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17.03.2016
Unternehmensteuer

BVerfG: Vorlage des FG Hamburg zur Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ist unzulässig

Das BVerfG hat die Vorlage des FG Hamburg vom 29.02.2012 zur möglichen Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Entgelten für Schulden sowie Miet- und Pachtzinsen als unzulässig abgewiesen. In der Sache bleibt die Frage der Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen damit weiterhin offen. Allerdings ist der Begründung zu entnehmen, dass das BVerfG wohl von der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG ausgeht.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, gab in ihrer Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2008 bei den Hinzurechnungsbeträgen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG Entgelte für Schulden sowie Miet- und Pachtzahlungen für bewegliche und unbewegliche Betriebsanlagegüter an. Später legte die Klägerin gegen den erklärungsgemäß festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag erfolglos Einspruch und anschließend Klage ein. Das FG Hamburg hielt die Vorschriften über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung für verfassungswidrig und legte sie dem BVerfG mit Beschluss vom 29.02.2012 zur Prüfung vor.

Auseinandersetzung mit dem Vorlagebeschluss des FG Hamburg in der Rechtsprechung

In der Folge hatte der 1. Senat des BFH den zwischenzeitlichen Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsregelung mit Beschluss vom 16.10.2012, I B 128/12 abgelehnt (so auch Beschluss vom 16.10.2012, I B 125/12). Eine gegen diesen Beschluss des BFH gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 06.05.2013, 1 BvR 821/13 nicht zur Entscheidung angenommen. In späteren Entscheidungen bestätigte der I. Senat des BFH seine Rechtsauffassung (Urteile vom 16.01.2014, I R 21/12 und vom 04.06.2014, I R 21/13, I R 70/12). Demgegenüber erschien dem IV. Senat des BFH das beim BVerfG anhängige Verfahren als nicht aussichtslos (vgl. Beschluss vom 01.08.2012, IV R 55/11) und deshalb ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren, in welchem es ebenfalls um die Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungsvorschriften geht, bis zum Vorliegen einer Entscheidung des BVerfG ausgesetzt (ebenso die Beschlüsse vom 12.07.2012, IV R 55/10 und vom 26.08.2013, IV R 24/11).

Entscheidung des BVerfG

Die Vorlage ist mangels hinreichender Begründung nicht zulässig. Zwar habe das FG Hamburg die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen ausreichend dargelegt. Allerdings habe sich das FG nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BVerfG und anderer Gerichte zur verfassungsrechtlichen Einordnung und Billigung der Gewerbesteuer als ein System aus Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften auseinandergesetzt.

Nach Auffassung des BVerfG sei das FG nicht hinreichend auf den fortentwickelten Prüfungsmaßstab des BVerfG zum Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und auf die BVerfG-Rechtsprechung zum weitreichenden Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers zur Auswahl und Ausgestaltung des Steuergegenstands sowie zur Differenzierung innerhalb des Steuergegenstands eingegangen. Das FG hätte sich zudem intensiver mit der verfassungsrechtlichen Absicherung der Gewerbesteuer durch Art. 106 Abs. 6 GG beschäftigen müssen. Außerdem sei vor allem eine genaue Begründung für die Ansicht des FG Hamburg erforderlich, dass das finanzrechtliche Äquivalenzprinzip als Rechtsfertigung für die Gewerbesteuer nicht ausreiche, um das verfassungsrechtlich verankerte Leistungsfähigkeitsprinzip zu durchbrechen.

Des Weiteren habe sich das FG Hamburg nicht hinreichend mit dem vom BVerfG statuierten Begriff der Gewerbesteuer als Objektsteuer beschäftigt. Entgegen der Ansicht des FG habe sich die Gewerbesteuer infolge des Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 nicht zu einer reinen „(Zusatz-)Ertragsteuer“ entwickelt. Stattdessen habe die Gewerbesteuer nach wie vor einen Objektsteuercharakter, dem das System der Kürzungen und Hinzurechnungsvorschriften immanent sei. Diese Objektsteuerelemente höben sich von den Verfassungsprinzipien der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit der Besteuerung ab. Das Gebot der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit, auf das sich das FG in seiner Vorlage berufe, sei vielmehr im Lichte der objektivierten Ertragskraft eines Gewerbebetriebs zu berücksichtigen. Ziel der Gewerbesteuer sei es schließlich, die objektivierte Ertragskraft eines Gewerbebetriebs weitgehend unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers, z.B. dessen Finanzierungsentscheidungen, zu besteuern.

Das BVerfG verweist auch auf seine vorangegangene Rechtsprechung, nach der die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG von der verfassungsrechtlichen Legitimität der Gewerbesteuer erfasst und vom Steuerpflichtigen im Grundsatz hinzunehmen seien (vgl. u.a. BVerfG-Beschluss vom 29.08.1974).

Betroffene Normen
§ 8 Nr. 1 a, d, e GewStG, Art. 3 Abs. 1 GG
Streitjahr 2008

Anmerkungen
Auch wenn das BVerfG in seinem Beschluss lediglich die Vorlage des FG Hamburg als unzulässig verwirft und nicht in der Sache selbst entscheidet, ist seiner Begründung zu entnehmen, dass es wohl von der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG ausgeht. Auch das FG Köln geht von der Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen aus (Urteil vom 19.03.2015). Die Revision ist derzeit noch beim BFH anhängig.

Vorinstanz
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29.02.2012, 1 K 138/10, EFG 2012, S. 960, siehe Deloitte Tax-News 

Fundstelle
BVerfG, Entscheidung vom 15.02.2016, 1 BvL 8/12

Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 16.10.2012, I B 128/12, BFHE 238, S. 452, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 06.05.2013, 1 BvR 821/13, NVwZ 2013, S. 935
BFH, Beschluss vom 16.10.2012, I B 125/12, NV 2013, S. 249
BFH, Urteil vom 16.01.2014, I R 21/12, BFHE 244, S. 347, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteile vom 04.06.2014, I R 21/13, BFHE 246, S. 130 und I R 70/12, BStBl II 2015, S. 289, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 01.08.2012, IV R 55/11, BFH/NV 2012, S. 1826
BFH, Beschluss vom 12.07.2012, IV R 55/10
BFH, Beschluss vom 26.08.2013, IV R 24/11
BVerfG, Beschluss vom 29.08.1974, 1 BvR 67/73, HFR 19754, S. 498;
FG-Köln, Urteil vom 19.03.2015, 13 K 2768/10, EFG 2015, S. 1384, BFH-anhängig: I R 41/15

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