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11.09.2012
Unternehmensteuer

Drei FG-Urteile zur Europarechtswidrigkeit der Pauschalbesteuerung für Investmentfonds (§ 6 InvStG)

Aktuell: Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 09.10.2014, C-326/12, kommt der BFH mit Urteil vom 14.05.2019, VIII R 31/16 zu dem Ergebnis, dass die pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen nach § 6 Abs. 1 InvStG, die vom Steuerpflichtigen durch den Nachweis der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG abgewendet werden kann, nicht gegen Unionsrecht verstößt und auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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In den letzten Monaten ergingen insgesamt drei FG-Urteile zur Frage einer möglichen Europarechtswidrigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit der Pauschalbesteuerung für Investmentfondserträge deutscher Anleger. Die Finanzgerichte Hamburg und Berlin-Brandenburg haben eine mögliche verfassungs- bzw. Europarechtswidrigkeit verneint, während das FG Düsseldorf eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit als möglich erachtet und die Frage dem EuGH zur Vorab-Entscheidung vorgelegt.

§ 6 InvStG Pauschalbesteuerung von Investmentfonds   
 
Investmentfonds, die ihre Informationspflicht bezüglich der veröffentlichungspflichtigen Bestandteile der Besteuerungsgrundlagen aus § 5 InvStG nicht oder nicht korrekt erfüllen, werden als intransparenter/„schwarzer“ Fonds eingestuft. Konsequenz ist, dass beim Anleger eine sogenannte Pauschalbesteuerung i.S.v. § 6 InvStG zur Anwendung kommt und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen in- oder ausländischen Investmentfonds handelt.

Beim Anleger sind in dieser Situation als steuerpflichtige Erträge die gesamten Ausschüttungen sowie ein 70 % der Wertsteigerung des letzten Jahres („Mehrbetrag“) anzusetzen, mindestens aber 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises (sog. Mindestbetrag). Der steuerpflichtige Mehrbetrag entspricht 70 % der Differenz zwischen erstem und letztem Rücknahmepreis für einen Fondsanteil des Kalenderjahres. Beim Anleger sind mindestens 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen, wenn dieser sog. Mindestbetrag den Betrag der Ausschüttungen zuzüglich 70 %. des Mehrbetrags übersteigt. Bei der Versteuerung sind weder das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) noch das Beteiligungsprivileg (§ 8b KStG) anzuwenden.

FG Hamburg (Urteil vom 13.07.2012,  Az. 3 K 131/11)

Sachverhalt
In dem zu entscheidenden Fall des FG Hamburg hatte die Klägerin über ihre liechensteinische Stiftung Kapital bei Fonds auf den Cayman Islands angelegt. Die steuerlichen Daten der Fonds für die Streitjahre 2004 bis 2006 wurden nachträglich mit Bescheinigungen der sie ermittelnden deutschen WP-Gesellschaft aus dem Jahr 2008 auf der Website der stiftungsverwaltenden Gesellschaft bereitgestellt. Die Bescheinigungen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG konnten im Internet heruntergeladen werden; dort waren sie allerdings nicht mittels Suchfunktion auffindbar, sondern nur über den der Klägerin mitgeteilten Link (http://www....). Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder einer Tageszeitung erfolgte für die Geschäftsjahre bis 2006 insoweit nicht.

Das zuständige FA berechnete die Einkünfte für 2004 bis 2006 – zwischen den Beteiligten rechnerisch unstreitig – gemäß § 6 InvStG. Überwiegend wurden die Erträge zu 6 % des Wertes zum jeweiligen Jahresende berechnet. Lediglich bei einem Fonds in einem Jahr kamen 70 % des Mehrwertes vom Jahresende gegenüber Jahresanfang zum Tragen.

Hiergegen legte die Klägerin am 13.08.2010 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Am 27.07.2011 erhob die Klägerin Klage. Das FG Hamburg hat die Klage nun abgewiesen und hat in dem Urteil die Revision zugelassen. 

