Anteilseignerwechsel erhalten bleibt und eine anderweitige Nutzung der Verluste ausgeschlossen ist.

Nach § 8d Abs. 1 S. 1 KStG ist § 8c KStG nach einem schädlichen Beteiligungserwerb auf Antrag nicht anzuwenden, wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach Satz 5 vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein Ereignis im Sinne von Abs. 2 stattgefunden hat. Nach § 8d Abs. 1 S. 2 KStG gilt § 8d Abs. 1 S. 1 KStG nicht für Verluste aus der Zeit vor einer Einstellung oder Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs oder wenn die Körperschaft zu Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach Satz 5 vorausgeht, Organträger oder an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 20.11.2024, IV C 2 - S 2745-a/19/10002 :009

Weitere Fundstellen

BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, S. 1124, siehe Deloitte Tax-News

FG Hamburg, Beschluss vom 29.08.2017, 2 K 245/17; BVerfG-anhängig: 2 BvL 19/17, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Beschluss vom 12.04.2023, I B 74/22 (AdV)

Ihr Ansprechpartner

Denise Käshammer
Senior Manager

dkaeshammer@deloitte.de
Tel.: +4989290368711

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