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14.11.2024
Unternehmensteuer

FG Berlin-Brandenburg: Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung bei Eventveranstalter

Mietet ein Veranstalter für Konferenzen, Events und Ausflüge für seine Auftraggeber im eigenen Namen Räume (Konferenzräume, Hotelzimmer) und entsprechende Veranstaltungstechnik an, die für entsprechende Veranstaltungen genutzt werden, gehen diese Aufwendungen in "das Produkt" ein und stellen deshalb kein fiktives Anlagevermögen dar, welches zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 d und e GewStG führt.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.07.2024, 8 K 8027/21, BFH-anhängig: III R 28/24

Sachverhalt

Unternehmensgegenstand der Klägerin war die Veranstaltung von Reisen und die Durchführung von Tagungen und Kongressen, die Vermittlung von Reisen und Fahraufträgen, die Betreuung von Gästen, die Durchführung von Messe und Auftragsdiensten und die Beratung von Firmen und Einzelpersonen im touristischen Bereich, sowie die Förderung des Tourismus.

Eine steuerliche Außenprüfung kam zu der Feststellung, dass die Anmietung von Hotelzimmern der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG unterliege. Die mit den Kunden geschlossenen Verträge seien keine Verträge besonderer Art, weil ihnen weder die Raumüberlassung noch eine sonstige Leistung das Gepräge gebe. Die einzelnen Leistungskomponenten seien vielmehr einzeln zu betrachten, so dass die der Hotelunterkunft zuzurechnenden Entgelte der Hinzurechnung unterliegen würden.

Entscheidung

Das FG kommt entgegen der Auffassung des Finanzamtes zu dem Ergebnis, dass die hier strittigen Aufwendungen nicht gem. § 8 Nr. 1 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind.

Gesetzliche Grundlage

§ 8 GewStG sieht vor, dass dem Gewinn aus Gewerbebetrieb bestimmte Beträge wieder hinzugerechnet werden, soweit sie den Gewinn gemindert haben. Zu diesen Hinzurechnungsbeträgen gehören nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG auch jeweils ein Teil der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen.

Eine Gewinnabsetzung i.S.d § 8 GewStG liegt dann nicht vor, wenn der Aufwand in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeht (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18).

Keine Zuordnung zum fiktiven Anlagevermögen

Die Aufwendungen für angemietete bewegliche und insbesondere unbewegliche Wirtschaftsgüter waren nicht einem fiktiven Anlagevermögen der Klägerin als Mieterin bzw. Pächterin zuzuordnen.

Anlagevermögen bei Eigentümerstellung

Es ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters oder Pächters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre.

Anlagevermögen sind demnach die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB). Hierunter fallen die zum Gebrauch im Betrieb und nicht zum Verbrauch oder Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter. Die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen orientiert sich maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts in dem Betrieb.
Ein Gegenstand, der zur Vermietung bestimmt ist, gehört zum Anlagevermögen, es sei denn, die Vermietung dient nur dem Zweck, den Gegenstand anschließend dem Mieter zu verkaufen (BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 55/10). Die Verwendung des Wirtschaftsguts als Produktionsmittel spricht für die Zuordnung zum Anlagevermögen, während der Einsatz als zu veräußerndes Produkt eine Zuordnung zum Umlaufvermögen nahelegt (BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16).

Geschäftsgegenstand des Unternehmens ist entscheidend

Es ist zu fragen, ob der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter voraussetzt. Hierfür ist darauf abzustellen, ob sich die betreffende Tätigkeit, das Eigentum des Steuerpflichtigen an dem Wirtschaftsgut unterstellt, wirtschaftlich sinnvoll nur ausüben lässt, wenn das Eigentum an den Wirtschaftsgütern langfristig erworben wird (BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16).