Entscheidung
Die Regelungen des InvStG führen nach Auffassung des FG Hamburg nicht zu einer Diskriminierung ausländischer Fonds im Hinblick auf die europarechtlich vorgegebene Kapitalverkehrsfreiheit. 

Es liegt zwar auf der Hand, dass aufgrund der unterschiedlichen Besteuerungsregime für transparente und intransparente Fonds im Inland ansässige Anleger davon abgehalten werden, in intransparente Fonds zu investieren. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass die somit gegebene Benachteiligung intransparenter Fonds jedenfalls dann keine Diskriminierung ausländischer Fonds darstellt, wenn diese - wie hier - den Publizitätsobliegenheiten im Bundesanzeiger überhaupt nicht nachgekommen sind und die Daten seinerzeit auch nicht wenigstens beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingereicht wurden. Denn die Obliegenheit auch für ausländische Fonds, Daten für die deutsche Besteuerung überhaupt zu ermitteln und zu publizieren, um ihren Anlegern die Regelbesteuerung zu erhalten, diskriminiert ausländische Fonds nicht gegenüber inländischen Fonds.

Schließlich ist die Regelung über die Pauschalbesteuerung der Anleger intransparenter Fonds auch nicht verfassungswidrig. Die Pauschalbesteuerung stellt weder eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung dar, noch verstößt sie gegen den Gleichheitssatz. Einer für Ausnahmefälle denkbaren Unverhältnismäßigkeit kann durch Billigkeitsmaßnahmen begegnet werden, ohne dass dadurch unionsrechtliche oder verfassungsrechtliche Zweifel begründet werden.

FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 23.05.2012, Az. 1 K 1159/08, Az. des Revisionsverfahrens beim BFH VIII R 27/12)

Sachverhalt
Die Klägerin, eine amerikanische Staatsbürgerin, erzielte Einkünfte aus US-Investmentfonds. Diese erfüllten nicht bestimmte, im InvStG vorgesehene Publizitätsanforderungen, nämlich u. a. die Bekanntmachung der Ausschüttungen und ausschüttungsgleichen Erträge. Das FA besteuerte die Klägerin daher nach den für solche sog. schwarzen Fonds geltenden Vorschriften des InvStG.

Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VIII R 27/12 die Revision anhängig. 

Entscheidung
Das FG Berlin-Brandenburg sah in der pauschalen Besteuerung der Kapitalerträge nach dem InvStG insbesondere keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, weil die maßgeblichen Regelungen gleichermaßen für inländische wie ausländische Investmentgesellschaften gelten. Zwar gebe es einzelne Vorschriften, die gerade von ausländischen Gesellschaften besondere Nachweise verlangten; dies sei jedoch weder willkürlich noch unverhältnismäßig, sondern vielmehr gerechtfertigt, weil die Finanzbehörden bei ausländischen Gesellschaften anders als bei inländischen Gesellschaften keine Außenprüfung zur Aufklärung der steuerlichen Verhältnisse vornehmen und somit die Erklärungen über die Ausschüttungen nicht kontrollieren könnten.

FG Düsseldorf (30.11.2012, Az. 16 K 3383/10 F)
 
Sachverhalt
Die Klägerin ist Alleinerbin ihres im August 2002 verstorbenen, aus Belgien stammenden Ehemannes. Dieser hatte Anteile an ausländischen Investmentfonds erworben und diese in einem Depot bei der BBL/ING-Bank Belgien gehalten. Nachdem der gemeinsame Sohn und Kläger zu 2) seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte, übertrug die Klägerin zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs im Jahre 2003 das Depot zur Hälfte auf den Kläger. Dementsprechend wurden Erträge aus den (fortgeführten) Kapitalanlagen ab 2003 einheitlich und gesondert festgestellt und den Klägern hälftig zugerechnet.

