FG Düsseldorf: Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtags im Rahmen einer Verschmelzung
Die Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtags im Rahmen der Verschmelzung richtet sich nach dem Stichtag der in § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG genannten „Bilanz, die dem Vermögensübergang zu Grunde liegt“. Diese Bilanz meint die Bilanz im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 UmwG, die auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist. Der steuerrechtlich maßgebliche Zeitpunkt für den fiktiven Vermögensübergang nach § 2 Abs. 1 UmwStG kann daher nicht durch die an den Umwandlungsvorgängen beteiligten Körperschaften bestimmt werden, sondern steht in Abhängigkeit von der der Übertragung zugrunde gelegten Bilanz.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2024, 7 K 2493/21 F,AO
Sachverhalt
Streitig ist der Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtags aus einer Verschmelzung.
Alleingesellschafterin der S. Q. AG (S) war die V. AG. Im Jahr 2019 wurde die V. AG (übertragende Gesellschaft) auf die S (übernehmende Gesellschaft) verschmolzen (Down-Stream Merger). Dazu war im Verschmelzungsvertrag geregelt, dass der Verschmelzungsstichtag der 31.12.2018 sein sollte und dass der Verschmelzung die Bilanz der übertragenden Gesellschaft zum 30.06.2019 zu Grunde liegen sollte. Die Anmeldung beim Handelsregister erfolgte erst am 15.10.2019. Es wurde begehrt, dass für die übertragende Gesellschaft unter Verweis auf § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG das steuerliche Einlagekonto bereits zum 31.12.2018 (und nicht erst 2019) unter Berücksichtigung der Verschmelzung festgestellt werden sollte. Hintergrund war, dass das steuerliche Einlagekonto der übertragenden Gesellschaft schon im Jahr 2018 auf die übernehmende Gesellschaft (S) übergehen sollte, um für Ausschüttungen der S im Jahr 2019 zur Verfügung zu stehen.
Entscheidung
Das FG folgt der Auffassung des Finanzamtes, dass die Verschmelzung nicht (schon) bei den Feststellungen auf den 31.12.2018 steuerlich zu berücksichtigen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Der Zugang des steuerlichen Einlagenkontos nach § 29 Abs. 2 S. 1 KStG ist in dem Wirtschaftsjahr vorzunehmen, in das der steuerliche Übertragungsstichtag der Verschmelzung fällt (hier: Abwärtsverschmelzung).
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie des übernehmenden Rechtsträgers so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen wäre.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG muss der Verschmelzungsvertrag den Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (Verschmelzungsstichtag), enthalten. Der Anmeldung zum Handelsregister ist gem. § 17 Abs. 2 S. 1 UmwG die Schlussbilanz beizufügen. Das Registergericht darf die Verschmelzung nur eintragen, wenn die Bilanz auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist (§ 17 Abs. 2 S. 4 UmwG). Wird die Verschmelzung dennoch – also bei Überschreiten der Acht-Monats-Frist eingetragen – tritt eine Heilung ein (§ 20 Abs. 2 UmwG), mit der Folge, dass die steuerlichen Rückwirkungsfolgen auf den Stichtag der beim Registergericht eingereichten Schlussbilanz eintreten.
Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung der Verschmelzung (steuerlicher Übertragungsstichtag)
Nach diesen Grundsätzen lag der relevante Bilanzstichtag (30.06.2019) im Veranlagungszeitraum 2019, weshalb das Finanzamt zu Recht keinen Zugang beim steuerlichen Einlagekonto der V. AG aufgrund der Verschmelzung zum 31.12.2018 erfasst hat.
Bilanz i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG
Die in § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG genannte „Bilanz, die dem Vermögensübergang zu Grunde liegt“, ist die Bilanz i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 UmwG, die zum Handelsregister einzureichen ist. Dies entspricht sowohl der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 17.01.2018, I R 27/16; vom 24.04.2008, IV R 69/05; sowie vom 07.04.2010, I R 96/08) als auch der herrschenden Meinung in der Literatur sowie der Ansicht der Finanzverwaltung im Umwandlungssteuererlass (BMF-Schreiben vom 11.11.2011). Das Finanzgericht sieht keine Veranlassung, von dieser Sichtweise abzuweichen, auch wenn zuzugeben ist, dass § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG anders als § 20 Abs. 6 UmwStG die Norm des § 17 Abs. 2 UmwG nicht ausdrücklich erwähnt.
An die sich aus der Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtags in § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG in Abhängigkeit vom Bilanzstichtag der Bilanz, die der Verschmelzung zugrunde lag (also der Bilanz i.S.d. § 17 Abs. 2 UmwG), ergebenden steuerrechtlichen Konsequenzen hinsichtlich des Zeitpunkts des fiktiven Vermögensübergangs auf den übernehmenden Rechtsträger sind die Beteiligten gebunden. Sie haben jedoch die Möglichkeit, den Zeitpunkt, auf den die Schlussbilanz aufgestellt wird, innerhalb des von § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG vorgegebenen Zeitrahmens zu vereinbaren. Dieser Zeitrahmen von acht Monaten berechnet sich nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG in Abhängigkeit vom Tag der Anmeldung zum Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers, indem der zeitlich früheste zulässige Bilanzstichtag und damit auch der steuerliche Übertragungsstichtag maximal acht Monate vor dem Tag dieser Anmeldung liegen dürfen.
