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01.04.2021
Unternehmensteuer

BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Einkünftekorrektur bei unbesicherten Konzerndarlehen

Mit Urteil vom 27.02.2019, I R 73/16, hat der BFH eine auf § 1 Abs. 1 AStG gestützte Einkünftekorrektur der Teilwertabschreibung eines ausgefallenen unbesicherten Konzerndarlehens für rechtmäßig erklärt und sah hierin insbesondere auch keinen Verstoß gegen das Unionsrecht. Das BVerfG hat nun der gegen dieses Urteil eingelegten Verfassungsbeschwerde stattgegeben, weil der BFH von einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH abgesehen hat.

Sachverhalt

Eine inländische GmbH ist Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der inländischen A GmbH. Letztere war zu 99,98 % an einer belgischen Kapitalgesellschaft, der B N.V., beteiligt und führte für diese ein nicht besichertes Verrechnungskonto. Im Streitjahr 2005 verzichtete die A GmbH wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihrer Tochtergesellschaft auf ihre Forderung aus dem Verrechnungskonto und buchte diese in ihrer Bilanz gewinnmindernd aus. Das Finanzamt neutralisierte diese Gewinnminderung mit Rücksicht auf die fehlende Forderungsbesicherung nach § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung. Gegen die dies für zutreffend haltende Entscheidung des BFH wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Entscheidung

Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben.

Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV

Das BVerfG bemängelt, dass der BFH keine sachlich einleuchtende Begründung dafür anführt, warum er die Rechtslage im konkreten Fall für durch die Rechtsprechung des EuGH zweifelsfrei geklärt hält. Die richtige Anwendung des Unionsrechts auf den vom BFH (erstmals) unter § 1 AStG subsumierten Fall der Hingabe eines fremdunüblich nicht besicherten Darlehens sei nicht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bliebe.

Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG beschränkt die Niederlassungsfreiheit

Der BFH gehe zutreffend davon aus, dass die nach § 1 Abs. 1 AStG vorgenommene Einkünftekorrektur eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV darstellt. Die damit verbundene Ungleichbehandlung sei aber nur statthaft, wenn sie durch vom Unionsrecht anerkannte zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten

Der BFH setze sich nicht mit der Frage auseinander, ob die Einkünftekorrektur nach § 1 AStG im Hinblick auf nicht besicherte Forderungen überhaupt der, vom EuGH für legitim erklärten, Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten dient. Denn weder die Nichtbesicherung der Darlehensforderung, die der BFH dem Fremdvergleich zugrunde legt, noch eine spätere Abschreibung der Forderung führten ohne Weiteres zu einem unversteuerten „Hinaustransferieren“ von Gewinnen, das nach dem EuGH-Urteil vom 31.05.2018 (C-382/16 - Hornbach-Baumarkt) geeignet sein könnte, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Nachweis wirtschaftlicher Gründe

Der EuGH verlangt in jedem Fall, in dem der Verdacht besteht, dass ein geschäftlicher Vorgang über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hätten, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss dieses Geschäfts beizubringen, die nicht fremdübliche Bedingungen rechtfertigen können. Der BFH sieht solche wirtschaftlichen Gründe für die Hingabe eines nicht besicherten Darlehens nicht als gegeben an, wenn dies strukturell der Zuführung von Eigenkapital nahesteht.

Demgegenüber können nach Auffassung des EuGH wirtschaftliche Gründe für den Abschluss eines fremdunüblichen Geschäfts gerade dann vorliegen, wenn eine Tochtergesellschaft auf die Zuführung von Kapital angewiesen ist, weil sie über kein ausreichendes Eigenkapital verfügt. Dazu steht die vom BFH vorgenommene Abwägung in einem von ihm nicht aufgelösten Widerspruch, so das BVerfG.

Beschränkung der Berichtigung auf den fremdunüblichen Betrag

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine nationale Regelung zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis nur erforderlich, soweit sich die steuerliche Berichtigung auf den Teil beschränkt, der über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hätten. Ob der BFH dies berücksichtigt hat, sei nicht nachvollziehbar, weil er bei dem durch § 1 AStG gebotenen Fremdvergleich keine Begründung dafür angeführt habe, warum er unter Marktbedingungen von einer Vollbesicherung des Darlehens ausgeht.

Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG offen

Das BVerfG ließ offen, ob das BFH-Urteil auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil der BFH für den im Rahmen des § 1 AStG gebotenen Fremdvergleich wohl von einer Vollbesicherung ausgegangen ist, ohne dies im Hinblick auf die übliche Höhe von Sicherheiten für die konkrete Verrechnungsabrede und mögliche Wechselwirkungen zwischen dieser und der Höhe des vereinbarten Zinssatzes zu begründen. 

Betroffene Normen

​§ 1 Abs. 1 AStG

​Streitjahr ​2005 

Vorinstanz

BFH, Urteil vom 27.02.2019, I R 73/16, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BVerfG, Beschluss vom 04.03.2021, 2 BvR 1161/19

Pressemitteilung Nr. 25/2021 vom 31.03.2021 

Weitere Fundstelle

EuGH, Urteil vom 31.05.2018, C-382/16 Hornbach-Baumarkt, siehe Deloitte Tax-News 

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