Zeitkomponente

Für die Einordnung als Anlagevermögen ist die Zeitkomponente „dauernd“ nicht als reiner Zeitbegriff i.S.v. „immer“ zu verstehen. Das setzt indessen voraus, dass der Steuerpflichtige derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt. Eine Zuordnung zum Anlagevermögen scheidet danach aus, wenn der Steuerpflichtige die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb hätte vorhalten müssen und sie deshalb nicht zu seinem dem Betrieb auf Dauer gewidmeten Betriebskapital gehören würden.

Nicht jede kurzfristige anlass- oder auftragsbezogene Anmietung eines Wirtschaftsguts reicht für die Annahme von Anlagevermögen aus, da das Tatbestandsmerkmal „Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“ ansonsten im Ergebnis inhaltsleer und überflüssig wäre (BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16).

Ergebnis im Streitfall

Im konkreten Fall lag nach den vorgenannten Grundsätzen kein fiktives Anlagevermögen vor. Der Gegenstand des Unternehmens und die „Nutzung“ der angemieteten Räume spricht nach Ansicht des BFH gegen eine Hinzurechnung der Aufwendungen.

Der BFH geht davon aus, dass ausgehend vom Unternehmenszweck nur das „Produkt“ des Gewerbes entscheidende Abgrenzungsmerkmale geben kann. Dies ersetze die Dauerhaftigkeit der allgemeinen Anlagevermögensdefinition und sei notwendig, weil bei Nichtberücksichtigung der ggf. kurzfristigen Anmietung die Annahme von Umlaufvermögen den Verbrauch der Wirtschaftsgüter (als zu verkaufende Ware bzw. einzusetzende Rohstoffe) erfordere. Entsprechend könne auch die wiederholte Anmietung gleichartiger Wirtschaftsgüter allein kein hinreichendes Unterscheidungsmerkmal sein.

Für eine Behandlung als fiktives Umlaufvermögen statt als fiktives Anlagevermögen spreche deshalb, dass die Klägerin Konferenzräume und Zimmer in Hotels sowie sonstige bewegliche Wirtschaftsgüter (Konferenztechnik, Schirme, Stühle etc.) angemietet hat, um damit für die eigenen Kunden Reisepakete, Konferenzen, Veranstaltungen gleich einem Reiseveranstalter zusammen zu stellen („zu produzieren“) und sodann an die Kunden als Gesamtpaket in Rechnung zu stellen („zu verkaufen“).

Auch aus Sicht der jeweiligen Kunden waren die hier relevanten Anmietungen und Überlassungen gegen Entgelt im Paket Teil des Gesamtprodukts. Es komme allein darauf an, dass die Vertragspartner die angemieteten Räume als Teil des Produkts angesehen haben, weil die Übernachtungen der Teilnehmer der Reisen/Veranstaltungen nicht nur Nebenfolge der Produkte waren, sondern selbst den Veranstaltungen das Gepräge gegeben haben. Verkauftes „Produkt“ war damit nicht nur die einzelne Konferenz in einem Saal, sondern gerade die Organisation der Gesamtveranstaltung.

Betroffene Norm

§ 8 Nr. 1 d und e GewStG

Streitjahr 2011

Anmerkung

Zulassung der Revision

Der BFH hat die Revision zugelassen, weil beim BFH noch zwei Revisionsverfahren mit ähnlich gelagerten Streitfällen anhängig sind (Sächsisches FG, Urteil vom 27.09.2022, 3 K 1352/20, BFH-anhängig: R 39/22 und FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2022, 8 K 8102/21: BFH-anhängig: III R 3/23).

Einordnung in die bisherige Rechtsprechung

Der BFH hat durch einen Konzertveranstalter angemietete Veranstaltungsimmobilien dem fiktiven Anlagevermögen zugeordnet, da diese Wirtschaftsgüter nach dem Geschäftsgegenstand ständig für den Gebrauch vorzuhalten waren (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11 siehe Deloitte Tax-News).