Umstritten ist jedoch, ob insoweit eine Abhängigkeit zum Verschmelzungsstichtag gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG besteht. Im (handelsrechtlichen) Schrifttum wird dabei überwiegend die Auffassung vertreten, der Stichtag der Schlussbilanz müsse mit dem Verschmelzungsstichtag identisch sein bzw. ihm unmittelbar vorausgehen. Nach anderer Auffassung besteht keine zwingende zeitliche Verknüpfung zwischen dem Stichtag der Schlussbilanz nach § 17 Abs. 2 UmwG und dem Verschmelzungsstichtag. Die Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, die Schlussbilanz nach § 17 Abs. 2 UmwG sei stets auf den Schluss des Tages, der dem Verschmelzungsstichtag vorausgeht, aufzustellen (BMF-Schreiben vom 11.11.2011; vgl. zum Ganzen auch BFH-Urteil vom 24.04.2008, IV R 69/05).
Ergebnis im Streitfall
Nach dem von § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG vorgegebenen Zeitrahmen durfte der Verschmelzung im Streitfall schon nicht eine Schlussbilanz auf den 30.12.2018 zugrunde gelegt werden, da die Anmeldung zum Handelsregister am 15.10.2019 erfolgt war und der 30.12.2018 als dem hier angeführten Tag der Schlussbilanz und steuerlichen Übertragungsstichtag damit vor dem nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG frühesten zulässigen Bilanzstichtag lag, so das FG.
Hier lag der Verschmelzung die Bilanz der übertragenden Gesellschaft zum 30.06.2019 als der Bilanz i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 UmwG zugrunde, so dass dieses Datum auch der steuerliche Übertragungsstichtag ist.
Das ergibt sich nach Ansicht des FG zum einen schon unmittelbar aus dem Verschmelzungsvertrag, in dem es unter ausdrücklichem Verweis auf die Regelung des § 17 Abs. 2 S. 1 UmwG heißt, dass der Verschmelzung die Schlussbilanz der V. AG zum 30.06.2019 zugrunde liegt. Zum anderen folgt dies daraus, dass der finalen Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister am 15.10.2019 unstreitig eben diese Bilanz der V. AG auf den 30.06.2019 beigefügt war.
Auf den Inhalt des Verschmelzungsvertrags und die dort enthaltenen Regelungen zum Verschmelzungsstichtag, die sich schon dem Vertragswortlaut nach nur auf das Innenverhältnis beziehen, kommt es daher insoweit nicht an, da der steuerrechtlich maßgebliche Zeitpunkt für den fiktiven Vermögensübergang nach § 2 Abs. 1 UmwStG nicht durch die an den Umwandlungsvorgängen beteiligten Körperschaften bestimmt werden kann, sondern in Abhängigkeit von der der Übertragung zugrunde gelegten Bilanz steht.
Keine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung
§ 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG dient im Wesentlichen Praktikabilitätsgründen, da der Zeitpunkt der Handelsregistereintragung häufig ungewiss ist und die Steuerpflichtigen aufgrund dieser Regelung (im Rahmen des durch § 17 Abs. 2 UmwG vorgegebenen Zeitraums) den Bilanzstichtag selbst bestimmen können sollen. Durch die Vorgabe eines Zeitraums von acht Monaten (und nicht eines längeren Zeitraums) soll die Aktualität der Schlussbilanz sichergestellt werden.
Die zeitliche Planung und Umsetzung der Verschmelzung und auch des Ausschüttungstermins hätte im Streitfall gestaltet werden können. Die Verlagerung der Verschmelzung in das Jahr 2019 beruht im Wesentlichen darauf, dass der Acht-Monatszeitraum des § 17 Abs. 2 UmwG im Zeitpunkt des Abschlusses des Verschmelzungsvertrags und der Anmeldung zum Register eine Schlussbilanz auf den 30.12.2018 (handelsrechtlich) nicht mehr zuließ. Die Begrenzung auf acht Monate stellt dabei nach Ansicht des FG wegen des dargestellten Aktualitätserfordernisses einen sachlich gerechtfertigten Grund für die zeitliche Beschränkung dar.
Betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG, § 17 Abs. 2 UmwG, § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG
Streitjahr: 2018
Anmerkung
Zu den Auswirkungen beim übertragenden Rechtsträger vgl. das Parallelverfahren des FG Düsseldorf vom 13.03.2024, 7 K 2491/21 F, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt: VIII B 37/24
Praxishinweis
Die Regelung des § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG hat in der Praxis eine große Bedeutung, da hiermit die steuerliche Rückwirkung einer Verschmelzung erreicht werden kann. Bei Verschmelzungen ist die vertragliche und zeitliche Ausgestaltung sorgfältig zu planen, um keine steuerlichen Nachteile zu erleiden. Insbesondere ist darauf zu achten, dass der gewünschte Verschmelzungsstichtag bzw. der steuerliche Übertragungsstichtag so gewählt sind, dass sie maximal acht Monate vor der Anmeldung zum Handelsregister liegen.
Im Streitfall hätte der Übergang des steuerlichen Einlagekontos erst im Jahr 2019 verbunden mit der Folge, dass dieses nicht für Ausschüttungen des Jahres 2019, sondern erst ab 2020 zur Verfügung stand, vermieden werden können.
Fundstelle
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2024, 7 K 2493/21 F,AO, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt: VIII B 38/24
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.01.2018, I R 27/16, BStBl. II 2018, S. 449 siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.09.1999, II R 33/97, BStBl. II 2000, S. 2
BFH, Urteil vom 24.04.2008, IV R 69/05, BFH/NV 2008, S. 1550-1554
BFH, Urteil vom 7.04.2010, I R 96/08, BStBl. II 2011, S. 467 siehe Deloitte Tax- News
BMF, Schreiben vom 11.11.2011, IV C 2 - S 1978b/08/10001 (Umwandlungsteueranwendungserlass), BStBl. I 2011, S. 1314