Die Kläger erzielten hieraus im Jahr 2003 sowie in den Streitjahren 2004 bis 2008 unstreitig geringfügige Zinsen (aus laufender Rechnung) sowie Erträge aus den Investmentanteilen ("Fondserträge"). Bezogen auf die Streitjahre bis 2006 handelte es sich bei sämtlichen Investmentanteilen um Anteile an sog. "schwarzen" Fonds, deren Besteuerung bis zum Jahre 2003 in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG geregelt war, bzw. um Anteile an sog. "intransparenten" Fonds, deren Besteuerung ab dem Jahre 2004 (u.a.) in § 6 InvStG geregelt ist. Genauer gesagt handelte es sich sämtlich um thesaurierende Fonds. Die Kläger waren der Ansicht, dass die für Jahre ab 2004 geltende Regelung in § 6 InvStG gemeinschaftsrechtswidrig sei.

Das FG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mit der Rechtsfrage, ob die pauschale Besteuerung von Erträgen aus sog. "intransparenten" (inländischen und) ausländischen Investmentfonds gem. § 6 InvStG gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 56 EG) verstößt, weil sie eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art. 58 Abs. 3 EG) darstellt, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Entscheidung
Das FG Düsseldorf hat in seinem Urteil Zweifel dargelegt, ob trotz der Einführung des Investmentsteuergesetzes im Jahr 2004 und der damit verbundenen formalen Gleichstellung in- und ausländischer Investmentfonds eine verdeckte bzw. faktische Diskriminierung vorliegen könnte. Diese könne – so das Gericht – darin bestehen, dass die Vorschriften des § 5 Abs. 1 InvStG quasi auf inländische Fonds „zugeschnitten“ sind, während für ausländische Fonds keine Veranlassung bestünde, diese Pflichten zu erfüllen. 

Eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit sei möglicherweise darin zu sehen, dass einerseits der ausländische Fonds keine deutschen Anleger für sich gewinnen könne, wenn er nicht die Bekanntmachungs- und sonstigen Pflichten nach § 5 InvStG erfülle, und andererseits deutsche Anleger von ausländischen Investmentfonds Abstand nehmen. Denn diese kommen häufig nicht diesen Anforderungen nach, indem sie beispielsweise die Investmenterträge nicht in deutscher Sprache mitteilen oder die erforderlichen Angaben nicht im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen. 

Angesichts dessen ist die ab 2004 geltende Gesetzeslage aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht ganz frei von Zweifeln. Dieser Beurteilung steht auch nicht das BFH-Urteil v. 18.11.2008 (Az.: VIII R 24/07) entgegen. Soweit der BFH in diesem Urteil die Besteuerung von Erträgen aus im Inland nicht registrierten ausländischen Investmentfonds (sog. "schwarze" Fonds) gem. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG als offensichtlich gemeinschaftswidrig beurteilt und dabei mehrfach die ab 2004 geltende, geänderte Gesetzeslage angesprochen hat, hat er sich jedenfalls nicht mit dem vorerwähnten, im Schrifttum geltend gemachten Gesichtspunkt der "verdeckten" bzw. "faktischen" Diskriminierung befasst.

Fundstellen

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 13.07.2012, 3 K 131/11, , siehe hierzu: BFH, Beschluss vom 30.6.2015, VIII R 36/12, nicht dokumentiert (Im Revisionsverfahren wurde die Hauptsache für erledigt erklärt. Das Urteil des Finanzgerichts ist gegenstandslos.) 

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012, 1 K 1159/08, siehe hierzu: BFH, Urteil vom 17.11.2015, VIII R 27/12, siehe Deloitte Tax-News 

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 03.11.2012, 16 K 3383/10 F, siehe hierzu: BFH, Urteil vom 14.05.2019, VIII R 31/16; EuGH, Urteil vom 09.10.2014, C-326/12, HFR 2014, S. 1127, siehe Deloitte Tax-News

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