BVerfG-Vorlage zur Verfassungswidrigkeit der Abgeltungsteuer
Aktuell: Das Finanzamt hat mittlerweile dem Klageantrag des Klägers in der Hauptsache entsprochen, sodass die Entscheidungserheblichkeit in dem Normenkontrollverfahren beim BVerfG entfallen ist. Eine Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Abgeltungsteuer wird also in diesem Verfahren nicht mehr erfolgen.
Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 10.08.2022, 7 K 120/21
Niedersächsiches FG, Beschluss vom 18.03.2022, 7 K 120/21 (Vorinstanz)
Das Niedersächsische FG hält die Vorschriften über die Abgeltungsteuer für mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar und hat sie dem Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18.03.2022 (7 K 120/21) zur Prüfung vorgelegt.
Hintergrund
Seit dem 01.01.2009 werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, also z.B. Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne, mit einem abgeltenden Einkommensteuersatz von 25 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) versteuert.
Wesentliche Erwägungen des FG
Das Niedersächsische FG gelangt zu der Auffassung, dass die Vorschriften über die Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG) in den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen gegen das in Art 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verstoßen und daher verfassungswidrig sind. Die Abgeltungsteuer führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerpflichtigen. Während die Bezieher von Kapitaleinkünften mit einem Sondersteuersatz von 25 % abgeltend belastet werden, unterliegen die übrigen Steuerpflichtigen einem Steuersatz von bis zu 45 %.
Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Abgeltungsteuer sei nicht zur Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs oder zur Beseitigung eines etwaigen strukturellen Vollzugsdefizits geeignet. Unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Geeignetheit der Regelung sei die Erforderlichkeit zwischenzeitlich entfallen, da sich seit dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert hätten. Die Abgeltungsteuer sei weder zur Standortförderung des deutschen Finanzplatzes geeignet noch führe sie zu einer wesentlichen Vereinfachung im Besteuerungsverfahren.
Hinweis zur Rechtsprechung des BFH
Auch der BFH hat sich schon in einigen Entscheidungen (siehe z.B. Urteile vom 29.04.2014, VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13, VIII R 23/13, siehe Deloitte Tax-News) zu verfassungsrechtlichen Aspekten der Abgeltungsteuer geäußert. Anders als nun das Niedersächsische FG hat er bislang aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert. Es bleibt daher abzuwarten, wie das BVerfG die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer beantworten wird.
Fundstellen
Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 10.08.2022, 7 K 120/21
Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 18.03.2022, 7 K 120/21
Niedersächsisches Finanzgericht, Pressemitteilung vom 31.03.2022