Bei einer sog. Messedurchführungsgesellschaft, die entsprechend ihres Geschäftszwecks nur aufgrund auftragsbezogener Weisungen ihres Auftraggebers nach den konkreten vertraglichen Abreden wie ein Mittler zwischen Messeveranstalter und Auftraggeber tätig wird, liegt nach Der BFH-Rechtsprechung hingegen kein fiktives Anlagevermögen hinsichtlich der für den jeweiligen Auftrag angemieteten Wirtschaftsgüter vor (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, siehe Deloitte Tax-News).

Auch von einem Pauschalreiseveranstalter angemietete Hotelzimmer und Hoteleinrichtungen stellen nach dessen Geschäftsgegenstand kein fiktives Anlagevermögen dar, da die angemieteten WG nicht wie bei einem Hotelier zur dauerhaften Herstellung neuer Produkte (Übernachtung, Verpflegung, Veranstaltung) benötigt werden (BFH-Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16, siehe Deloitte Tax-News).

Das Sächsische FG hat zuletzt fiktives Anlagevermögen bei der Anmietung von Unterkünften für Arbeitnehmer verneint, denn der Geschäftsgegenstand als solcher erfordere nicht die Anmietung von Übernachtungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer, denn die Klägerin könne ihre Leistungen auch regional erbringen. Auch wenn die betrieblichen Verhältnisse Übernachtungsmöglichkeiten erfordern würden, weil die Arbeitnehmer deutschland- und europaweit tätig würden, sei kein fiktives Anlagevermögen anzunehmen, denn es liege in ihrer Hand, wie sie die Tätigkeit ausübe, welche Aufträge sie durchführe und wo sie tätig werde. Damit unterscheide sich die Klägerin von einer Messedurchführungsgesellschaft, die aufgrund auftragsbezogener Weisung über die Teilnahme an einer konkreten Messe tätig werde (Sächsisches FG, Urteil vom 27.09.2022, 3 K 1352/20, BFH-anhängig: R 39/22).

Das FG selbst (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2022, 8 K 8102/21, BFH-anhängig: III R 3/23) hat eine Behandlung als fiktives Anlagevermögen in einem Fall der Anmietung von Übernachtungsmöglichkeiten für überlassenes Personal angenommen, da insoweit die Anmietung der Übernachtungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter essentiell für die Anwerbung des Personals überhaupt gewesen sei, denn nur in diesem Fall hätten sich diese Mitarbeiter auf die Arbeit einlassen können. Die Übernachtungsmöglichkeit für die Arbeitnehmer sei aber gerade nicht Teil des Produkts der Auftraggeber geworden, denn diesem sei es gerade nicht darauf angekommen, dass die eingesetzten Personen vor Ort übernachteten.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kommt das FG in dem hier besprochenen Fall zu dem Schluss, dass sich das Produkt der Klägerin vom Konzertveranstalter unterscheidet, der bezogen auf die regulären Endkunden gerade kaum Nebenleistungen (Anreise und Übernachtung) anbietet bzw. nur in Premium-Packages. Die Klägerin unterscheide sich insoweit auch vom Messeveranstalter. Nach Überzeugung des FG ähnelt das „Produkt“ trotz Veranstaltungscharakter eher einem Reiseveranstalter, auch wenn es gerade beim Reiseveranstalter den Endkunden um ganz konkrete Räume geht (Hotelzimmer einer bestimmten Kategorie in einem bestimmten Hotel an einem bestimmten Ort).

Fundstelle

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.07.2024, 8 K 8027/21, BFH-anhängig: III R 28/24

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18, BStBl. II 2022, S. 279, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, S. 51, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 55/10, BStBl. II 2017, S. 722 siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, BStBl. II 2022, S. 273 siehe Deloitte Tax-News

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2022, 8 K 8102/21, BFH-anhängig: III R 3/23

Ihr Ansprechpartner

Daniela Gemmel
Senior Manager

dgemmel@deloitte.de
Tel.: +4921187725394

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